Die beiden massiven Eisenhebel sind nach oben gedreht. Mit aller Macht muss Jens Ewald zerren, damit sich die schwere Eisentür im Untergeschoss der früheren Hoesch-Verwaltung einen Spalt breit öffnet und ihr Geheimnis preisgibt. Vier Betonstufen führen hinab ins Dunkel eines verwinkelten Bunkersystems aus den heißen Zeiten des Kalten Krieges. Feuchtigkeit ist erstaunlicherweise nicht zu verspüren. Mit sicherer Hand fingert der Prokurist der Technopark- und Wirtschaftsförderung GmbH (TWS) nach dem dicken schwarze Drehschalter, der die Schiffsarmatur unter der Decke zum Leuchten bringt.
Lüftungssystem mit Handkurbel
Ein schwaches Licht fällt in den Eingang der Unterwelt, wo zunächst ein kleiner Flur erscheint. Welche der drei weiteren Eisentüren sollte man zuerst öffnen? Geradeaus ist leider die am wenigsten spannende. Sie mündet nur in eine nackte, drei mal drei Meter große Zelle. Doch auf der rechten Seite geht es in in drei weitere, eng verschachtelte Räume, die zum Herzstück eines ausgetüftelten Lüftungssystems führen. Überall unter den Decken verzweigen sich armdicke Rohre, die hier an eine Handkurbel angeschlossen sind.

Die angegilbte Bedienungsanleitung für die „Kombinierte Normal- und Schutzbelüftungsanlage Artos“ liegt immer noch griffbereit auf einem Pappdeckel im Regal. Sie verrät, wie man in den Räumen Überdruck erzeugen kann, um im Ernstfall das Eindringen giftiger Gase von außen zu verhindern. Entsprechende Manometer zur Kontrolle schauen gleich an mehreren Stellen aus dem Rohr-Gewirr heraus.

In eine Art Krypta der Fabrik-Ära stößt Jens Ewald, als er die linke Seite des Bunkers betritt. „Hier hat Hoesch die Regale nicht aufgeräumt“, sagt er und blättert in verstaubten Prospektmappen aus der Zeit des Zusammenschlusses mit Hoesch-Hohenlimburg. Daneben stapeln sich Kartons mit Endlos-Druckerpapier und Schutzhandschuhen. „3,30 DM“ hat ein blauer Kugelschreiber den Stückpreis auf das Leder gekritzelt. Versteckt sind hier auch Aktenordner, deren Rücken säuberlich mit Vermerken zu Arbeitsunfällen und -sicherheit beschriftet sind. Mit dem fetten Titel „Liebe“ locken dagegen gleich reihenweise Bücher zu einem Eisenspind, der ganz am Ende eines abzweigenden Kellers an der Wand lehnt. Beim genauen Hinschauen ist der Zauber verflogen: Es handelt sich um übriggebliebene Bände der Reihe „Werk und Wir“, die Mitarbeiter einst als Jahresgabe erhielten.

Für rund 70 bis 80 kaufmännische Angestellte - so schätzt der Historiker und Hoesch-Experte Dr. Andreas Acktun - wurde das Verwaltungsgebäude nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs in den Jahren 1956/57 neu errichtet: „Da hatte man immer noch Angst vor den Russen.“ Deshalb sei es eine gesetzliche Auflage gewesen, bei solchen Objekten einen Schutzbunker mitzubauen. Selbst die Qualität des verwendeten dicken Eisenbetons sei vorgeschrieben gewesen. Kriechgänge hinter niedrigen Öffnungen würden die Räume als zusätzliche Notfluchtwege bei Bombardierungen verbinden. Über und über mit Spinnenweben durchzogen, traut sich in diese finsteren Mini-Gänge heute keiner mehr hinein.

„Klaustrophobisch“ fände Dr. Acktun auch die Enge in den anderen Räumen für so viele schutzsuchende Menschen. Zum Glück mussten sie nie im Ernstfall benutzt werden. Stattdessen lagerte Hoesch hier später vor allem historische Akten. Derzeit hütet das unterirdische Labyrinth nur Altstadtlaternen, die im Zuge der Marktplatz- Umgestaltung demontiert wurden.
Büroflächen noch zu mieten
Im Zuge des Insolvenzverfahrens über Hoesch Schwerter Profile im Jahre 2019 kaufte die Stadt mit dem gesamten Firmengelände auch das Verwaltungsgebäude, das mittlerweile die TWS in Erbpacht übernommen hat. Einen Großteil der Büroflächen haben die Wirtschaftsförderer schon vorzugsweise für die Ansiedlung von Betrieben aus dem Digital- und Software-Bereich vermieten können. „Es gibt weiterhin Nachfragen“, berichtet Jens Ewald. Im lichten Südflügel des Untergeschosses richtet so gerade der Verein „Maker-Space Schwerte“ einen außerschulischen Lernort ein, wo Schülerinnen und Schülern von weiterführenden Schulen beispielsweise mit 3D-Druckern, Laserschneidern und Arduino-Baukästen Technik nähergebracht wird.
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