Psychotherapeut zu mieser Morgenlaune „Mit elf Jahren schließt das Gehirn wegen Umbau“

Psychotherapeut zu mieser Laune: „Mit 11 schließt das Gehirn wegen Umbau“
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Eltern sind zu beneiden. Fast immer. Ausgenommen ist die Zeit zwischen 6.30 und 7.30 Uhr – die Stunde zwischen dem Schellen des Weckers und dem Knallen der Haustür, wenn der Nachwuchs sich auf den Weg zum Bus macht. In diesen 60 Minuten müssen Mütter und Väter Nerven wie Drahtseile besitzen. Denn viele Kinder gehören zu den klassischen „Morgenmuffeln“ – besonders, wenn sie am Anfang der Pubertät stehen.

Der Montag ist sowieso blöd, ein langer Schultag mit Mathearbeit steht an, das Lieblings-Shirt ist nicht gewaschen, das Nutella ist alle, der Bruder hat die Socken geklaut. Und überhaupt. Warum es Morgenmuffel und gut gelaunte Frühaufsteher gibt, wie man gegen miese Laune ankommt und sich auch als Elternteil nicht von den lieben Kleinen herunterziehen lässt – darüber haben wir mit dem Kinder- und Jugendpsychotherapeuten Dr. Christian Lüdke gesprochen.

Warum gibt es echte Morgenmuffel und entspannte Frühaufsteher?

Es gibt durchaus tag- und nachtaktive Menschen. Eule oder Lärche? Das hängt davon ab, in welchen Bio- und Lebensgrundrhythmus wir hineingeboren wurden. Das kann sogar davon abhängen, zu welcher Uhrzeit man geboren wird – ob man in die Nacht oder in den Tag hineinlebt.

Manche sind morgens topfit, die springen beim ersten Weckerklingeln aus dem Bett. Andere brauchen erstmal eine halbe Stunde, um Drehzahl aufzunehmen. Das darf man nicht bewerten, das ist einfach so.

Bei Kindern ändert sich das allerdings manchmal.

Das Schlafbedürfnis ändert sich gerade in der Pubertät. Ich sage immer: Mit elf Jahren wird das Gehirn wegen Umbaus geschlossen und öffnet dann wieder mit 21 Jahren (lacht). Nein, ernsthaft: Die Schlafphasen verlagern sich während des Lebens. Jugendliche sind abends lange wach, sie feiern oder sehen fern oder zocken. Diese Pubertiere sind völlig nachtaktiv. Tagsüber sind sie dann müde und liegen häufig im Bett. Man muss nur darauf achten, dass sie zur Schule gehen, auch wenn sie völlig im „Eimer“ sind.

Wenn die Laune dann morgens im Keller ist – ignoriere ich das?

Nein, das würde ich nicht ignorieren. Man kann doch sagen: „Oh je, du bist ja wieder sehr wortkarg.“ Das kann man ruhig ansprechen, man sollte aber möglichst nicht meckern. Schlechte Laune ist kein Makel. Man könnte eher eine Ich-Botschaft senden: „Mensch, wenn du so schlecht gelaunt bist, dann ist es für mich schwer rauszufinden, was du denn vielleicht heute Abend essen möchtest. Oder wollen wir später noch was gemeinsam unternehmen?“

Es hilft also, eigene Wünsche zu formulieren. Zu sagen: Gib mir doch trotz deiner schlechten Laune mal ein kurzes Signal, ob wir da eine Vereinbarung haben. Auf keinen Fall sollte man sich selbst herunterziehen lassen. Oder sich auf die gleiche Ebene begeben: Okay, wenn du schlechte Laune hast, habe ich die jetzt eben auch.

Ein Junge ist müde.
Jeden Morgen miese Laune? Das frühe Aufstehen kann manchmal Eltern und Kinder nerven. © picture-alliance / gms

Das ist manchmal aber gar nicht so einfach...

Trotzdem sollten Eltern immer auf die Selbstfürsorge achten und sagen: Okay, ich nehme mir das jetzt nicht zu Herzen.

Wie kann ich meinem Kind denn zu besserer Laune verhelfen?

Die Antwort könnte sein, zu sagen: „Das Leben ist kein Ponyschlecken!“ (lacht) Besser ist aber natürlich die positive Motivation: „Komm, du bist der Beste oder die Beste. Du schaffst das! Den Schultag kriegst du schon irgendwie rum!“

Wir können unseren Körper biochemisch austricksen. Man muss dem Gehirn sagen, was es tun soll und nicht, was es nicht tun soll. Wenn wir also immer sagen: Alles ist blöd, dann ist es auch blöd. Und dann zieht man sich auch körperlich runter.

Wenn ich mich morgens aber groß mache, mich strecke, lächle – auch wenn ich mich gar nicht so fühle – kriege ich unweigerlich gute Laune. Ich kann mir selbst positive Signale vermitteln, um mich gut zu fühlen. Ich kann mich auch vor den Spiegel stellen und mir sagen: Hey super, komm, du schaffst das heute.

Es ist auch immer wichtig, dass man etwas hat, worauf wir uns in der nahen Zukunft freuen können. Das ist ganz wichtig: Eine in Aussicht gestellte Belohnung sorgt für eine Dopamin-Ausschüttung. Man kann seinem Kind also sagen: „Heute koche ich dein Lieblingsessen, oder du guckst mal eine Extra-Folge Netflix.“ Auch wir können uns Dinge bewusst machen, auf die wir uns freuen. Zum Sport gehen, schön essen, auf dem Sofa liegen. Das macht es einfacher, in den Tag zu starten.

Wütender Smiley
Manche brauchen morgens länger, um in Schwung zu kommen. Aber auch Morgenmuffeln kann man mit einigen Tricks helfen. © picture alliance / dpa-tmn

Kann ich schlechter Laune auch vorbeugen?

Das erreiche ich durch eine gute Abendroutine, auch wenn es mitunter nervig ist. Aber gerade morgens ist es nicht gut, wenn man alles suchen muss: Wo ist mein Heft, wo sind die Schminksachen, wo ist die Wasserflasche? Das können Kleinigkeiten sein, und dazu kommt dann der Zeitdruck. Das macht dann richtig miese Laune.

Das kann ich dadurch entkräften, dass ich abends in Ruhe alles vorbereite. Die Tonne packen, die Klamotten raussuchen. Das hat überhaupt nichts mit Zwanghaftigkeit zu tun, das ist einfach Planung. Das macht mir den Morgen einfacher, weil ich mir dann darüber keine Gedanken mehr machen muss. Ich schlafe dann auch besser, weil ich weiß, morgen früh habe ich keinen Stress. Vorbeugen ist hier auf jeden Fall besser als heilen.

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