Als „Selbstbedienungsladen auf Kosten der Bürger“ bezeichnet die Fraktion Freie Stimmen für Schwerte (FS) die Neuregelung der Fraktionsfinanzen – und erhebt schwere Vorwürfe gegen Schwerter Ratsmitglieder. Hinter „verschlossenen Türen“ hätten sich Fraktionen eine „satte Erhöhung“ ihrer Zuschüsse „genehmigt“.

Am 19. Februar beschlossen
Zum Hintergrund: Die Neuregelung der Fraktionsfinanzen im Schwerter Rat ist kürzlich neu beschlossen worden. Nach längerem Streit, in dem die Grünen-Fraktion sich ungerecht behandelt gefühlt hatte und schließlich vor Gericht gezogen war, gab es sowohl einen Vorschlag der Stadtverwaltung als auch einen Änderungsantrag der Grünen dazu.
Daraufhin hatten sich die Fraktionen bei einem spontan anberaumten Treffen am 18. Februar, nach der Sitzung des Haupt-, Personal- und Gleichstellungsausschusses (HPGA), auf eine Neuverteilung geeinigt – und einen Kompromiss beschlossen, mit dem die Mehrheit der Ratsmitglieder einverstanden war. Dieser wurde als Änderungsantrag am Folgetag (19.2.) in der Ratssitzung vorgelegt.
Die Fraktion Freie Stimmen für Schwerte, bestehend aus Sebastian Rühling und Nicole Schelter, war ebenso wie das fraktionslose Ratsmitglied Maximilian Klinger nicht zu diesem Treffen eingeladen worden. In der Ratssitzung am 19. Februar sagte Rühling daher, dass er den neuen Entwurf für die Finanzierung erst mit seiner (nicht anwesenden) Kollegin Nicole Schelter absprechen müsse, und verlangte eine zweistündige Unterbrechung. Als ihm nur 15 Minuten zugestanden wurden, stimmte er der Neuregelung nicht zu. Trotzdem wurde der Vorschlag mehrheitlich beschlossen.
Im Folgenden zitieren wir die Argumente der FS-Stellungnahme und ordnen sie nachfolgend ein.
Argument: Entscheidung „hinter verschlossenen Türen“
Die Stellungnahme der FS lautet: „Eine Demokratie, in der Transparenz und Fairness mit Füßen getreten werden, verkommt zur Farce [...]: Hinter verschlossenen Türen haben sich die Mehrheitsfraktionen SPD, CDU und Grüne, flankiert von FDP und WfS und dem fraktionslosen Linken Peter Weyers, eine satte Erhöhung ihrer Fraktionszuschüsse genehmigt [...]! Während Bürgerinnen und Bürger mit steigenden Kosten kämpfen, sichern sich die Parteien in den Hinterzimmern großzügige Mittel für ihre Fraktionsarbeit.“ [...]
Weiter heißt es: „Dieser skandalöse Beschluss wurde ohne jegliche Beteiligung unserer Fraktion getroffen. Noch am Vortag im Haupt-, Personal- und Geschäftsordnungsausschuss [sic] wurde das Thema in einer nicht-öffentlichen Sitzung behandelt, während wir von den Vorbesprechungen ausgeschlossen waren. Uns wurde weder die Vorlage vorgelegt, noch hatten wir damit eine Chance, uns in die Diskussion einzubringen. Das ist nicht nur ein eklatanter Bruch demokratischer Prinzipien, sondern auch ein bezeichnendes Beispiel für politische Mauscheleien und ