
© Martina Niehaus
Sozialpädagoge Jonas Schunck (39): „Spontane Kontakte haben gefehlt“
„Mensch, wie glücklich bist du?“
Die Arbeit eines Schul-Sozialpädagogen ist während einer Pandemie eine große Herausforderung. Jonas Schunck (39) hat sich ihr gestellt. Er sagt: „Die Kinder brauchen jetzt vor allem Zeit.“
Was haben zwei Jahre Corona mit uns gemacht? Wie geht es uns damit? Empfinden wir noch Glück? Wie hat sich unser Leben verändert? An unserer Umfrage „Mensch, wie glücklich bist du?“ haben auch Schwerter Leserinnen und Leser teilgenommen. Und wir haben Menschen getroffen, die uns erzählen, wie sie die letzten zwei Jahre erlebt haben.
Ein großes Plakat mit einem Blumenmuster in Lila und Orange hängt an der Wand. „Miteinander“ steht darauf. Ein Wort, das wichtig ist in Jonas Schuncks (39) Büro in der Gesamtschule Gänsewinkel. Der Sozialpädagoge ist sehr froh, nach Monaten des Pandemie-Lockdowns wieder dort sein zu können.
Bei seinen Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber bei den Kindern und Jugendlichen. Auch wenn er als Ansprechpartner immer erreichbar war, ist es doch etwas anderes, vor Ort zu sein.

Das Miteinander zählt hier. Und das geht am besten in der Schule selbst. © Martina Niehaus
„In der Schule sollte sich jeder wohlfühlen“
„Schule sehe ich als einen Ort, an dem sich jeder wohlfühlen sollte“, sagt Jonas Schunck. Die Gesamtschule in der Grünstraße in Schwerte ist dabei nicht der einzige Ort, an dem er arbeitet. Vormittags ist er in seinem Schulbüro hinter der gelben Tür mit der Nummer 40.
Nachmittags arbeitet er in der ambulanten Erziehungshilfe – beide Aufgaben für das „Schwerter Netz für Jugend und Familie“. Das Netz ist ein Verbund der Caritas Unna, der Diakonie Mark Ruhr und des Vereins für Soziale Integrationshilfen (VSI).

Sozialpädagoge Jonas Schunck lacht gern. Er sorgt an „seiner“ Gesamtschule für ein besseres Lernklima. © Martina Niehaus
Der Mann mit dem kurzen rötlichen Haar und den blauen Augen lacht gern. „Ich bin beim Schwerter Netz im Bereich der Hilfen für Erziehung und der Schulsozialarbeit tätig, und bin dort sozusagen die neutrale männliche Bezugsperson.“ Dann erzählt er von all den Dingen, die er in seinem Job so gern macht. Von Projekten gegen Gewalt und Rassismus, von Aktionen für kulturelle Vielfalt.
Streiten muss man lernen
In der Schule ist es seit inzwischen fast sieben Jahren sein Anliegen, die Gemeinschaft der Kinder untereinander zu stärken. Ihm ist wichtig, dass die Kinder sich im Klassenverbund gegenseitig helfen. Dass sie auch lernen zu streiten – ohne dabei aber jemanden zu beleidigen. Oder sich womöglich zu attackieren.

Im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern zählt Jonas Schunck auf den direkten, persönlichen Kontakt. „Das hat schon gefehlt“, sagt er. © Martina Niehaus
„Man sollte jeden so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte“, sagt Jonas Schunck. Das kann beim ersten Hören nach einem Kalenderspruch klingen, doch man glaubt Jonas Schunck sofort, dass er das ernst meint. Und wenn Mädchen und Jungen ihn auf dem Gang ansprechen – oder wenn sie an seine Tür klopfen – hat er Zeit für sie.
Der schnelle Draht, das persönliche Treffen – das fehlte plötzlich
Jonas Schunck ist froh, dass das heute wieder so ist; dass er nach langen Monaten des Homeschooling und Homeoffice wieder in seinem Büro sitzen kann. „Na klar, alle Klassenlehrer hatten über Teams und auf anderen digitalen Wegen einen sehr engen Draht zu den Kindern“, sagt er.

Jonas Schunck in seinem Büro in der Gesamtschule. Nachmittags arbeitet er beim „Schwerter Netz“. © Martina Niehaus
Trotzdem sei die Betreuungssituation ohne spontane Gespräche und direkte, persönliche Kontakte nicht optimal gewesen. „Es hat einfach nicht dieselbe Qualität, das ist einfach so. Trotzdem haben sich hier alle wacker geschlagen.“ Mit seiner Kollegin Monika Walter habe er sich oft ausgetauscht. „Das persönliche Treffen haben wir aber alle vermisst.“
„Die Zündschnur ist bei manchen kürzer als früher“
Für Kinder, die zu Hause mit schwierigen Lernsituationen zu kämpfen hatten, gab es die Corona-Notbetreuung im Schulgebäude. „Die Kinder konnten von hier aus an Digitalkonferenzen teilnehmen oder uns ansprechen, wenn es Probleme gab“, erinnert er sich. „Die waren wirklich alle sehr gerne hier.“
Doch es seien eben auch viele gute Projekte ausgefallen. Teamfindungs-Projekte, Feste, der beliebte Jugendkulturtag mit Workshops. „Ich hoffe, dass wir diesen Sommer wieder einiges durchführen können. Geplant ist es auf jeden Fall“, sagt Jonas Schunck.

Viele beliebte Projekte sind in den letzten Jahren ausgefallen. Jetzt hofft Jonas Schunck, dass alles wieder anlaufen kann. © Martina Niehaus
Das Schulleben habe den Kindern und Jugendlichen gefehlt – das merke man auch am Verhalten der Kinder, die jetzt wieder da sind. „Manche sind etwas ungeduldiger oder empfindlicher geworden. Die Zündschnur ist schon kürzer“, sagt er. Und wie solle es auch anders sein? „Hier gibt es Klassen, die haben sich fast zwei Jahre lang nur virtuell kennengelernt – und heute tragen alle eine Maske.“
Die Kinder brauchen jetzt vor allem Zeit
Man müsse den Kindern jetzt vor allem eines geben: Zeit. „Sie müssen sich und ihre Gemeinschaft wieder finden, das ist wichtig.“ Gerade laufe ein Projekt an, „Aufholen nach Corona“ heißt es. Mit Sportaktivitäten und Spielen, besonders für die jüngeren Jahrgänge. Dabei arbeitet die Schule mit dem VSI zusammen.
„Den Kindern fehlen zwei Jahre, die fangen wir jetzt auf“, sagt Jonas Schunck. Und lacht wieder sein sympathisches Lachen. „Ich bin da ganz zuversichtlich.“
Begegnungen mit interessanten Menschen und ganz nah dran sein an spannenden Geschichten: Das macht für mich Lokaljournalismus aus.
