Wann immer es in den sozialen Medien um Leerstände von Ladenlokalen geht, dauert es nicht lange, bis der Erste scherzt, dass doch „der nächste Friseur oder der nächste Dönerladen“ dort eröffnen könnte.
In der Tat sind in den letzten gut 20 Jahren in Deutschland viele Friseurbetriebe und Barbershops hinzugekommen – doch wie sieht es eigentlich in Schwerte mit dem traditionsreichen Handwerk des Haareschneidens aus?
44 Friseurbetriebe in Schwerte
Blickt man zunächst auf die bundesweite Entwicklung, die das Internetportal Statista anzeigt, so ist zwischen den Jahren 2000 und 2022 ein deutlicher Anstieg zu erkennen. Die Zahl der Meisterbetriebe in Deutschland ist von 63.317 zu Beginn der 2000er auf 80.557 angestiegen, wobei der größte Anstieg in den ersten knapp zehn Jahren zu verzeichnen war. Seit 2010 kamen nur noch knapp 2.000 neue Betriebe hinzu.
In Schwerte hat sich die Zahl der Friseurbetriebe seit 2019 immerhin zwischen 40 und 50 konstant eingependelt, wie Zahlen der Handwerkskammer Dortmund verdeutlichen. Stand Februar 2024 waren 44 Betriebe für Schwerte eingetragen, teilt Sonja Raasch von der Handwerkskammer Dortmund auf Nachfrage der Redaktion mit. Darin inbegriffen sind auch Barbershops.
„Sie zählen vollumfänglich zum Friseur-Handwerk“, erklärt Sonja Raasch. Rechnet man mit der aktuellen Einwohnerzahl in Schwerte von rund 49.700 Menschen, so entfallen auf einen Friseurbetrieb etwa 1.130 Menschen.
Vergleich zu anderen Städten
Bemüht man ein paar weitere Zahlen und den Taschenrechner, lässt sich die Zahl aus Schwerte ins Verhältnis zu denen anderer Städte aus der näheren Umgebung setzen: So teilt die Handwerkskammer Dortmund mit, dass Stand Februar 2024 in Lünen 64 und in Hagen ganze 161 Friseurbetriebe gemeldet waren.
Umgerechnet auf die Einwohnerzahlen, die sowohl in Lünen mit rund 87.200 als auch in Hagen mit rund 197.700 deutlich höher ausfallen, kommt ein Friseur in Lünen im Schnitt auf rund 1.363 und in Hagen in etwa auf 1.228 Menschen, die potenziell Kunden sein könnten.
Schwerte liegt zwar knapp unter den beiden anderen Städten, deren Friseurbetriebe ebenfalls bei der Handwerkskammer Dortmund gemeldet sind, verhältnismäßig hoch erscheint die Anzahl dennoch. Dazu gleich mehr.
„Zahl der Existenzgründungen steigt“
Tim Wagener, Lehrlingswart der Friseur-Innung Unna mit Sitz in Schwerte, kennt die Zahlen und deren Entwicklung genau. Er bestätigt das, was die bundesweiten Statistiken erkennen lassen: „Wir haben den Eindruck, dass die Zahl der Existenzgründungen im Friseurhandwerk ansteigt.“
Auch wenn die Zahl der eingetragenen Friseursalons in Schwerte vergleichsweise hoch sei, wie auch die Zahlen aus anderen Städten des Kreises, beispielsweise Unna oder Werne, werde die Situation in Schwerte aktuell „für gut“ gehalten. Zu viele Friseure seien es also nicht, die in der Ruhrstadt angesiedelt sind.
Ein perfektes Beispiel dafür, wie sogar mehrere Friseurbetriebe nur wenige Meter voneinander entfernt existieren können, zeigt immerhin die Erfolgsgeschichte aus Ergste: Dort arbeiten mit dem „Haarstudio Annette Drescher“, „A&S Trendfrisuren“ und dem „Salon Struwwelpeter“ gleich drei Friseursalons erfolgreich nahezu nebeneinander – und das seit vielen Jahren (wir berichteten).

„Geht noch in Schwerte“
Einer, der ebenfalls in Schwerte seinen Kunden die Haare schneidet, stimmt dem Lehrlingswart der Friseur-Innung Unna zu. Norman Radant (29) betreibt seit 2022 den Barbershop „Norman‘s Herrenstube“ an der Ostenstraße im Herzen der Ruhrstadt.
„Meiner Meinung nach geht es noch in Schwerte im Vergleich zu anderen Städten“, sagt er und ergänzt: „Wenn man gut ist, bekommt man auch die Bestätigung.“ Norman Radant ist selbst gelernter Friseurmeister und kann nachvollziehen, dass es im Friseurhandwerk immer mehr Existenzgründungen gibt. „Warum sollte man es für jemanden anderes machen, wenn man es selbst machen kann?“, fragt er, während er konzentriert die Schere am Kopf seines Kunden ansetzt.
Der Friseurmeister hat sich im Laufe der Jahre auf Herren-Haarschnitte spezialisiert, weshalb er seinen Salon auch als echten Barbershop sieht. Erst vor wenigen Wochen erreichte er beim sogenannten Barber-Battle, einer Meisterschaft für Herrenfriseure aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz, den vierten Platz (wir berichteten). Selbst sieht er seinen Barbershop nicht als Konkurrenz zu „normalen“ Friseursalons.
„Häufigere Kontrollen wünschenswert“
Dem stetig steigenden Wettbewerb, auch bedingt durch immer mehr Barbershops, müssten sich alle Friseursalons stellen, bestätigt der Lehrlingswart der Friseur-Innung Unna, Tim Wagener.
Und das täten sie auch, wie er sagt. „Sie fürchten den Wettbewerb nicht, wenn alle Wettbewerber ordnungsgemäß in die Handwerksrolle eingetragen worden sind. Dies gilt auch für sogenannte Barbershops. Dabei ist die Chancengleichheit im Wettbewerb ein wesentlicher Faktor“, betont er.
Es müsse allerdings von den örtlichen Ordnungsbehörden und der Handwerkskammer darauf geachtet werden, dass auch ein Barbershop den gleichen Voraussetzungen zur Eintragung in die Handwerksrolle unterliegt. Das bedeute, dass ein Meister oder eine Meisterin als Inhaber oder Betriebsleiter im Salon anwesend sein muss. „An dieser Stelle wären häufigere Kontrollen wünschenswert“, merkt Tim Wagener an.
Weniger Mitarbeiter als früher im Salon
Die wachsende Zahl an Friseursalons bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass es auch mehr Friseure gibt. „In der Vergangenheit waren die Salons oft bereits flächenmäßig, aber auch hinsichtlich der Beschäftigtenzahl größer“, weist Wagener auf eine entscheidende Veränderung der letzten Jahre hin. Der Trend gehe derzeit tatsächlich eher zu kleineren Salons mit einer geringeren Anzahl von Beschäftigten.
Auch Norman Radant arbeitet in seinem Barbershop nur mit einem weiteren Mitarbeiter zusammen. Dafür bediene er seine Kunden mit „Leidenschaft und Liebe“, wie er selbst sagt. Seinem Kunden, dem er gerade die Haare schneidet, gefallen diese Worte jedenfalls.
