Schwerter Jugendliche über die AfD und deren Wähler „Extremisten haben kein Recht auf Hetze“

Jugendliche über die AfD: „Extremisten haben kein Recht auf Hetze“
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In zahlreichen Städten gehen zurzeit Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus und auch die AfD zu demonstrieren. Nach den Enthüllungen des Recherchezentrums „Correctiv“ über ein Treffen hochrangiger AfD-Politiker mit Rechtsextremen in Potsdam haben auch Menschen in Schwerte den Wunsch geäußert, auf die Straße zu gehen. Das Bündnis gegen Rechts hat eine Kundgebung auf dem Postplatz organisiert, die am Samstag (27.1.) um 11 Uhr beginnt.

Wie empfinden gerade auch junge Leute die aktuelle politische Entwicklung? Wie diskutieren sie, wie informieren sie sich? Sollte die AfD verboten werden? Wir haben mit zwei Schülerinnen und drei Schülern gesprochen: Helena Karakonstantinidis (15) und Finnja Prein (17), Jonas Gruner und Finn Schlieper (beide 18) sowie Moritz Wohlers (16) sagen uns ihre Meinung.

In Deutschland gehen gerade viele Menschen gegen Rechts und die AfD auf die Straße. Ist das Thema neu für euch?

Jonas: Zu Hause sind wir alle sehr an Politik interessiert, deshalb war ich auch früher schon öfter auf Demos gegen rechts. Doch zuletzt hat sich die gesamte Stimmung im Land verändert. Rechtes Gedankengut wird immer selbstverständlicher. Deshalb habe ich mir gesagt: Ich möchte dagegen vorgehen.

Finnja: Bei mir war Rechtsextremismus schon früh ein Thema, doch im Laufe des letzten Jahres habe ich mich intensiver damit beschäftigt. Die Recherchen über das geheime Treffen waren dann schon der Höhepunkt, wo man sagt: Es reicht jetzt.

Helena: Zu Hause reden wir manchmal über das politische Geschehen. Von dem Treffen habe ich über TikTok erfahren, und habe mich dann in den Nachrichten informiert.

Finn: Meine Großeltern haben oft mit mir über die Nazidiktatur gesprochen. Ich finde, heute kommt man um die AfD gar nicht mehr herum. Ich halte es für gefährlich, dass sie ihre Inhalte so verbreiten können. Die Recherchen [zu dem Geheimtreffen mit Rechtsradikalen] haben viele Bekannte von mir entsetzt, aber ich habe den Artikel gelesen und gedacht: Genauso schätze ich diese Leute ein. Die träumen von Entrechtungen und Deportationen.

Viele AfD-Mitglieder oder deren Wähler sagen, sie seien gar nicht rechtsradikal.

Finnja: Das sagen sie, klar – aber man sieht ja, mit welchen Leuten die sich abgeben. Und das haben die Politiker auch nie verheimlicht, sondern immer klar gesagt. Da sollte man als Wähler vielleicht mal drüber nachdenken.

Jonas: „Oder sie sagen ‚kontrollierte Zuwanderung‘ oder ‚Finanz-Elite‘. Bei solchen Begriffen denke ich an die Nazi-Zeit der dreißiger und vierziger Jahre.

Moritz: Ja, es ist ja auch die Wortwahl mit diesen Begrifflichkeiten. Wer heute von „Remigration“ spricht, sagt doch das Gleiche wie „Ausländer raus“. Was auf diesem Treffen in Potsdam gesagt wurde, war für mich völlig erwartbar, und deshalb demonstriere ich auch dagegen. Ich war schon früher oft auf Demos. Heute engagiere ich mich im Bündnis gegen Rechts und im Kinder- und Jugendparlament.

Ihr seid politisch engagiert und informiert euch viel. Das tun nicht alle.

Jonas: Ich halte es für gefährlich, wenn man sich nicht konstant selbst reflektiert und die Infos hinterfragt. Doch die Medienstrategie vieler Rechter ist leider sehr gut. Ich kenne viele Leute, die bekommen Infos und realisieren überhaupt nicht, was das für Inhalte sind. Und dann denken sie schnell, es sei ihre eigene Meinung.

Finn: Ich habe selbst TikTok. Über den Algorithmus werden mir manchmal Videos zugespielt. Da sind dann plötzlich Leute, die von Nationalstolz sprechen. Das ist schon beängstigend, auch wie die Leute im Internet in ihren Kommentaren untereinander kollidieren.

Finnja: Man muss auch verstehen, dass durch die Algorithmen regelrechte Filterblasen entstehen. Die eigene Meinung wird bestärkt. Deshalb muss man weiter kritisch denken. Ich würde mir manchmal wünschen, dass mehr Leute Social Media nutzen würden, um vernünftige Sachen zu posten.

