Viele Menschen streben nach Perfektion. Mein liebster Mann ist einer von ihnen. Sobald die Adventszeit naht, bekommt er dieses eigentümliche Leuchten in den Augen. Er sucht im Kalender nach dem perfekten Datum, um den perfekten Weihnachtsbaum in der perfekten Schonung zu finden. Die Jungs und ich ahnen: Auch dieses Jahr bleiben wir nicht verschont.
Das Ritual ist immer gleich: Zuerst benachrichtigen wir die Verwandtschaft. Schwager und Schwägerin, Neffe, Nichte und die Oma müssen mit. Im Tross geht es in Richtung Sauerland. Seit der Sperrung der A45 ist das besonders lustig. Als ob wir nicht genug Höfe ganz in der Nähe hätten.
Sobald wir die passende Gegend erreicht haben, fährt mein Mann grundsätzlich an den ersten drei oder vier Schonungen vorbei – hinter der nächsten Kurve könnte ja eine noch schönere liegen. Dieser Teil der Reise macht mir nichts aus – so lange ich noch im warmen Auto sitze. Doch ich weiß: Es wird schlimmer kommen.
Sägen-Verleih
Dann nämlich, wenn die Familienkutschen im Schneeregen auf der vermatschten Kiesfläche eines Bauernhofs irgendwo im Nirgendwo halten, und wir alle in der Kälte stehen. Ich verteile Handschuhe und Mützen – wohl wissend, dass meine Finger selbst in den dicksten Handschuhen frieren.
Die Jungs stehen unsicher im Matsch – sie haben Angst davor, ihre Sneaker zu verschmutzen. Praktisches Schuhwerk besitzen sie nicht. Jeden Winter frage ich mich aufs Neue, wie ich die Galoschen der Kinder unbeschadet durch Schnee und Regen bringen soll. Die Schonung ist dabei immer der Härtetest.
Dann geht es los, denn mein Mann hat schon wieder diesen Blick. Gerade hat er den Sägen-Verleih gesichtet und macht sich auf, die perfekte Säge auszuwählen. Die Jungs hinken vorsichtig um Pfützen herum hinterher. Die Oma geben wir für die Dauer unserer Suche in der Scheune ab – für jeden gekauften Baum bekommt man eine Tasse Glühwein umsonst, und das weiß sie genau. Außerdem möchte sie sich die Deko anschauen, die dort zwischen wärmenden Heizstrahlern aufgebaut ist. Ich beneide sie. Sie muss nicht in den Wald.

Sieht aus wie der Erste!
Eine der Herausforderungen ist es, den Mann in der Schonung nicht aus den Augen zu verlieren. Er läuft immer tiefer in die Baumreihen – manchmal denke ich darüber nach, ihn mit einem Notfallpaket mit Wärmedecke, Energie-Riegeln und Leuchtrakete auszustatten. Man weiß ja nie.
Grundsätzlich gilt: Die ersten 20 Bäume, auf die ich mit gefühllosen Fingern zeige, werden abgelehnt. Obwohl es durchaus sein kann, dass zwei Stunden später genau einer dieser Bäume der Richtige ist. Aber dann wäre der Spaß ja viel zu schnell vorbei. Findet mein Mann einen Kandidaten, der in Frage kommen könnte, stellt er einen der Jungs daran ab, um das Ding, das genauso aussieht wie alle anderen, zu reservieren. Das Problem ist, dass er nur zwei Jungs zur Verfügung hat. Entsprechend oft wird diskutiert. Dann ist auch meine Meinung gefragt.
„Wie findest du den, Schatz?“
„Sieht genauso aus wie der erste und der zweite.“
„Nee, Mama, ich finde, der sieht aus wie der Fünfte.“
„Und was meinst du, mein Junge?“
„Ich friere. Können wir den nicht einfach nehmen?“
„Aber Kinder, wir wollen doch einen schönen Baum finden. Außerdem war ich noch nicht ganz da hinten.“

Schöner als alle
Am Ende suchen wir immer einen Baum aus, der, wie meine bessere Hälfte überzeugt ist, „schöner ist als alle, die wir je hatten“. Alle sind erleichtert. Mein Mann beginnt selig zu grinsen wie Clark Griswold und zückt die Säge. Die Jungs ächzen und keuchen unter dem nadeligen Gewicht, die Schuhe sind endgültig ruiniert, die Beute – einer von tausenden Schonungs-Klonen – wird eingenetzt und ins Auto gezerrt.
Dann holen wir die Oma aus der Glühweinbutze ab und treten die Heimfahrt durchs dunkle Sauerland an. Mein Mann ist glücklich. Meine Finger und Augenlider tauen langsam auf. Und die Oma freut sich – denn zu Hause gibt es zur Feier des Tages noch ein Schlückchen Glühwein.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel ist ursprünglich am 30. November 2023 erschienen.
Budendorf auf dem Marktplatz in Hennen: Weihnachtsmarkt eröffnet am zweiten Adventswochenende
Schwerter Krippenweg 2023: Altstadt füllt sich wieder mit zahlreichen kuriosen Krippen
Romantischer Weihnachtsmarkt im Freilichtmuseum in Hagen: So kommen Sie am besten hin