
Die Aral-Tankstelle an der Hansastraße wurde im März 2021 überfallen. Hinter dem Geschehen steckt offenbar mehr als ein klassischer Raub. © Marcel Drawe
Tankstellenüberfall in Unna – und der Kassierer war eingeweiht
Ermittlungen
Eine Tankstelle wird überfallen. Die erste Reaktion von Menschen, die das erfahren: Der Kassierer muss Ängste ausgestanden haben. In einem Fall in Unna war das offenbar ganz anders.
Es ist der 18. März 2021. Kurz vor Feierabend in der Aral-Tankstelle an der Hansastraße in Unna wischt ein Angestellter den Laden. Plötzlich stürmen zwei maskierte Männer in den Verkaufsraum. Einer packt den Mitarbeiter sofort am Nacken, schiebt ihn zur Kasse und fordert, diese zu öffnen. 587,47 Euro in bar kann der Räuber erbeuten.
Der Mittäter macht sich derweil am Zigarettenregal zu schaffen. Er entwendet etwa 200 Schachteln im Gesamtwert von 6814,91 Euro. So schnell wie sie gekommen sind, verschwinden die beiden Männer auch wieder mit dem Auto Richtung Unna-Massen.
Mann aus Schwerte beteuert seine Unschuld
Jetzt saß ein Verdächtiger auf der Anklagebank des Amtsgerichts Unna. Er soll die Zigaretten eingesteckt haben. „Ich kann dazu nichts sagen. Ich war nicht dabei. Ich weiß davon nichts“, bestritt der 30-Jährige die Tat. Ein flüchtiger Bekannter, wie der Angeklagter erklärte, habe ihn belastet und als Mittäter angegeben. Das allerdings zu Unrecht, wie der Schwerter beteuert.
Besagter Bekannter sitzt derzeit eine Haftstrafe in eben dieser Sache ab. Nun sagte er als Zeuge gegen den 30-Jährigen aus. Zunächst wollte er nicht so recht mit der Sprache rausrücken. Doch dann erklärte er: „Ich wurde in Dortmund von einem Mann angesprochen, ob ich schnelles Geld machen wollte. Ich brauchte Geld für Drogen, also hab ich mitgemacht.“
Der Angeklagte und er seien gemeinsam in die Tankstelle gegangen und hätten sie überfallen. Er selbst habe den Mitarbeiter am Nacken gepackt und zur Kasse geschoben. 200 Euro habe er von der Beute abbekommen. Der Angeklagte habe Zigaretten mitgenommen. Erst im Nachhinein habe er erfahren, dass der damalige Angestellte in den Überfall eingeweiht war.
Mitarbeiter gibt zu, in Überfall eingeweiht gewesen zu sein
Das bestätigte der Mitarbeiter im Gericht. Er habe sich bei einem Mann Geld geliehen, um Schulden bei seiner Oma zu begleichen. Derselbe Mann sei später auf ihn zugekommen und habe ihm erklärt, er wolle die Tankstelle überfallen. „Ich sollte einfach stehen bleiben und nichts tun“, gab der 21-Jährige an. Für den Fall, dass er sich falsch verhalten würde, habe der Mann damit gedroht, ihm und seiner Familie etwas anzutun. Also sei er ruhig geblieben, um nichts zu riskieren.
„Der Auftraggeber hat mir am Ende (ein paar Tage später) 100 Euro gegeben. Als Bonus, dass ich die Klappe gehalten habe.“ Ob der Angeklagte einer der Täter war, konnte der Angestellte nicht sagen. Sie seien maskiert und vermummt gewesen.
Dem Vertreter der Staatsanwaltschaft reichte die Beweisaufnahme nicht für eine Verurteilung.
Er beantragte eine Vertagung der Sitzung, um weitere Nachforschungen, zum Beispiel bezüglich des angegebenen Auftraggebers, durchführen zu können. Mit Erfolg.
Ist im Land Brandenburg geboren, fühlt sich seit 2008 in Nordrhein-Westfalen wohl. Nach ihrem Volontariat und einer zweijährigen Redaktionatätigkeit hat sie ihre Liebe für die Gerichtsberichterstattung entdeckt. Seither ist sie in vielen Sitzungssälen anzutreffen.
