„Deine Kolleginnen mögen dich nicht. Da guckst du. Du hättest wohl nicht gedacht, dass du so unbeliebt bist.“ Als Britta B.* in einem Personalgespräch diese Sätze von ihrer Vorgesetzten gehört habe, sei sie fassungslos gewesen.
„Ich hatte in 30 Jahren bei der Stadt Schwerte nie Probleme mit meinen Arbeitskolleginnen gehabt. Und auf einmal sagte sie, ich hetze das Team auf.“ Ihr sei eine „unfassbare und schlimme Geschichte“ widerfahren. „Es war die reine Tortur.“
„Systematische Manipulation“
Weitere Mitarbeiterinnen berichten von erschüttertem Vertrauen, belastenden Ereignissen. Eine von ihnen sagt, sie habe jahrelang „mit viel Herzblut“ in ihrem Bereich gearbeitet. Ihre Arbeitsleistung sei in einem Personalgespräch auf so abwertende Weise kritisiert worden, dass sie schockiert in Tränen ausgebrochen sei.
Andere schildern ähnliche Erfahrungen, berichten von Diffamierungen und systematischer Manipulation. So erklärt Steffi K.: „Sie strebte keine harmonische Zusammenarbeit an, sondern grenzte mich bewusst aus […] und betrieb eine subtile, aber wirkungsvolle Form der Isolation und Destabilisierung.“
Die Vorwürfe richten sich gegen eine Vorgesetzte: Im Jugendamt Schwerte soll es durch sie über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu gehäuften Fällen von „Mobbing“ oder „Bossing“ (Mobbing durch Vorgesetzte) gegenüber mehreren Mitarbeiterinnen gekommen sein. Sätze wie diese soll die Chefin in Personalgesprächen gesagt haben:
- „Du bist die Schlechteste und Schwächste von allen.“
- „Du bist überfordert und nicht für die Stelle geeignet.“
- „Du hinkst ständig hinterher.“
- „Hätte ich gewusst, wie viel Geld du verdienst, hätte ich dir nicht so eine gute Bewertung gegeben.“
- „Sie können sich ja noch nicht mal richtig artikulieren und sprechen nur in Drei-Wort-Sätzen, aber das werden Ihnen ja bestimmt noch andere Leute gesagt haben.“

„Lage ist dramatisch“
Die Mitarbeiterinnen hatten sich zunächst Verdi-Gewerkschaftssekretär Christian Seyda anvertraut. Seyda ist sich sicher: „Die Lage ist wirklich dramatisch.“ In den letzten Jahren habe es viele Kündigungen und häufige Personalwechsel in diesem Amt gegeben – zehn bis zwölf, schätzt er. „Dies ist vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels besonders auffällig und problematisch.“
Unserer Redaktion liegen sechs schriftliche Berichte vor, die die Frauen unabhängig voneinander verfasst haben. Mit einigen Verfasserinnen und weiteren Personen hatten wir Kontakt. Ihre echten Namen sind unserer Redaktion bekannt.
Wie viele Frauen insgesamt betroffen sind, ist unklar. Unsere Redaktion weiß von sieben Betroffenen. Die meisten von ihnen arbeiten inzwischen nicht mehr im Schwerter Jugendamt. Ihre Vorgesetzte allerdings schon.
Verschiedene Muster
Als die Chefin ihre Stelle beim Jugendamt antrat, soll es begonnen haben. Verschiedene Muster seien zu erkennen:
- Bei neuen Kolleginnen habe die Chefin zunächst sehr zurückhaltend und „mit auffälliger Kälte“ reagiert, die weit über eine bloße berufliche Distanz hinausgegangen sei.
- Zeitgleich soll sie sich Vertrauen erschlichen haben, um an private Informationen zu kommen, die sie dann bei Bedarf gegen ihre Kolleginnen verwenden konnte.
- Über nicht anwesende Kolleginnen und Kollegen oder auch in der Diensthierarchie höherstehende Personen habe sie sich häufig abfällig geäußert. Wer hier nicht mitmachte, hatte es, so sagen es die Frauen, offenbar schwer. Es sei eine „toxische Atmosphäre des Misstrauens und der Verunsicherung“ entstanden, die das Arbeitsklima „massiv belastet habe“.
