
© Reinhard Schmitz
Lange Zwangsschließungen im Einzelhandel wären „wirtschaftlicher Genickbruch“
Corona-Krise in Schwerte
Keine Einnahmen, aber die Rechnungen laufen weiter. Die Zwangsschließung der Läden wegen der Corona-Krise weckt im Einzelhandel Existenzängste. Es gibt einen Wunsch an die Stadt Schwerte.
Heizung ausschalten. Licht ausschalten. Rechner runterfahren. „Ich hatte am Mittwoch ein Gefühl, das ich gar nicht wiedergeben kann“, berichtet Joachim Kockelke. Auf unabsehbare Zeit wird er nicht mehr hinter der Kassentheke von „Kettler Geschenke + Schmuck“ an der Hüsingstraße stehen dürfen, das er seit Jahrzehnten führt: „Diese Situation hatten wir noch nicht gehabt.“ Sonst waren es höchstens mal die zwei Tage über Weihnachten, die er seinem Geschäft fernblieb. Oder drei, wenn auf das Fest noch ein Sonntag folgte. Aber jetzt?
Der Stillstand sollte nicht allzu lange dauern
„Es sollte nicht allzu lange dauern“, sagt Joachim Kockelke: „Sonst wird es ganz schön brenzlig werden für die Kleinunternehmer.“ Er selbst betreibe seinen Laden Gottseidank im Eigentum, aber viele müssten jetzt Mieten zahlen, ohne dass ein Cent in die Kasse kommt. Man könne zwar das Finanzamt vielleicht um Rückstellung bitten, aber Strom, Gas und Wasser müssten weiter bezahlt werden. „Das ist wirtschaftlicher Genickbruch“, fürchtet Kockelke für manche Kollegen. Um das zu verhindern, sei jeder mitverantwortlich, die Regeln gegen die Ausbreitung des Virus einzuhalten. Denn sonst verzögere er diese Phase des Stillstands selber mit.

Am Eingang der Fußgängerzone informierte die Boutique Contrast über ihre Schließung. © Reinhard Schmitz
„Das Schlimme ist diese Ungewissheit. Man weiß nicht, wie lange“, sagt Annette Neuert von Nette´s Lädchen in der Hüsingstraße: „14 Tage könnte man noch überstehen, aber dann wird´s kritisch.“ Die Frühjahrsmode sei gekommen, aber die Kundschaft angesichts der herannahenden Coronawelle bereits vorher zurückhaltend gewesen. Die Rechnungen würden aber fällig. Auch das Finanzamt habe gerade abgebucht - von der öffentlich angekündigten Stundung keine Spur.
Stadt sollte Anlaufstelle für Schwerter Einzelhändler einrichten
„Ich habe Angst, dass wieder nur die Großen was kriegen und wir Kleinen im Regen stehen gelassen werden“, sagt Annette Neuert. Deshalb wünscht sie sich eine zentrale Anlaufstelle, wo nur die Schwerter Einzelhändler alle jetzt aufkommenden Fragen klären könnten: „Warum kann das nicht einer vor der Wirtschaftsförderung als Ansprechpartner machen?“ Die bundesweiten Info-Telefone seien keine Hilfe, weil hoffnungslos überlastet.
Lieferanten wollen Bestellungen nicht stornieren
Die Lage im Einzelhandel ist auch ständiges Gesprächsthema bei der Familie Hitzegrad. Während Andreas Hitzegrad mit seiner Orthopädie-Schuhtechnik zum Gesundheitshandwerk zählt und weitermachen darf, musste seine Frau Ulrike Hitzegrad ihre Boutique Contrast am Eingang der Hüsingstraße dicht machen. Jetzt kommt neue Ware, die nicht verkauft werden kann. Auf eine Stornierung wollten sich große Marken-Lieferanten aber nicht einlassen, erklärt Andreas Hitzegrad. Auch nicht auf einen Zahlungsaufschub: „Das ist sehr enttäuschend.“ Keiner wisse, wie es weitergeht.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
