Es waren bewegende Bilder, als die Kinder aus der Ukraine nach dem Aussteigen aus dem Bus ihre neuen Kuscheltiere an sich drückten.

© Reinhard Schmitz

Traumatisierte Kinder: Riesige Hilfsbereitschaft für geflüchtete Ukrainer

rnUkraine-Krieg

Die Situation an der ukrainischen Grenze war chaotisch. Eine andere Geflüchteten-Gruppe als eigentlich vorgesehen kam mit dem Bus in Schwerte an. Vor allem die Kinder waren traumatisiert.

Schwerte

, 06.03.2022, 16:04 Uhr / Lesedauer: 2 min

Zart streicheln kleine Hände den Teddy, drücken ihn dann so fest an die Brust, als wollten sie ihn nie mehr loslassen. Es waren die bewegendsten Momente, als die Kinder nach der dramatischen Flucht aus der Ukraine in den Pappkarton mit Kuscheltieren greifen durften, die Helfer eilends besorgt hatten. Alles war vorbereitet, als der Doppelstockbus mit insgesamt 47 Geflüchteten am frühen Sonntagmittag (6.3.) am Marienkrankenhaus ankam.

Ursprünglich sollte eine andere Personengruppe kommen

Vor allem waren es Frauen und Kinder aus der Hauptstadt Kiew, die Florian Quecke mit einem Hilfskonvoi an der polnischen Grenze aufgenommen hatte. Ursprünglich sollte er eine andere Personengruppe nach Schwerte bringen. Doch die sei - so berichtete der Juniorchef des Busunternehmens - nicht über die ukrainisch-polnische Grenze bei Przemysl gekommen, wo man die mitgebrachten Hilfsgüter ausgeladen hatte. Offenbar wegen der Corona-Kontrollen ging es dort nur sehr schleppend voran. Die polnische Feuerwehr brachte die Menschen, die mit Zügen ankamen, von der Grenze in die Stadt zu einer Aufnahmestelle, wo Busse aus halb Europa zum Abholen bereitstanden. Sogar aus Portugal und Italien waren Kollegen gekommen, um zu helfen.

Vor dem Marienkrankenhaus stiegen die Menschen aus der Ukraine aus dem Bus. Die Kinder unter ihnen durften sich aus einem Pappkarton ein Stofftier aussuchen.

Vor dem Marienkrankenhaus stiegen die Menschen aus der Ukraine aus dem Bus. Die Kinder unter ihnen durften sich aus einem Pappkarton ein Stofftier aussuchen. © Reinhard Schmitz

Da er seine avisierte Gruppe nicht fand, überlegte Florian Quecke kurz, selbst ein Stück auf die ukrainische Seite zu fahren. Doch dann konnte er eine Aufnahmehalle in der polnischen Stadt Korczowa, drei Kilometer vor der Grenze, ansteuern, wo die Menschen aus Kiew einstiegen. Vorher wurden alle mit mitgenommenen Coronatests getestet. Auch Mundschutz war ausreichend zum Verteilen an Bord, bevor es auf die 1698 Kilometer lange Rückreise nach Schwerte ging. Manche der Geflüchteten waren glücklich, manche richtig deprimiert, erzählten die Fahrer: „Und alle waren sehr zurückhaltend gegenüber fremden Leuten.“

Florian Quecke denkt nach über eine weitere Hilfsfahrt an die Grenze

Auf der anderen Seite war die Hilfsbereitschaft groß. Bei der ausgedehnten Frühstückspause spendierte die Autobahn-Raststätte Am Biggenkopf sogar freie Getränke und Suppe für die Kinder. Die belegten Baguette-Brötchen wurden quasi zum Selbstkostenpreis von einem Euro abgegeben.

Sichtlich bewegt kam Florian Quecke, Juniorchef des Reiseunternehmens, von der Hilfsreise an die ukrainische Grenze zurück. „Wir haben hier nur Luxusprobleme", sagte er angesichts des Leids der Menschen aus dem Kriegsgebiet.

Sichtlich bewegt kam Florian Quecke, Juniorchef des Reiseunternehmens, von der Hilfsreise an die ukrainische Grenze zurück. „Wir haben hier nur Luxusprobleme", sagte er angesichts des Leids der Menschen aus dem Kriegsgebiet. © Reinhard Schmitz

Für die Ankunft in Schwerte waren nicht nur vom Marienkrankenhaus Ärzteteams für einen ersten Check und Corona-Impfangebote auf die Beine gestellt. Es waren auch gleich sieben Dolmetscher vor Ort. Und die Stadt mit Bürgermeister Dimitrios Axourgos und Sozialdezernent Tim Frommeyer hatte ihren Sozialen Dienst mobilisiert, der sich um die weitere Betreuung und die Unterbringung der Menschen kümmerte. Entgegen ursprünglicher Planung, die eine Verteilung auch nach Lünen vorsah, konnten doch alle in Schwerte bleiben. „Weil wir eine gute Erstaufnahme organisiert haben im Marienkrankenhaus, können wir uns um den gesamten Bus kümmern“, sagte Tim Frommeyer. Es seien neben städtischen Unterkünften auch sehr viele Wohnungen angeboten worden. Der Beigeordnete rechnete aber damit, dass in den nächsten Wochen bestimmt noch weitere Geflüchtete ankommen, bei deren Unterbringung dann mit Lünen zusammenarbeiten könne.

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Florian Quecke überlegte, eventuell noch einmal mit zwei Bussen zur ukrainischen Grenze zu fahren: „Das entscheidet sich in der nächsten Woche.“ Seine Passagiere vom Sonntag wurden nach der Erstversorgung im Marienkrankenhaus zu einem stillen Platz gebracht, wo das Rote Kreuz ein Mittagessen vorbereitet hatte. Aus Kindergärten hatte die Stadt dort Buggys und jede Menge Spielzeug für die jüngsten Geflüchteten besorgt, um die sich der Soziale Dienst nach den traumatisierenden Erlebnissen besonders kümmerte. „Wir werden alles mit unseren Netzwerken tun, um den Menschen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie benötigen“, sagte Bürgermeister Dimitrios Axourgos und sprach ein großes Dankeschön an alle aus, die diese Hilfe ermöglichen.

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" Dr. Dirk Luther gehört zu dem Ärzteteam, das sich um die Geflüchteten kümmern wird.

Das Schwerter Marienkrankenhaus bereitet sich derzeit auf die Ankunft ukrainischer Geflüchteter vor. In der Ambulanz werden Räumlichkeiten frei gemacht, um erste Untersuchungen durchzuführen. Von Felix Mühlbauer