- Zudem seien „in Ungnade gefallene“ Mitarbeiterinnen plötzlich nicht mehr mit wichtigen Informationen – beispielsweise über Teamtreffen oder Entscheidungen – versorgt und auf diese Weise gezielt isoliert worden.
- In Personalgesprächen habe die Chefin zudem häufig unsachliche oder despektierliche Kritik (wie oben dargestellt) geäußert. Mitarbeiterinnen sprechen in diesem Zusammenhang von „haltlosen Vorwürfen, gezielten Fehldarstellungen und Lügen“.
Keine Hilfe?
Hilfe haben die Betroffenen nach eigenen Angaben von ihrem zuständigen höheren Vorgesetzten nicht bekommen.
So habe sich Britta B. nach dem ersten schwierigen Personalgespräch an den nächsthöheren Vorgesetzten gewandt. Der habe „keine Stellung genommen, kein Mitgefühl oder Klärungsbereitschaft gezeigt“. Stattdessen habe er ihr geraten, einen Versetzungsantrag zu stellen – ansonsten würde er ihren Arbeitsvertrag ändern.
Steffi K. sagt, sie habe Ähnliches erfahren. Sie glaubt, der Vorgesetzte habe sich von der Chefin „manipulieren“ lassen. „Sie stiftete gezielt Boykott gegen mich an und sorgte hinter meinem Rücken dafür, dass sich unser Vorgesetzter zunehmend von mir distanzierte. Ohne Vorwarnung brach er jegliche professionelle Kommunikation ab.“
In einem Gespräch mit dem damaligen Dezernenten seien dann Unwahrheiten geäußert worden, die sie fachlich wie persönlich diskreditiert hätten. Trotz der massiven Belastungen habe sie nicht den Personalrat informiert. Sie habe sich stattdessen entschieden, zu kündigen. „Ich hatte jedes Vertrauen verloren.“
Andere Mitarbeiterinnen berichten, dass sie kurz vor der Rente gestanden und sich deshalb nicht an den Personalrat gewandt hätten. Eine weitere Betroffene habe den Personalrat informiert; doch es sei keine Besserung eingetreten. Auch sie habe schließlich gekündigt.
„Keine konkreten Vorfälle“
Britta B. habe nach ersten vergeblichen Klärungsversuchen den Personalrat informiert, berichtet sie – und das Gespräch mit Bürgermeister Dimitrios Axourgos sowie dem damaligen Dezernenten gesucht.
In einer E-Mail habe sie dem Bürgermeister erklärt, dass es ihr, nachdem es zu „persönlichen Anschuldigungen“ gekommen sei, „wirklich nicht gut“ gehe. Mehrere Kolleginnen wüssten über die „destruktive Art“ mit ihr umzugehen Bescheid. Der Bürgermeister habe, ebenfalls per E-Mail, sein Bedauern ausgedrückt und versichert, dass man „eine gute Lösung“ finden werde.
Sie habe dann eine Vertrauensperson mitgenommen, die auch unserer Redaktion gegenüber an Eides statt versichert hat, bei dem Gespräch dabei gewesen zu sein. Britta B. erzählt: „Der Bürgermeister und der Dezernent waren freundlich und offensichtlich sehr betroffen.“ Sie habe sich anschließend „gestärkt und motiviert“ gefühlt.
Wir haben bei Bürgermeister Dimitrios Axourgos um eine Stellungnahme gebeten. Die Stadtverwaltung Schwerte habe nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe [Anm. d. Red.: im November 2024] unverzüglich die notwendigen Schritte eingeleitet, heißt es in einer Stellungnahme, die uns am 25. März 2025 bestätigt wurde. Da es sich um ein laufendes Verfahren handele, könne man keine Einzelheiten bekanntgeben.
Axourgos betont: „Wir sichern zu, dass unsere Rechtsabteilung diesen Vorwürfen mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Sorgfalt nachgehen wird.“ Das eigene Rechtsamt sei für eine unabhängige Untersuchung zuständig. Grundsätzlich sei man sich der Fürsorgepflicht gegenüber allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung bewusst.
Konkrete Vorfälle im Zusammenhang mit „Mobbing“ oder „Bossing“ im Jugendamt seien in den vergangenen Jahren nicht bekannt geworden. Es habe vor dem aktuellen Hintergrund auch keine Gespräche mit dem Bürgermeister gegeben, in denen das Thema durch Mitarbeitende gezielt thematisiert worden sei.
