Schwerter Künstlergemeinschaft ist bald obdachlos „Fühlen uns ausgebremst“

Schwerter Künstlergemeinschaft ist bald obdachlos: „Fühlen uns ausgebremst“
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Der Name der Ateliergemeinschaft „kab34“ – Kunst am Bahnhof – ist ganz klar standortgebunden. Das Künstlerrefugium empfängt Zugreisende, die in Schwerte eintreffen, in dem alten Haus Bahnhofsstraße 34, den Bahnhofsvorplatz flankierend. Wie ein erstes „Hallo“ der Stadt Schwerte wirken die Bilder, die hinter dem Schaufenster im Erdgeschoss ausgestellt sind. In den oberen Stockwerken des verwinkelten Altbaus haben aktuell sieben Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeitsräume. Doch nicht mehr lange.

Nachdem die Immobilien und Entwicklungsgesellschaft Schwerte (IEG) das Haus und das Grundstück letztes Jahr erworben hatte, soll es nun abgerissen werden und sozialem Wohnungsbau weichen. „Uns wurde mitgeteilt, dass es Ende März oder April so weit ist“, erzählt Eva Hammoudo. Die Malerin teilt sich die Räumlichkeiten aktuell mit Margarete Wenzler, Hilde Rotering-Vuong, Annette Rusteberg, Kerstin Moritz, Abbas Mandeh und Christiane Heetmann.

In dem Atelierraum von Eva Hammoudo finden sich viele ihrer Werke.
In dem Atelierraum von Eva Hammoudo finden sich viele ihrer Werke. © Mahad Theurer

Grund für den Abriss seien bauliche Mängel, wie die Stadt mitteilte. Dabei stünde das genaue Datum für den Abriss noch nicht fest, er sei lediglich für den Frühling 2023 terminiert, wie Holger Gies Geschäftsführer der IEG mitteilt.

Fünf der sieben Künstler haben sich nun im Februar zusammengefunden, um von der Situation der Gemeinschaft zu berichten. Um einen runden Tisch im chinesischen Salon, wie sie die holzgetafelten Räumlichkeiten eines ehemaligen chinesischen Restaurants im Erdgeschoss der Bahnhofstraße 34 nennen, haben sie sich versammelt.

Aktuelle Räumlichkeiten ideal

„Wir wissen, was wir an dem Haus haben“, erklärt Margarete Wenzler. Man hätte viel Platz, das Ladenlokal im Erdgeschoss als Ausstellungsfläche, die Ateliers und den chinesischen Salon, der sich hervorragend für Veranstaltungen eigne. Noch bei der letzten Ausstellung „Tee oder Kaffee“ (10. bis 12. Februar) sei das Gebäude mit über 100 Besuchern gefüllt gewesen. Im chinesischen Salon konnte der ehemalige Kulturdezernent der Stadt Schwerte, Herbert Hermes, eine Einführung zu der Ausstellung halten. Dazu sei die Miete des Hauses für die 7 Künstlerinnen und Künstler gut bezahlbar.

„Wir wissen auch, dass wir etwas Ähnliches nicht mehr finden werden“, ordnet Christiane Heetmann die Situation ein. Im Austausch mit der Stadt hätte diese ihnen zwei Immobilien auf dem ehemaligen Hoesch-Gelände als Ersatz angeboten – die Besichtigung hätte damals noch gemeinsam mit Bürgermeister Dimitrios Axourgos stattgefunden. Dabei handelte es sich um das alte Hoesch-Magazin und um Räumlichkeiten im ehemaligen Verwaltungsgebäude auf dem Hoesch-Gelände.

Suche vergebens

Der Mietpreis des Magazins sei für die Gruppe nicht darstellbar gewesen und in das Verwaltungsgebäude hätten sie schlussendlich doch nicht einziehen können, berichtet Eva Hammoudo. „Wir fühlen uns ausgebremst und hätten uns mehr Unterstützung von der Stadt gewünscht“, sagt sie. Diese sei im Anschluss an den Kauf durch die Stadt zugesichert worden.

Das Atelierhaus am Bahnhof sei eine wichtige Anlaufstelle und hätte in der Vergangenheit Künstler aus anderen Städten und Ländern in die Stadt geholt. Beispiel sei eine Ausstellung mit kurdischen Künstlern aus der Diaspora im Oktober 2022 gewesen.

Das Atelier von Abbas Mendah im ersten Stock des Altbaus an der Bahnhofstraße
Das Atelier von Abbas Mandeh im ersten Stock des Altbaus an der Bahnhofstraße. © Mahad Theurer

„Zu unseren Ausstellungen kommen immer wieder Menschen über den Bahnhof in die Stadt. Die schauen sich erst die Kunst an und ziehen dann noch weiter, um etwas zu essen oder zu trinken“, berichtet Christiane Heetmann. Auch hätte man immer wieder Künstler in die Räumlichkeiten aufgenommen. Seit 2014 ist die Künstlergemeinschaft nun schon in dem Gebäude Bahnhofsstraße 34.

Als Übergangslösung wäre die Gruppe auch erstmal mit einem zentral gelegenen Ladenlokal, indem sie ihre Kunst weiter präsentieren könnten, zufrieden. Doch eine passende Immobilie stünde aktuell nicht zur Verfügung, wie David Weber, Prokurist der Stadt mitteilt. Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung und dem Stadtmarketing hätte man probiert eine Alternative zu finden. Doch im finanziellen Rahmen des Kollektivs, sei dies nicht darstellbar gewesen.

Trotzdem, man wisse um die Wichtigkeit eines kreativen Knotenpunktes, wie der Gemeinschaft „Kunst am Bahnhof“. „Für eine lebendige und vielfältige Stadtgesellschaft hat der künstlerische und kulturelle Bereich grundsätzlich eine große Bedeutung“, so Weber.

Diese Erkenntnis alleine hilft den sechs Damen und dem Herren von „kab34“ nicht weiter. Die haben ihre Ansprüche seit den gemeinsamen Besichtigungen mit der Stadt zurückgeschraubt. „Aktuell wären wir auch mit Lösungen zufrieden, bei denen erstmal Einzelne von uns unterkommen“, erklärt Christiane Heetmann. Auch Lagerflächen, um die Utensilien und Bilder unterzubringen, wären für den Anfang eine Lösung.

„Alles muss raus“

Eine Immobilie, mit der die Gruppe liebäugelt, ist ein leerstehendes Ladenlokal im City-Center unterhalb der VHS. Doch die Vorstellungen des Vermieters und die der Gruppe gehen in Bezug auf die Miete auseinander. Über Anregungen und Ideen zu ihrer aktuellen Situation freut sich die Gruppe.

Stand jetzt, findet unter dem Motto „Alles muss raus“ am Wochenende 18. und 19. März die letzte Ausstellung in der alten Adresse, Bahnhofstraße 34 statt. „Da können die Leute dann alles Mögliche erwerben, Möbel, Materialien, Bilder“, erklärt Eva Hammoudo.

Informationen zu dem Künstlerkollektiv finden Sie unter dem Internetauftritt der Gruppe: kab34.de

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