Freitags hat Monteur Yassin (33) immer frei Vier-Tage-Woche macht Schwerter Betrieb attraktiv

„Freitags immer frei“: Vier-Tage-Woche macht Schwerter Betrieb attraktiv
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Die Liste an Vorteilen war lang, die sich Kai Hesse für seinen Schwerter Betrieb vorgestellt hatte, wenn er die Vier-Tage-Woche einführt: Der wichtigste Vorteil von allen sollte sein, den Handwerksberuf wieder attraktiver zu machen. Das war im April dieses Jahr. Wie sieht es jetzt aus – knapp ein halbes Jahr später? Gibt es die Vier-Tage-Woche noch bei dem Familienbetrieb an der Robert-Koch-Straße, der auf Aufgaben rund um Heizung und Bad spezialisiert ist?

Neuer Monteur im Team

„Auf jeden Fall“, sagt Hesse. Er bereut nicht, den Schritt mit seinem Team gemacht zu haben. Immerhin sei Monteur Yassin Zaria aus Holzwickede unter anderem auch aus diesem Grund wieder ins Team zurückgekehrt. In puncto „Attraktivitätssteigerung“ hat sich Hesse wohl nicht getäuscht.

Der 33-Jährige aus Holzwickede hatte 2007 die Ausbildung zum Anlagenmechaniker bei Hesse in Schwerte gemacht und sich danach umorientiert: Jetzt ist er wieder zurück. „Der große Vorteil ist, Freitag frei zu haben“, sagt er. Statt freitags noch fünf Stunden bis mittags zu arbeiten, werden diese Montag bis Donnerstag verteilt und hinten dran gehängt. Grundsätzlich hat eine Vollzeitkraft eine 37-Stunden-Woche und macht um 17.45 Uhr Schluss.

Primär kümmert sich Yassin darum, Heizungsanlagen auszuwechseln und Wärmepumpen einzubauen. „In der Woche kriegt man mehr geschafft, weil man länger da ist.“ Das habe sich auch erst kürzlich wieder bei einem großen Projekt eines Mehrfamilienhauses in der Ruhrstadt gezeigt. Yassin ist erst wieder seit Kurzem im Unternehmen und müsse Vor- und Nachteile austesten. Umgewöhnen müsse er sich noch, dass an den Abenden unter der Woche weniger Zeit da ist.

Anlagenmechaniker Yassin arbeitet an einer Wärmepumpe.
„Man lernt immer etwas Neues dazu und muss sich weiterentwickeln“, sagt Yassin über seinen Job. Er ist froh, in Schwerte die Chance zu bekommen, sich mit den neuesten Heizungsanlagen und Wärmepumpen auseinanderzusetzen. © Irina Höfken

Nicht alle sind von der Vier-Tage-Woche begeistert

„Da steht man jetzt aber auch weniger im Stau, nutzt die Zeit noch effektiv und ist trotzdem fast zur gleichen Zeit zu Hause“, sagt ein anderer Kollege. Einen Beitrag für die Umwelt zu leisten und weniger hin- und her zu fahren, sei ein weiteres Plus. Wiederum müssten sich alle daran gewöhnen, in den Herbst- und Wintermonaten im Dunkeln nach Hause zu kommen – „aber gibt Schlimmeres“, ist man sich einig.

Aber sind wirklich alle im Betrieb von dem Vier-Tage-Konzept überzeugt? „Nein. Ein Kollege hatte seine Zweifel und hat sie immer noch. Das ist aber auch ein Vorteil für uns“, erklärt Kai Hesse. Im Vorhinein hatte der Chef Sorge gehabt, Kundinnen und Kunden würde negativ auffallen, wenn freitags keine Monteure zur Verfügung stehen, und sie sogar eine Notfall- oder Feiertagspauschale hätten zahlen müssen.

