Sie sind gekommen, um ein Zeichen zu setzen für Weltoffenheit und gegen Rechts. Sie schwenken Fahnen, recken Schilder in die Luft, tragen Aufkleber: Tausende Menschen sind am sonnigen Samstag (27.1.) zum Postplatz geströmt, um dem Aufruf des Bündnisses „Schwerte gegen Rechts“ zu folgen. Die Polizei, die zunächst von 150 Teilnehmenden ausgegangen war, spricht gegen Mittag von rund 5000 Personen.
Das Bündnis gegen Rechts besteht aus Schwerter Parteien, Vereinen und Privatpersonen, die sich seit mittlerweile zehn Jahren gegen Rechtsradikalismus einsetzen. Bündnis-Sprecherin Nele Blase, die auf einer kleinen Bühne die vielen Leute gegen 11 Uhr begrüßt, ist von dem Riesenandrang völlig überwältigt. „Ich bin froh, dass ich eine Sonnenbrille aufhabe“, sagt sie. „Denn ich muss sagen, ich hatte schon ein paar Tränchen in den Augen. Danke, dass ihr da seid!“
„Abartige Pläne“
„Als wir von den abartigen Plänen der AfD gehört haben, waren wir nicht so schockiert wie viele andere. Weil es abzusehen war“, so Nele Blase. „Wer die AfD und die Rechten nur ein bisschen im Auge hatte, der hätte das wissen können und auch wissen müssen. Es ist keine Seltenheit, dass sich Politiker dieser Partei mit Nazis treffen, denn das sind die Vordenker ihrer Ideen. Das darf uns erschrecken, das darf uns betreffen, das darf uns aber nicht verwundern.“
Viele applaudieren zwischendurch, als Nele Blase spricht. Sie zeigt sich optimistisch. „Ich kann euch beruhigen, denn wir haben alle Mittel, dagegen zu kämpfen. Denn wir leben in einer freien Demokratie. Wir haben das hohe Gut der Meinungsfreiheit, und ich kann Sie und euch nur alle bitten, das zukünftig bitte, bitte mehr zu nutzen.“

Auf der Bühne treten an diesem Tag viele Redner und Gruppen auf. Es wird auch gemeinsam gesungen. Die Sprecherin ist begeistert über den Zuspruch. „Lasst uns diese Energie von heute nutzen und so weitermachen“, ruft sie alle auf, sich auch in Zukunft gegen Rechts zu stellen. Das sei eine Verantwortung, die jeder habe.
„Vielen ist jetzt erst klargeworden: Unsere Freunde, Verwandten, Bekannten sind betroffen“, betont Nele Blase. Der 27. Januar sei der Holocaust-Gedenktag. „Und die AfD hat nichts Besseres zu tun, als an diesem Tag an einem Stand ihre Propaganda zu verbreiten! Wir sind aber hier, und wir sagen: Wir haben keinen Bock auf euch!“

„Finger weg von meinen Freunden!“
Keinen Bock auf rechtsradikales Gedankengut haben auch die Menschen auf der Kundgebung. „Bunt statt Braun“, „EkelhAfD“ oder „Lieber queer und lebensfroh als ein rechter Hetero“ steht auf ihren Schildern. Die Schulen sind mit größeren Plakaten ebenfalls vertreten. Der achtjährige Jayden hat gleich zwei Schilder gebastelt. „Das eine hab ich zusammen mit seinem Vater gemacht.“ Der Spruch ist die Abwandlung eines beliebten Kinderbuchs und lautet: „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm in den Kopf gemacht hat“. Darunter hat Jayden in Schreibschrift sein ganz persönliches Statement gesetzt: „Finger weg von meinen Freunden!“

Sabine und Jürgen Ruck aus Schwerte halten ein Schild hoch, auf dem ein Kothaufen zu sehen ist. Darunter steht: „Braun ist doch Scheiße!“ Sabine Ruck sagt: „Man muss Flagge zeigen, und wir wollten diese Gelegenheit unbedingt nutzen.“ Die Stimmung sei toll, da sind sich beide einig. Dann berichten sie, dass ihnen auf dem Weg zum Postplatz ein AfD-Anhänger entgegengekommen sei, der gerufen habe: „Jetzt flott abschieben!“ „Er hat versucht, seine Fahne über unser Schild zu halten. Ein unangenehmer Mensch“, so Sabine Ruck. Und Jürgen Ruck ergänzt: „Ich habe ganz vergessen, ihn zu fragen , ob er sich hier in der Mehrheit fühlt.“ Dann lacht er. „Von wegen: Wir sind das Volk!“

Bürgermeister Dimitrios Axourgos ist an diesem Tag stolz auf seine Stadt. „Schwerte ist ein weltoffener und humaner Ort.“ Die Demokratie sei in Gefahr geraten. „Es ist wichtig, dass Menschen sich für demokratische Werte einsetzen“, sagt er und bedankt sich beim Bündnis gegen Rechts für die Organisation. Axourgos erinnert auch daran, dass der 27.1. als Holocaust-Gedenktag an die Befreiung des KZ Auschwitz erinnere. Auch heute müsse man sagen: „Wehret den Anfängen!“
Der Kampf gegen Faschismus müsse täglich geführt werden. Im Büro, am Stammtisch, auf Demonstrationen. „Dazu gehört auch, wählen zu gehen“, ruft er die Menschen mit Blick auf die Europawahl im Juni auf. „Eine hohe Wahlbeteiligung führt dazu, dass die Rechten kleiner werden!“ Der große Zulauf sei auch für ihn persönlich sehr ermutigend. „Das macht mich als Bürgermeister sehr stolz!“
Landrat Mario Löhr schließt sich seinem Vorredner an. „Als Landrat bin ich stolz auf unsere Städte im Kreis Unna.“ Er bedankt sich auch bei den Einsatzkräften des Ordnungsamtes und der Polizei, die für einen sicheren Ablauf der Veranstaltung sorgen.

Lieder aus dem Gully
Die Polizei hat an diesem Tag eine eher undankbare Aufgabe: Am Cavaplatz muss sie den dort aufgebauten AfD-Stand vor Störungen durch Demonstranten schützen. Die haben sich mit Plakaten sehr nah aufgebaut, spielen laute Musik und halten Plakate hoch: „Keinen Fußbreit der AfD“ steht darauf. Aus einem Gully genau neben dem Stand erklingt laut „Die Internationale“, das Kampflied der sozialistischen Arbeiterbewegung. Unbekannte haben im Gully einen Lautsprecher deponiert.
Erste Polizei-Hauptkommissarin Sonja Wundrock fordert die Demonstrierenden wiederholt auf, sich von dem Stand wegzubewegen. Doch die wollen nicht gehen. „Wenn Sie hierbleiben, müssen wir die Veranstaltung auflösen“, warnt sie. Die Plakate bewegen sich schließlich wenige Meter weiter. Der Stand, erklärt sie auf Anfrage, sei nun einmal angemeldet und genehmigt. Insgesamt, erklärt Wundrock, sei die Kundgebung in der Schwerter Innenstadt aber friedlich abgelaufen. Die AfD-Mitglieder an ihrem Stand haben an diesem Tag jedenfalls eine klare Botschaft mitgenommen: Schwerte hat „keinen Bock“ auf Rechts.

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