Finnja und Helena engagieren sich gegen Rechts.
Finnja und Helena engagieren sich gegen rechts. © Martina Niehaus

Kommentare im Netz oder Videos bei TikTok sind das Eine – wie ist es mit Leuten, die ihr kennt? Gibt es da Diskussionen?

Jonas: Im realen Leben ist es nicht so konfliktgetrieben. Ich kenne zwar einige Leute, die so denken, aber ich unterhalte mich nicht sehr oft mit ihnen. Mit einigen kann man bestimmt noch diskutieren, die sind erreichbar. Aber mit Rechten kann man nicht argumentieren.

Finnja: Teilweise kennt man schon einige Leute, da denkt man: Das sind doch eigentlich ganz vernünftige Menschen. Das kommt häufiger vor.

Moritz: Das erlebe ich auch. Es gibt immer welche, die irgendwelche Vorurteile haben. Manchmal bin ich unsicher, weil ich nicht alle Zahlen und Statistiken kenne. Aber ich weiß ganz klar: Das stimmt jetzt nicht. Und sage das dann auch.

Finnja: Mich nervt es unheimlich, wenn es heißt: Wir sind nicht alle Nazis. Trotzdem muss man weiter reden. Wenn wir immer nur sagen: Die sind alle böse, dann werden sie noch isolierter.

Helena: Ich finde es auch schwierig. Oft in der Schule hört man manchmal so pro-AfD-Sprüche. Die sagen dann: Schlimmer als mit der aktuellen Regierung kann es ja nicht werden.

Auf dem Postplatz wollen Jonas, Finn und Moritz gegen Rechts demonstrieren.
Auf dem Postplatz wollen Jonas, Finn und Moritz gegen rechts demonstrieren. © Martina Niehaus

Viele AfD-Wähler sehen die Partei als Alternative zu einer Politik, mit der sie unzufrieden sind. Habt ihr dafür Verständnis?

Finn: Viele fühlen sich benachteiligt und abgehängt. Aber die Lösung des Problems kann es doch nicht sein, Rechte zu wählen. Bei der AfD fühlen sich viele aufgehoben, die sich ganz schön umschauen würden, wenn die wirklich an die Macht kommen.

Moritz: Die AfD biedert sich den Wählern einfach nur an, zum Beispiel, indem sie Bauernproteste unterstützt. Aber selbst sind sie für eine komplette Streichung der Subventionen. Die Leute sollten besser mal die Wahlprogramme lesen.

Glaubt ihr, dass das Thema an Schulen gut aufgearbeitet wird?

Jonas: Manchmal habe ich das Gefühl, dass in den Lehrplänen der Fokus zu sehr auf der Vergangenheit liegt. Wenn man gute Lehrer hat, redet man dann auch über heute. Ich fände es zum Beispiel wichtig, über typische Begriffe, Redewendungen und Symbole zu reden, die rechte Ideologien widerspiegeln. Um sie zu entlarven.

Moritz: Ja, viele solcher Themen wurden in der Vergangenheit an den Rand geschoben. Weil man auch lange gedacht hat, das betrifft uns nicht mehr.

Viele fordern gerade ein Verbot der AfD. Was haltet ihr davon?

Jonas: Ich würde auf jeden Fall die Finanzierung prüfen. Doch so ein Verbotsverfahren wäre ein langwieriger bürokratischer Akt. Es kann die Situation nicht lösen. Rechtsextreme Tendenzen kann man allein dadurch nicht bekämpfen.

Finnja: Ein Verbot kann nicht alles bewirken. Aber zumindest ein Prüfverfahren wäre nicht falsch. Für mich ist das eine antidemokratische Partei.

Finn: Man muss begreifen: Die zweifeln die demokratische Verfassung an. Manche Menschen weigern sich einfach zu sehen, was der Kern dieser Partei ist.

Moritz: Ein Verbot könnte ihnen die Struktur und Vernetzung nehmen. Und sie hindern, in Ämter hineinzurutschen. Aber ein Verbot wird nicht das Problem des Rechtsrucks lösen. Daher kann es nicht die alleinige Maßnahme sein.

Jonas: Ja, dann sagen sie womöglich: Jetzt werden wir unterdrückt, wählt uns erst recht. Man muss das Problem gesellschaftlich lösen.

Beim Interview in der RN-Redaktion.
Beim Interview in der RN-Redaktion. © Nele Blase

Indem man zur Kundgebung auf den Postplatz geht?

Finn: Extremisten sollen wissen: Sie haben kein Recht auf Hetze. Aber wir haben ein Recht darauf, in einer bunten, pluralistischen Gesellschaft zu leben. Das macht unser Zusammenleben aus: Wir sollten achtsam und solidarisch miteinander umgehen.

Finnja: Und je größer die Proteste sind, umso mehr wird klar: Ihr Rechten seid nur eine laute Minderheit. Während ein großer Teil der Deutschen für eine wehrhafte, starke Demokratie steht.

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