Abmahnungen
Ob die Worte „Mobbing“ oder „Bossing“ letztlich gefallen sind, lässt sich nicht belegen. Britta B. ist allerdings von der Stellungnahme der Stadtverwaltung entsetzt. Sie beteuert, deutlich gemacht zu haben, dass sie persönlich herabgewürdigt worden sei.
Auf ihrem Handy habe sie Screenshots von Notizen dabeigehabt, die ihr als Gedankenstütze gedient hätten. Die Screenshots zeigen, dass diese Notizen tatsächlich am Tag des Gesprächs abfotografiert wurden.
Darin steht unter anderem: „Ich fühle mich seit 2 Monaten systematisch fertiggemacht und wirklich schon gemobbt.“ An einer anderen Stelle steht: „Meine gesamte Arbeit und Kollegialität wurde in Frage gestellt.“ Und: „Ich wünsche, dass beide Vorgesetzte [...] respektvoll und wertschätzend mit mir umgehen, damit ich meine Arbeit auch weiterhin gut erledigen kann. Dies können sie auch von mir erwarten.“
Weitere schriftliche Dokumente weisen darauf hin, dass der Konflikt über Monate angedauert haben muss – und dass auch nach dem Gespräch keine Besserung eintrat. Britta B. sagt: „Ich hatte das Gefühl, dass meine Chefin danach gezielt nach Fehlern gesucht hat, um mich loszuwerden.“
In einer E-Mail an Vertreter des Personalrats beschreibt Britta B., dass sie Abmahnungen erhalten habe – die darin formulierten Anschuldigungen habe sie widerlegen können. Die Abmahnungen seien daraufhin zurückgenommen worden. „Diese Art des Umgangs macht mich auf Dauer krank“, schreibt sie. „Ich brauche eure Unterstützung.“ Und: „Als Mitarbeiterin der Stadt bin ich auf euch angewiesen.“
Zudem existieren Niederschriften des Personalrates, in denen vermerkt wurde, dass die Mitarbeiterin wegen „erheblicher Probleme“ mit ihren Vorgesetzten um Hilfe gebeten habe.
Auch den Bürgermeister habe Britta B. Monate später noch einmal angeschrieben. Niemand spreche mit ihr über Lösungen. Sie habe noch nie „ein derart destruktives Verhalten von Führungspersonen“ erlebt. Die Abwertung ihrer Person würde nicht enden.
Er habe wieder sehr freundlich geantwortet und ihr einen anderen Job angeboten, sagt sie – der jedoch keine Alternative gewesen sei. „Sie wäre immer noch meine Vorgesetzte gewesen.“ Am Ende habe sie um einen Auflösungsvertrag gebeten.
Dienstvereinbarung
Sollte es tatsächlich über einen längeren Zeitraum zu Konflikten gekommen sein, müsste sich die Stadtverwaltung die Frage gefallen lassen, ob die Vorgehensweise richtig war.
In der Dienstvereinbarung aus dem Jahr 2020 zum Schutz gegen Mobbing, Schikane und sexuelle Belästigung zwischen der Stadt Schwerte und dem Personalrat steht, dass es das gemeinsame Ziel sei, „bereits die Ursachen im Keim zu ersticken“. Betroffene sollten ausdrücklich dazu ermuntert werden, sich zu wehren.
Führungskräfte seien verpflichtet, „frühzeitig und konsequent“ bei auftretenden Problemen einzugreifen. Sie hätten zu einem Arbeitsklima beizutragen, „in dem die persönliche Integrität und die Selbstachtung aller Beschäftigten respektiert wird“. Ferner steht dort, dass die Vorgesetzten Verantwortung übernehmen, „dass Hinweisen auf Mobbing […] nachgegangen wird“. In Gesprächen müssten Protokolle geführt werden.
Hätten Vermittlungs- und Schlichtungsversuche keinen Erfolg, kann man laut Dienstvereinbarung „nach 4-6 Wochen eine schriftliche Mitteilung an den (oder die) nächsthöheren Vorgesetzten schicken“ – dieser müsse schnellstmöglich einen „letzten Einigungsversuch“ unternehmen. Wenn niemand in der Lage sei, den Konflikt zu lösen, „sollen die Beteiligten professionelle Hilfe in Anspruch nehmen“. Das könne auch eine geeignete externe Stelle sein.

