„Und am Ende ist es wie immer“ So erlebte Hilmar Schmitt das BVB-Titeldrama auf der Südtribüne

„Und am Ende ist es wie immer“: So erlebte Hilmar Schmitt das BVB-Titeldrama auf der Südtribüne
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Da steppt bereits drei Stunden vor Spielbeginn im direkten Stadion-Umfeld „der Bär“: Feierlaune ist angesagt. „Na klar, die Schale kommt in den Pott“, so eine Meisterschafts-überzeugte Borussin, die am Freibad vor dem Stadion im Bereich der Südtribüne mit einigen Freundinnen, Freunden und vielleicht nicht nur alkoholfreien Getränken auf die Öffnung der Eingänge zum Signal-Iduna Park wartet.

Und ich darf als langjähriger Südtribünen-Dauerkarten-Besitzer mit Tochter Frauke im Epizentrum des Dortmunder Fußballs mit dabei sein – da liegen Freude, Euphorie, Verdruss und Enttäuschung oftmals ganz nah beieinander.

Eintrittskarte als Trophäe

Schon beim erwartungsvollen Gang vom Parkplatz zum Stadion werden wir gefordert: Voller Meisterschaftsüberzeugung und Borussia-Treue widerstehen wir den verlockenden Anfragen von Karten-Suchenden, die teils horrende Summen bieten. Beim Spiel der Entscheidung dabei zu sein, ist für uns ein absolutes „Muss“.

Über zwei Stunden vor dem Spiel: Warten auf den Stadion-Einlass.
Über zwei Stunden vor dem Spiel: Warten auf den Stadion-Einlass. © Hilmar Schmitt

„Schon der Besitz der Eintrittskarte ist wie eine Trophäe – die würde ich niemals hergeben“, so ein auf den Verkauf seiner Karte angesprochener Fan. Eigentlich stimmt alles: Tolles Wetter, mit über 81.000 Besuchern ausverkauftes Haus, erster Tabellenplatz mit Zwei-Punkte-Vorsprung – beste Voraussetzungen für den Gewinn der Meisterschaft.

„Na klar gewinnen wir die Meisterschale“, sagt Rolf, aus Frankfurt angereist, in überzeugender Form und vertritt damit die absolut mehrheitliche, ja einstimmige Meinung der Südtribünen-Besucher.

Immer ein beeindruckendes Bild – am Samstag ganz besonders.
Immer ein beeindruckendes Bild – am Samstag ganz besonders. © Hilmar Schmitt
Ausverkauftes Haus!
Ausverkauftes Haus! © Hilmar Schmitt

Allerdings müssen einige „Schwarz-Gelbe“ schon vor Spielbeginn das Stadion verlassen: Hat sich doch ein großer Bienenschwarm auf einem Fernseh-Scheinwerfer versammelt, der mit Unterstützung der Sicherheitskräfte mit viel Vorsicht und der kompletten Bienenansammlung aus dem Stadion gerollt wird.

Nach dem bereits traditionell und stadionweit gesungenen „You’ll never walk alone“ erstrahlen mit Spielbeginn etliche bengalische Feuer im unteren Bereich der Südtribüne. Die Pyrotechnik begleitet mit „beißendem“ Geruch und einigen, fast undurchsichtigen Schwaden anfangs auch das Fußballspiel: Einigen Besuchern in der „Süd“ bereitet das zwar schöne optische Bild gesundheitliche Probleme – muss wirklich nicht sein.

Die Bengalos vernebeln die Sicht.
Die Bengalos vernebeln die Sicht. © Hilmar Schmitt

Hat Söder doch Recht?

Schlag auf Schlag geht es bereits nach einer Viertelstunde los: In der fünfzehnten Minute erzielt die gegnerische Mannschaft des FSV Mainz 05 das 0:1, vier Minuten später verschießt der BVB einen zugesprochenen Elfmeter und fünf Minuten danach fällt das 0:2 für die Mainzer Fußballer – sekundenlange „Totenstille“ im Stadion, nur die Mainzer Fans sind begeistert vom unerwarteten Zwischenstand.

„Unsere Spieler betteln um die Niederlage“, so die ungläubige Meinung von BVB-Anhänger Willi aus Lütgendortmund, und ein weiterer Kommentar zum Halbzeitstand aus dem Fan-Block: „Das wäre der BVB-Super-GAU, der größte anzunehmende Unfall: Wir verspielen die Meisterschaft und die Blauen bleiben in der ersten Liga.“ Und einige erinnern an den Söder-Spruch, dass die Dortmunder zu doof für den Meistertitel seien.

Zufriedene Gesichter sehen anders aus: Unser Reporter Hilmar Schmitt mit Tochter Frauke (l.).
Zufriedene Gesichter sehen anders aus: Unser Reporter Hilmar Schmitt mit Tochter Frauke (l.). © Schmitt

Mit viel Euphorie auf der „Süd“ geht es in die zweite Halbzeit. Als der Anschlusstreffer für den BVB zum 1:2 in der 69. Minute fällt, wächst die Hoffnung und die Südtribüne bebt – das schrille, anhaltende Pfeifen ist auch für meine Ohren nicht gut, soll aber motivationsfördernd sein. Als dann dem 1. FC Köln im zeitgleich laufenden Spiel gegen die Bayern aus München der Ausgleich zum 1:1 gelingt, nimmt das Fernduell zwischen dem BVB und den Bayern rasante Fahrt auf.

Zehn Minuten lang ist Borussia Dortmund der Fußballmeister, bis den Bayern das 1:2 in der 90. Minute gegen den Kölner Effzeh gelingt – da nutzt auch der Dortmunder 2:2-Ausgleichstreffer nichts mehr: Gleicher Punktestand – schlechtere Tordifferenz – ein einziges Tor fehlt dem BVB zur Meisterschaft. „Und am Ende ist es wie immer“, so ein frustrierter Stehplatznachbar: „Bayern wird Meister.“

Süd baut die Spieler auf

Absolute Sprachlosigkeit und Ungläubigkeit herrscht nach dem Abpfiff auf dem BVB-Rasen und in den Dortmunder Stadionrängen. Als erstes befreit sich die Südtribüne aus der „Schockstarre“ und versucht, mit „aufstehen, aufstehen“ die Spieler zu motivieren, bekundet trotz oder gerade wegen der verpassten Meisterschafts-Chance: „Borussia Dortmund wird nicht untergehen.“

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