SPD-Getreue schmeißen Ämter hin Projekt „Seniorentreff“ wird ohne die Partei umgesetzt

SPD-Getreue schmeißen Ämter hin: Seniorentreff ohne Partei umgesetzt
Lesezeit

Sie waren die Treuesten der Treuen. Standen jahrzehntelang an SPD-Ständen, wenn Wahlkampf gemacht werden musste. Und organisierten für ihre AG 60plus spektakuläre Programme, im Mai noch mit dem ehemaligen Vizekanzler Franz Müntefering. Doch jetzt der Paukenschlag: Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft trat im Sommer komplett zurück - und nahm eine ganze Reihe der aktiven Mitglieder mit.

Die letzten Vorbereitungen für die Eröffnung des regelmäßigen Seniorentreffs im L0´Canta am Markt besprechen (v.l.) die „Uhus“ Annemi Feike, Rolf von Lünen und Petra Rosa mit der Gastronomin Ayse Yilmaz.
Die letzten Vorbereitungen für die Eröffnung des regelmäßigen Seniorentreffs im Lo´Canta am Markt besprechen (v.l.) die „Uhus“ Annemi Feike, Rolf von Lünen und Petra Rosa mit der Gastronomin Ayse Yilmaz. © Reinhard Schmitz

„Für dumm verkauft“

„Wir haben uns geärgert, dass wir für dumm verkauft werden sollten“, sagt Rolf von Lünen (70). Der gestandene Kommunalpolitiker und seine Mitstreiter vermissten den nötigen Rückhalt bei ihrem Wunsch, eine dringend benötigte Seniorenbegegnungsstätte zu schaffen, um alte Menschen aus der Einsamkeit zu holen. Einem entsprechenden Antrag der AG 60plus habe die SPD-Fraktion zwar zugestimmt, ihn aber im zuständigen Ratsausschuss später wieder zurückgezogen: „Ohne Rücksprache mit der AG60plus.“

Viele in der SPD hätten das Vorhaben super gefunden, andere seien aber auch dagegen gewesen. Das Ansinnen, es erstmal auf 2026 zu verschieben, wertet Rolf von Lünen als Todesstoß: „Ich kenne die Spielregeln und weiß: Das ist auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben.“ Der finanzielle Spielraum für freiwillige Ausgaben der Stadt werde bis dahin nicht größer. Vermutet wird, dass insgesamt in der Politik befürchtetet werde, dass eine Seniorenbegegnungsstätte dem kürzlich eröffneten städtischen Familienbüro Konkurrenz machen könnte. Auch Sorge um „Kontrollverlust“ wird offen angesprochen.

Die „Uhus“ machen es selbst

„Mit der Schwerter Politik war es nicht zu verwirklichen“, erklärt Rolf von Lünen. Doch „gegen Bestrebungen, die sowas nicht haben wollen“ stellen er und seine früheren AG 60plus-Mitstreiter das Projekt dann eben selbst auf die Beine. Sie nennen sich „Die Uhus“, in Anspielung auf die Altersgruppe unter 100 Jahre. „Die Idee ist: Gemeinsam statt einsam“, sagt Petra Rosa (67). Man wolle - frei nach der Inspiration durch Franz Müntefering - die Leute bewegen, rauszugehen und die soziale Isolation zu durchbrechen. Vorbild ist das stark frequentierte Alleecafé in Letmathe, wo sogar Enkel und Hunde mitgebracht werden. Dort ist auch bei einem Besuch die Idee entstanden.

Lo´Canta stellt Räumlichkeiten

Bei Ayse Yilmaz, der Inhaberin der Tapas-Bar Lo´Canta am Markt, rannten die „Uhus“ offene Türen ein. In der Mediengesellschaft vermisse sie den Austausch, dass man von Älteren auch lernen könne. Die Gastronomin stellt dem Seniorentreff nicht nur Räumlichkeiten zur Verfügung, sondern hat auch eine besondere Frühstückskarte mit günstigen Preisen für die Besucher kreiert. Sie finden sogar Lieblingsgerichte aus der Kindheit wie „Arme Ritter“, durchs Ei geschwenkte, geröstete Brotscheiben. In herzhaften oder süßen Varianten haben sie übrigens längst auch schon die jüngeren Gäste überzeugt. Natürlich gibt es aber unter anderem auch Brötchen, Strammer Max, Kaffee und Softgetränke.

Besuch auch ohne Verzehr

Auch wenn es bei diesem kulinarischen Angebot schwer fällt, der Versuchung zu widerstehen: „Es muss nichts verzehrt werden“, betont Petra Rosa. Der Seniorentreff im Lo´Canta solle ein „sehr niedrigschwelliges Angebot und zentral erreichbar“ sein. Es werde auch immer ein Ansprechpartner vor Ort sein, wenn er dienstags, donnerstags und sonntags von 10 bis 14 Uhr in einem Bereich des Lo´Canta zum Besuch einlädt. Auf einem Tisch soll dann auch Infomaterial über die Angebote für Senioren in der Stadt ausliegen. Noch viel mehr Tipps - so die Idee - sollen sich die Gäste über im Austausch gegenseitig geben können. Die Zielgruppe sind Schwerter ab 60 Jahre.

Eröffnung am 15. Oktober

Eröffnet wird der Seniorentreff am 15. Oktober (Dienstag) ab 10 Uhr mit einem Liederfrühstück, zu dem „Uhu“ Herbert Isenberg sein Akkordeon mitbringt. Neben den regelmäßigen Treffen sollen danach einmal im Monat größere Aktivitäten wie Skatturnier (8.11., 15 Uhr), Stadtführung oder ein Besuch im Landtag angeboten werden. Auch den SPD-Parteivorsitzenden Lars Klingbeil möchten die Organisatoren, deren Herz auch ohne ihre AG 60plus weiterhin für die Sozialdemokratie schlägt, gern einmal ins Lo´Canta einladen. „Es bleibt aber nicht bei SPD-Politikern“, betont Rolf von Lünen. Denn für die „Uhus“ gilt: kein Verein, parteiunabhängig, ehrenamtlich und beitragsfrei.