Was muss man mitbringen, um im „Knast“ zu arbeiten? Kaum etwas? Falsch, sagt Gabriele Harms, die Leiterin der Justizvollzugsanstalt in Ergste. Sie sucht Mitarbeiter, doch die müssten einiges können.
Zwölf junge Bewerber waren eingeladen in die JVA Schwerte. Zwei Tage lang dauerte das Auswahlverfahren: Intelligenz- und Persönlichkeitstests, Gruppengespräche, der Versuch herauszufinden, wie die Bewerber reagieren auf Stress und anstrengende Situationen. Hohe Hürden, die keiner der zwölf nahm. JVA-Chefin Harms stellte niemanden als Azubi ein.
Sieben Stellen seien mittlerweile schon unbesetzt, so Harms. Das sei kurzfristig kein großes Problem, langfristig schon: Ältere Beamte gehen in Pension, von unten rückt nichts nach. Die Folge könne man sich ausrechnen. Aber: „Der Bedarf schafft nicht den Eingang“, unterstreicht Harms. Eingestellt werde nur, wer dem Job auch gewachsen sei.
„Schließer“ – die Mitarbeiter der JVA müssen dieses alte Vorurteil, dieses Schimpfwort immer noch hören: Wer es nicht zu Polizei oder Bundeswehr schaffe, für den bleibe noch eine Beamtenstelle in der JVA. Harms widerspricht deutlich: „Wir brauchen nicht den Security-Menschen, der ‚Tür-auf-Tür-zu‘ macht.“ Natürlich haben die Mitarbeiter die Schlüsselgewalt auf dem Gelände zwischen Letmather Straße und Gillstraße in Ergste. Aber sie haben auch viele Aufgaben, die weit darüber hinausgehen: Sie sind die Ansprechpartner der Inhaftierten – oft für Jahre oder Jahrzehnte. Sie machen Gruppenangebote, damit die Zeit hinter diesen Mauern herumgeht und es friedlich bleibt. Sie kontrollieren und helfen gleichzeitig. Sie sind Wächter und Sozialarbeiter in einer Person.
Junge Straftäter leben in einer Art WG zusammen
Die Inhaftierten sollen fit gemacht werden für ein nicht-kriminelles Leben nach der JVA: Da sind die Unter-27-Jährigen, die in einer Art Zwölfer-WG zusammenleben und die Alltägliches wie Waschen, Kochen, Putzen, Einkaufen gemeinsam regeln sollen. Wie lassen sich dort die Alltagskonflikte lösen? Der Mitarbeiter im allgemeinen Vollzugsdienst (AVD) und ein Sozialarbeiter müssen darauf Antworten finden. Immer wieder neue.
Dann sind da Sexual- und Gewalttäter, oft selbst mit psychischer Erkrankung oder mit einer Drogenkarriere. Wie redet man mit ihnen? Wie bindet man sie in Gesprächskreise ein? Wie arbeitet man sozialtherapeutisch mit ihnen? Gibt es Sprachbarrieren? Was macht man, wenn da plötzlich eine Frage auftaucht zum Ausländerrecht, etwa eine Frage zur drohenden Abschiebung?

Gespräche mit den Inhaftierten gehören für die Beamten zum Alltag. Hier Daniel Thomer, der als AVD-Beamter in der JVA in Ergste arbeitet. © Foto: Björn Althoff
Wie geht man Jahrzehnte lang um mit den Lebenslänglichen?
Und dann sind da die „Langstrafigen“, wie Gabriele Harms sie nennt. Wie schafft man Nähe und gleichzeitig Distanz zu einem Menschen, dem man über Jahrzehnte täglich begegnet? „Unsere Mitarbeiter machen zwar keine Psychotherapie, aber sie sind beteiligt am gesamten Prozess.“ Zur Ausbildung gehören nicht nur rechtliche und Sicherheitsaspekte, sondern auch Psychologie und Kriminologie.
„Sie müssen jemandem Struktur geben können“, unterstreicht Sandro Jesse, Ausbildungsleiter der JVA: „Dafür aber müssen Sie schon Struktur mitbringen.“ Jesse und Harms sind deshalb froh, dass das Land NRW die Altersgrenze um einige Jahre nach oben erweitert hat. Mittlerweile kann AVD-Beamter werden, wer noch nicht 40 Jahre alt ist. Zum Ausbildungsbeginn darf man also maximal 37 Jahre alt sein. „Sie sollen verlässlich und Vorbild sein“, erläutert Gabriele Harms: „Und Sie sollten eine gefestigte Persönlichkeit haben sowie eine hohe Frustrationstoleranz.“
Dann die Akten: Wer sind die Menschen, die ihre Strafe in der JVA verbüßen? Die AVD-Mitarbeiter entnehmen die wichtigen Informationen den Akten. Bürokratie gehöre auch in diesem Beruf dazu, erläutert Harms.
Wer geeignet ist, kann ein, zwei Tage in der JVA hospitieren
Das Wichtigste aber bleibe die Persönlichkeit: Der Bewerber dürfe nicht auf eine Machtposition aus sein, aber auch „kein überängstlicher Mensch“. Das Angebot der JVA, um Mitarbeiter zu gewinnen: Wer Interesse habe und sich als geeignet erweise, könne ein, zwei Tage hospitieren. Wobei Harms verdeutlicht: „Es darf kein Voyeurismus sein, kein Ich-will-mal-wissen-wie-das-da-aussieht.“
Bewerbungen nehme sie immer an, nicht nur zu einem Stichpunkt einmal im Jahr. Ausbildungsbeginn ist zwar nur im September. Aber die Anstalten haben die Möglichkeit, geeignete Bewerber vorab einzustellen – als Dienstanfänger. Mit Beginn der dualen Ausbildung wird man Beamter auf Widerruf, nach bestandener Ausbildung dann Beamter im mittleren Dienst.
Die nächsten zwölf, die diese Chance bekommen können, erhielten bald eine Einladung, so Harms. Auch sie stellen sich dann dem zweitägigen Auswahlverfahren.
Jahrgang 1977 - wie Punkrock. Gebürtiger Sauerländer. Geborener Dortmunder. Unterm Strich also Westfale.
