Smileys statt Blitzer: Wie ein Dorf aus dem Kreis Unna gegen Raser kämpft

© Kevin Kohues

Smileys statt Blitzer: Wie ein Dorf aus dem Kreis Unna gegen Raser kämpft

rnStraßenverkehr im Kreis Unna

Mehr Autos, mehr Lkw, mehr Raser: Ein Dorf im Süden Unnas sieht sich mit immer größeren Verkehrsproblemen konfrontiert. Die Bewohner haben den Kampf für mehr Sicherheit selbst in die Hand genommen.

von Kevin Kohues

Kreis Unna

, 22.02.2022, 04:50 Uhr / Lesedauer: 3 min

Der Unnaer Ortsteil Billmerich ist mit seinen gut 2000 Einwohnern eigentlich ein Dorf aus dem Bilderbuch. Der Ortskern geradezu malerisch, das Straßenbild gepflegt, mit vielen alten aber auch modernen schönen Häusern, ist das Dorf im Süden der Kreisstadt eine gefragte Wohnadresse, nicht zuletzt für Familien mit Kindern. Der italienische Fußballstar Ciro Immobile wurde beim BVB zwar nie glücklich, doch das dürfte kaum an seiner Villa in Billmerich gelegen haben, von der aus er in wenigen Minuten am Trainingszentrum in Brackel sein konnte. Denn freilich zählt den Vorzügen des Örtchens auch seine Lage in unmittelbarer Nähe zu A1, B1 und A44 im Kreuz Dortmund/Unna.

Wenn die Autobahn dicht ist, wälzt sich die Blechlawine durchs Dorf

Jedoch: Gerade diese exponierte Lage ist es, die sich in den vergangenen Jahren zunehmend zu einem Problem für die Bewohner in Billmerich entwickelt hat. „Unser Dorf ist eine beliebte Ausweichstrecke“, sagt Bernhard Albers, Landwirt und seit 18 Jahren Ortsvorsteher von Billmerich.

Bernhard Albers (CDU) ist Ortsvorsteher von Billmerich und sagt über die Smiley-Geschwindigkeitsmesser: "Wir nehmen der Stadt schon ein bisschen die Arbeit ab."

Bernhard Albers (CDU) ist Ortsvorsteher von Billmerich und sagt über die Smiley-Geschwindigkeitsmesser: "Wir nehmen der Stadt schon ein bisschen die Arbeit ab." © Archiv

Besonders, wenn das Kreuz oder eine der Autobahnen „dicht“ sei, komme es im Dorf mitunter zu massiven Staus. „Die Lkw suchen dann die vermeintliche Abkürzung bei uns durchs Dorf.“

Mast mit Display steht im Vorgarten

Aber auch an normalen Tagen wälzt sich immer mehr Blech durch die engen Straßen des Dorfes – zum Missfallen von Anwohnern wie Oliver Göhrs. Sein Grundstück weist deshalb seit ein paar Monaten eine Besonderheit auf: Im Vorgarten steht ein Mast mit einem Display. Es zeigt Vorbeifahrenden nicht nur an, wie schnell sie gerade unterwegs sind, sondern gibt auch gleich eine Bewertung mit. Ein grüner Smiley lacht Autofahrer an, wenn ihr Tempo unter den erlaubten 30 km/h liegt, und ein roter Smiley blickt ihnen traurig entgegen, wenn sie zu schnell sind. Betrieben wird die Anlage umwelt- und kostenfreundlich mit einem aufladbaren Akku, der Sonnenenergie speichert.

Grüner, lachender Smiley an der Holzwickeder Straße in Billmerich.

Grüner, lachender Smiley an der Holzwickeder Straße in Billmerich. © Udo Hennes

Insgesamt vier solcher Displays stehen seit einem halben Jahr an der Holzwickeder Straße (2), Altendorfer Straße und Liedbachstraße. „Wir können sogar am Laptop die Verkehrsströme auslesen“, sagt Oliver Göhrs, der mit den bisherigen Erfahrungen durchaus zufrieden ist. „Der Verkehr ist zwar nicht weniger geworden, aber es fahren doch manche anders.“

Eine Familie hat allein zwei Displays finanziert

Das findet auch Ortsvorsteher Albers, der sich bei der Anschaffung der insgesamt über 8000 Euro teuren Technik auf den Zusammenhalt im Dorf verlassen konnte. Möglich wurde sie nämlich durch Spenden von Privatleuten aus Billmerich. „Eine Familie“, berichtet Albers, „hat allein zwei Displays finanziert, aber die wollen nicht genannt werden, die machen das einfach dem Dorf zuliebe.“

Roter, trauriger Smiley an der Altendorfer Straße in Billmerich.

Roter, trauriger Smiley an der Altendorfer Straße in Billmerich. © Udo Hennes

Und nicht nur das Dorf dankt es ihnen. Auch manch auswärtige Autofahrerin findet die Smiley-Displays toll. Dörte Eckstein aus Holzwickede kommt bei ihrer Fahrt zur Arbeit täglich durch Billmerich und empfindet die Smileys als Ansporn. „Man rutscht bei erlaubten 30 km/h schnell mal auf 35 oder 40, aber man ärgert sich darüber, wenn man dann einen roten Smiley sieht. Die Leute fahren jetzt viel bewusster“, so Ecksteins Einschätzung.

„Das würde ich mir auch an anderen Stellen im Kreis Unna wünschen“

Sie hatte sich nach den Berichten über den mobilen Superblitzer des Kreises Unna in unserer Redaktion gemeldet und angeregt, doch auch einmal über die Smiley-Displays zu berichten. „So etwas bringt dauerhaft was und würde ich mir auch an anderen Stellen im Kreis Unna wünschen“, sagt Eckstein.

Beim Kreis Unna, das erfuhr unsere Redaktion auf Nachfrage, ist diese Art der anonymen Geschwindigkeitsmessung derzeit kein Thema. Der Kreis setzt neben dem „Blitzen“ an Gefahrenstellen im Falle anonymer Messungen auf eine Art „Schuhkarton“. Die Mess-Box kann etwa an Straßen aufgestellt werden, wenn Anwohner sich wiederholt über Raser beschwert haben – um Gefühlen Fakten entgegenzusetzen überprüfen und nötigenfalls Maßnahmen zu ergreifen.

Ob und wo Geräte aufgestellt werden dürfen, ist überdies immer mit dem Straßenbaulastträger abzustimmen: bei kommunalen Straßen ist dies die Stadt oder Gemeinde, bei Kreisstraßen der Kreis Unna und bei Landes- und Bundesstraßen der Landesbetrieb Straßen NRW.

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Die Stadt Unna ist privaten Initiativen gegenüber durchaus aufgeschlossen, sieht aber auch manches kritisch. „Wir weisen darauf hin, dass auf jeden Fall ein Wartungsvertrag vereinbart werden muss. In Hemmerde blinkte eine solche Anlage letztes Jahr in vielen Farben und keiner fühlte sich zuständig“, sagt Unnas Stadtsprecher Christoph Ueberfeld.

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Aus Billmerich sind derlei Probleme freilich nicht überliefert, wohl aber weitere Pläne. Die pfiffigen Anwohner haben mehr Haltevorrichtungen als Displays bestellt. „Wir können die also umhängen und werden die auch mal woanders hinstellen“, frohlockt der Ortsvorsteher.