Sechs Wohncontainer, teilweise gefüllt mit Nahrung und Trinkwasser, konnte die Familie Aydin an Opfer des Erdbebens in der Türkei verschicken. Mit LKWs wurden die in Istanbul gefertigten Miniatur-Häuser in die betroffenen Gebiete – die Städte Antep, Kahramanmaraş, Hatay und Malatya – verfrachtet. Vorausgegangen waren zwei Spendenaktionen.
Muammer Aydin hatte im Anschluss an das Erdbeben beschlossen zu helfen. Die Einnahmen eines ganzen Samstags wollte der Efes-Grill daher zugunsten der Opfer des verheerenden Erdbebens in der Türkei und in Syrien spenden, dazu sollten generell Geldspenden gesammelt werden. „Schon am Freitag sind Leute vorbeigekommen, die von der Aktion gehört haben und haben Geld dagelassen“, erzählt Muammer Aydin.
Spendenaufruf über Instagram
1530 Euro seien auf diese Art und Weise zusammengekommen. 300 Euro hätte man nach kurzem Überlegen, wie man jetzt am besten helfen kann, als eine Art Direkthilfe an eine den Aydins bekannte Familie in Kahramanmaraş gegeben. Diese sei durch das Beben obdachlos geworden und hätte bei dem Unglück mehrere Familienmitglieder verloren.
Das restliche Geld sei nach kurzer Überlegung in ein Projekt von Muammers Cousin Mert und einem weiteren Cousin Burak geflossen, der in Istanbul lebt. Mert hatte bereits am Mittwoch (8.2.) per Video einen Spendenaufruf über Instagram gestartet. Das Video ging viral und hatte nach kurzer Zeit über 150.000 Aufrufe.
Freunde hätten den 26-jährigen Mert, der in der Finanzabteilung eines Energiekonzerns arbeitet, aufgrund der neu gewonnenen Öffentlichkeit dazu ermutigt, die Spendenaktion in die eigenen Hände zu nehmen und einen entsprechenden PayPal-Account einzurichten.
10.000 Euro am zweiten Tag
Befreundete Instagrammer hätten den Aufruf erneut geteilt und bereits am zweiten Tag hätte man 10.000 Euro gesammelt. „Viel mehr, als ich jemals geglaubt hätte“, so Mert, der sich auf einmal mit einer Verantwortung konfrontiert sah, mit der er nicht gerechnet hatte. „Wir wollten sicher gehen, dass das Geld dort ankommt, wo es wirklich gebraucht wird.“
Da sich schnell herausgestellte, dass viele Leute Kleider spendeten und die türkische Regierung zusagte, die betroffenen Regionen mit Lebensmitteln zu versorgen, kam Mert die Idee mit den Wohncontainern. Geschützte Schlafplätze sind in der betroffenen Region, in der nach der Katastrophe nachts teilweise Minusgrade herrschen, besonders wichtig.

Gemeinsam mit Burak, der in Istanbul als Innenarchitekt arbeitet, nahm Mert das Organisatorische in die Hand und bestellte die Container. 21 Quadratmeter groß sind die Wohneinheiten und haben eingebaute Küchen und Bäder. Für sechs Container inklusive Transportkosten sowie Wasser und Lebensmittel reichten die Gesamtspenden von etwas über 17.000 Euro am Schluss.
„Richtig emotional“
„Die LKWs mussten von Polizeikonvois begleitet werden, um sicher zu gehen, dass sie vor Ort ankommen und nicht geplündert werden“, berichtet Mert. Burak sei eine der 13-stündigen Touren von Istanbul in die betroffene Region im Südosten mitgefahren. „Wir sind zwischendurch richtig emotional geworden“, berichtet Mert. Zuerst sei das der Fall gewesen, als sich die Höhe der Spendengelder abzeichnete und er realisierte, dass er viel mehr helfen kann, als ursprünglich gedacht.
Dann, als ihn die Bilder vom ersten eintreffenden Container in Kahramanmaraş erreichten. Das Abladen, die Reaktionen der Leute vor Ort – für Mert alles sehr emotional. „Wir haben extra ein Banner entworfen, das an den Lkw hing, darauf steht in Türkisch: ‚Wenn deine Heimat zur Rettung deiner Heimat kommt‘“, erzählt er.
Denn die Türkei, das sei seine Heimat, die Spenden stammten allerdings größtenteils aus Deutschland, und das sei ebenfalls seine Heimat. Von alldem hätte Burak Fotos und Videos gemacht. Wichtig sei es vor allem gewesen, die Abläufe für die Spender transparent auf Instagram zu dokumentieren.
Namen auf Listen verewigt
„In jedem der Container hängt eine Liste der Namen derer, die es möglich gemacht haben, dass wir den Container kaufen konnten“, erzählt Mert. Wichtig sei auch gewesen, dass die Container an Punkten ankommen, wo sie wirklich helfen können. „Das war auch eine Frage der Grundversorgung“, erzählt Muammer. „Am meisten bringen die Container, wenn sie an Strom und Wasser angeschlossen sind.“
Das sei in der betroffenen Region bei all der Zerstörung sehr schwierig gewesen. Doch über einen befreundeten Istanbuler Bezirkspolitiker hätte man erfahren, wo die Hilfe am meisten Sinn macht. Das Leid, das Burak bei seinem ersten Besuch in der Region gesehen hatte, sei wirklich schlimm gewesen, meint Mert.

Die Spendenaktion hätte er trotz ihres Erfolges ausgesetzt. „Wir wollten erst mal das Geld sinnvoll anbringen, das wir bekommen haben. Das hat natürlich alles auch Zeit gekostet – mehr hätten wir zu zweit nicht stemmen können.“ Jetzt hätte zum Beispiel das Land Katar zugesichert, 10.000 Wohncontainer spenden zu wollen, die würden also weniger gebraucht.
Wenn er eine weitere gute Idee hätte, würde er vielleicht noch mal sammeln, sagt Mert. Die Leute vor Ort könnten nun vor allem Geldspenden gebrauchen, die gezielt für Hilfsprojekte eingesetzt werden können.
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