„Es ist aber noch gar nicht aufgefallen. Denn ein Monteur ist da jetzt noch im Dienst.“ Der Kollege ist mit der Fünf-Tage-Regelung happy und damit auch alle anderen. Er übernimmt freitags die wichtigen Termine und alles andere habe bisher immer auf die anderen Tage verteilt werden können.

Kai Hesse macht es sich zum Ziel, das Handwerk attraktiver zu machen: Er führt in seinem Betrieb in Schwerte die Vier-Tage-Woche ein.
Kai Hesse macht es sich zum Ziel, das Handwerk attraktiver zu machen: Er führte in seinem Betrieb in Schwerte die Vier-Tage-Woche ein. © Irina Höfken

„Es gibt genug Fallstricke“

„Es gibt genug Fallstricke, aber wir haben bisher immer geschafft, darüber zu sprechen und flexibel zu bleiben“, erklärt Kai Hesse. Auch nach einem halben Jahr „tüfteln wir noch an den Feinheiten“. Ein Vorteil, der die Transformation leichter mache, sei, dass sie schon vorher digital gut aufgestellt gewesen seien.

Alle Monteure haben Tablets und können online angeben, wenn ein Auftrag erledigt ist, ohne dass noch jemand im Büro sein müsste. Denn die „Bürotruppe“ hat weiter eine Fünf-Tage-Woche. Auch im Ausbildungsplan sind vier Tage regulär nicht vorgesehen, „aber auch das kriegen wir hin“.

Ein Chaos sei ausgeblieben und die Angst vor negativen Kundenreaktionen im Nachhinein unbegründet: „Im Gegenteil, die freuen die sich sogar, wenn die Monteure in der Woche länger da sind und sie keinen Urlaub beantragen müssen.“

Ein Blick in den Keller des Schwerter Mehrfamilienhauses: Die Heizungsanlage wird gerade erneuert und die Leitungen gelegt.
Die Wärmepumpe des Schwerter Mehrfamilienhauses steht im Garten, die Leitungen kommen bei der Anlage im Keller an. Die Pläne dafür grenzen an das Londoner U-Bahn-Netz. © Irina Höfken

Vier-Tage-Woche: Großes Experiment in Deutschland

In Deutschland startet 2024 das bisher größte Experiment zur Vier-Tage-Woche: Die Bewerbungsphase hat am 1. September gestartet, von Februar bis August 2024 sollen nach erfolgreichen Modellversuchen in den USA, Australien, Island und zuletzt Großbritannien mehr als 50 Unternehmen aus ganz Deutschland und aus unterschiedlichen Branchen das Arbeitszeitmodell testen.

Sie werden ihre Arbeitszeit von fünf auf vier Tage reduzieren, während das Gehalt unverändert bleibt. Wissenschaftlich unterstützt und ausgewertet wird die deutsche Pilotstudie von der Universität Münster. Die Unternehmensberatung Intraprenör hilft den Firmen bei der Auswahl passender Arbeitszeitmodelle. Ein einheitliches Modell für alle Unternehmen und Beschäftigten ist nicht vorgesehen. Intraprenör: „Das Ziel ist eine Reduktion der Arbeitsstunden bei gleichbleibendem Gehalt.“

Vier-Tage-Woche ohne Ausgleichsstunden denkbar?

Ist dieser nächste Schritt auch im Schwerter Unternehmen denkbar, eine Vier-Tage-Woche ohne Ausgleichsstunden einzuführen? „Denkbar schon, aber es muss sich auch wirtschaftlich rechnen“, sagt Hesse. Solange der Facharbeitermangel bestehen bleibe, müsse man flexibel bleiben, was die Stellschrauben anbelangt – dort anzusetzen, bliebe also noch eine Option. Dieser Schritt sei aber vorerst nicht angedacht.

Zahlen darüber, wie viele Unternehmen im Kreis Unna bereits die Vier-Tage-Woche umsetzen, hat die Handwerkskammer Dortmund nicht, da die Unternehmen nicht dazu verpflichtet sind, das mitzuteilen.