Angst sich zu äußern
Eine externe Schlichtung ist jedoch offensichtlich nie angestrebt worden. Das zieht die Frage nach sich, ob man in der Vergangenheit richtig hingeschaut – oder möglicherweise sogar Vorgaben missachtet hat. Spätestens nach dem Auftauchen der Berichte müsste offenkundig sein, dass es ein größeres Problem gibt.
Gewerkschaftssekretär Christian Seyda sagt, er habe der Stadtverwaltung die schriftlichen Berichte der Frauen am 11. November 2024 vorgelegt – und eine externe Untersuchung gefordert. Mitte Februar 2025 habe das Personalamt ihn telefonisch darüber informiert, dass der Bürgermeister eine externe Untersuchung ablehne, so Seyda.
In einer E-Mail habe man ihn jedoch eindringlich um weitere Informationen gebeten – kurz: um die Namen der Verfasserinnen, sowie um „fehlende Angaben zu den Zeitpunkten“. Dies sei für eine Untersuchung unbedingt notwendig. Seyda hätte dies zugesichert.
Christian Seyda sagt jedoch, diese Zusicherung habe es von seiner Seite so nie gegeben. „Die Betroffenen haben keinen Grund, darauf zu vertrauen, dass eine interne Untersuchung Hilfe bringt.“ Manche hätten auch Angst, sich zu äußern. „Viele haben in der Vergangenheit bereits Gespräche mit dem Personalrat und dem Bürgermeister geführt“, so Seyda.
Konsequenzen jedweder Art habe es bisher nicht gegeben. „Das Jugendamt hat eine elementare Funktion im Bereich der Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und Familien und kann sich sicher keinen unguten und unprofessionellen Umgang mit den Beschäftigten leisten.“

„Keine weitere Stellungnahme“
Unsere Redaktion hat auch beiden betroffenen Vorgesetzten die Gelegenheit gegeben, sich vor einer Berichterstattung zu den ihnen entgegengebrachten Vorwürfen zu äußern.
Dazu haben wir unsere Fragen am 10. April 2025 an die Stadtverwaltung geschickt – mit der ausdrücklichen Bitte, diese umgehend an die betreffenden Personen weiterzuleiten. Die Pressestelle hat dazu am 16. April knapp geantwortet, „dass die Stadt Schwerte in der Sache keine weitere Stellungnahme abgeben wird“.
Im Anschluss haben wir beide Vorgesetzte direkt per E-Mail um eine Stellungnahme gebeten. Eine Antwort haben wir bis zum Ablauf der gesetzten Frist am Dienstagnachmittag (29.4.) nicht erhalten.
Britta B. arbeitet heute in einer anderen Stadt. Die Arbeit erfülle sie, mit Kollegen und Vorgesetzten komme sie gut klar. Steffi K. ist heute selbstständig. Nach ihren Erfahrungen könne sie sich nicht mehr vorstellen, noch einmal in einem Team mit solchen Hierarchien zu arbeiten.
Das Verhalten ihrer ehemaligen Chefin könne sie immer noch nicht begreifen. „Um sich Mitarbeiterinnen gegenüber menschlich korrekt zu verhalten, muss niemand Personal-Management studieren.“ Im Gegenteil – das sei das Kindergarten-Einmaleins.
* Hinweis der Redaktion: Manche der betroffenen Frauen haben in ihren Berichten und Gesprächen sowie während mehrerer persönlicher Treffen mit der Autorin genaue Daten und Umstände genannt, andere Schilderungen sind allgemeiner gehalten und stammen ausdrücklich aus ihrer Erinnerung. Um sowohl ihre Identität als auch die ihrer Vorgesetzten zu schützen, werden Namen, exakte Daten, Funktionen, Berufsbezeichnungen oder möglicherweise identifizierende Ereignisse in unserem Artikel nicht genannt. Zu den im Text beschriebenen Schilderungen liegen uns eidesstattliche Versicherungen der Betroffenen vor.
Die Stadtverwaltung bittet darum, dass sich mögliche Betroffene an den Personalrat oder direkt an den Bürgermeister wenden.
Wer Mobbing-Erfahrungen gemacht hat, kann sich auch anonym beim zuständigen Verdi-Gewerkschaftssekretär Christian Seyda unter Tel. (0175) 33 68 500 melden – oder per E-Mail an christian.seyda@verdi.de