Vergessene Stufen führen an der unteren Wannebachstraße zwischen Sträuchern die Böschung hinauf. Der Zugang zu der Treppe ist gesperrt. Sie gibt vielen, die vorbeifahren, ein Rätsel auf.
Massive Absperrbügel aus dicken Eisenrohren versperren den Zugang. Unten genauso wie am oberen Ende. Eine vergessene Treppe führt kurz hinter dem Westhofener Kreisel zwischen Bäumen und Gesträuch die Böschung der Wannebachstraße hinauf. Aber wie es scheint, hat die Natur die 25 Stufen aus einer Art grobporigem, dunklen Waschbeton bislang unbehelligt gelassen. Nur an den Podesten, die früheren Benutzern wohl zwischendurch eine Verschnaufpause zum Atemholen ermöglichen sollten, hat der Zahn der Zeit ein wenig genagt. An manchen Stellen sind Teile ihres Naturpflasters verschwunden. Die Lücken sind einfach mit Erdreich gefüllt. Und auch vom Geländer schauen nur noch abgesägte Eisenstummel aus dem Boden.
Was soll dieser recht aufwendige angelegte Aufstieg an dieser gottverlassenen Stelle? Seit fast drei Jahrzehnten ist er nutzlos. Denn das Ziel, zu dem er einmal führen sollte, gibt es seitdem nicht mehr: Das Westhofener Hallenbad, das am 25. August 1993 wegen eines neuen „Bäderkonzepts“ von der Stadt Schwerte dicht gemacht wurde. An die beliebte Freizeit- und Sporteinrichtung erinnert - außer der Treppe - nicht viel mehr als Straßenname „Am Gartenbad“ in dem Gewerbegebiet, das nach dem Abriss von Becken und Gebäude auf dem Brachgelände am Ortstrand angelegt wurde.
Schwimmfans schätzten das angenehm warme Wasser
Ein Blick zurück: Westhofen war noch eine stolze selbstständige Stadt mit florierender Stahlindustrie, als es seinen Bürgern 1968 das „größte Weihnachtsgeschenk, das ihnen jemals von der Kommunalpolitik beschert wurde“, bereitete. So jubelte jedenfalls der damalige Bürgermeister Korte, der das Bad am 20. Dezember eröffnete. Rund 2,3 Millionen Mark hatte man sich das Schmuckkästchen kosten lassen, das für einen angenehmen Aufenthalt auch ein Freigelände mit Liegewiese sowie Basketball- und Tischtennisplatten bot. Viele Schwimmer schätzten aber vor allem, dass das Wasser wesentlich wärmer war als im Schwerter Hallenbad. Der erste Schwimmeister Karl-Heinz Kubert ließ das Becken auf angenehme 23 bis 24 Grad aufheizen. Und zum Kinderschwimmen stellte er auch mal 28 bis 30 Grad ein, um dem Nachwuchs die Scheu vor dem nassen Element zu nehmen.

Mit dem Schwimmspaß im Hallenbad Westhofen war es am 25. August 1993 vorbei. Es war das erste Opfer für das damalige Schwerter Bäderkonzept. © Michael Teller (A)
Die Eintrittspreise klingen aus heutiger Sicht märchenhaft: 1 Mark - also ungefähr 50 Cent - zahlten Erwachsene pro Stunde (einschließlich der Zeit für das Umkleiden), Jugendliche sogar nur die Hälfte. Neben Zehner- und Halbjahreskarten wurde auch eine Jahreskarte zu 80 (40) Mark ausgegeben. „Auch hier ist Westhofen Schrittmacher“, verkündete Bürgermeister Korte. Denn solche Jahreskarten seien in anderen Hallenbädern noch nicht üblich. Dieses Angebot sollte die Westhofener zu einem regelmäßigen Besuch anregen, weil das die Gesundheit fördere.
Damit man das Hallenbad bequem erreichen konnte, wurde mit den Verantwortlichen für die Bahnbus-Linie Schwerte-Westhofen-Hagen erfolgreich über eine neue Haltestelle an der Wannebachstraße verhandelt - ganz in der Nähe der heute so geheimnisvollen Treppe. Die Möglichkeiten zum Schwimmvergnügen wurde ausgiebig genutzt. Zwischen 25.000 und 30.000 Besucher strömten jährlich in das Bad, das kurz vor der Eingemeindung nach Schwerte noch mit dem leuchtenden Schriftzug „Hallenbad der Stadt Westhofen“ gekrönt werden sollte. Gerüchte wollten wissen, dass damit das letzte Geld aus der Westhofener Stadtkasse verbraucht werden sollte, damit es nicht der damals ungeliebten Nachbarstadt zufiele...
Für den Bau des Schwerter Freizeit-Allwetterbads geopfert
Schwerte taufte die Anlage nach der Übernahme später in Gartenbad um. Doch mit den Plänen zum Bau des (schon nach kurzer Zeit wieder pleite gegangenen) Freizeit-Allwetterbads am Schützenhof besiegelte der Stadtrat Anfang der 90er-Jahre das Ende. Das Gartenbad wurde zum ersten Opfer des sogenannten Bäderkonzepts. Wenig später machte die Stadt Schwerte auch das Elsebad in Ergste dicht. Während dieses Freibad durch ein Bürgerbegehren unter Regie eines Fördervereins gerettet werden konnte, verfiel die Immobilie in Westhofen immer mehr. Pläne, dort eine Disko einzurichten, blieben ein Traum. Genauso zerschlug sich das vom damaligen städtischen Bädermanager kolportierte Interesse eines Arztes, das Becken für Bewegungstherapien nutzen zu wollen.
Schließlich wurde das Gelände nach langem Hin und Her zum Gewerbegebiet, wo die Reichshofschützen den früheren Schwimmbad-Parkplatz am hinteren Rand zur Bahnlinie Hagen-Schwerte hin als Treffpunkt nutzen. Die vergessene Treppe endet quasi direkt vor ihrem Tor. „Für uns als Schützen wäre es schön, wenn sie wieder in Betrieb wäre“, sagt Vorsitzender Ralf Jürgens: „Das wäre eine Erleichterung.“ Doch der Eigentümer, der Landesbetrieb Straßen NRW, habe vor acht Jahren die Benutzung verboten. Denn wer die gesperrten Stufen benutzt, hat keinen Versicherungsschutz. „Deshalb waren wir dieses Jahr erstaunt, dass der Landesbetrieb sie gesäubert und freigeschnitten hat“, berichtet Jürgens. Von den beteiligten Arbeitern habe man aber nur erfahren können, dass sie den Auftrag zu der Aufräum-Aktion gehabt hätten. Offiziell für das große Schützenfest nutzen konnten die Westhofener die Stufen in diesem Sommer trotzdem nicht. Sie mussten die Besucher auf den Umweg über die Einmündung der Straße Am Gartenbad schicken.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
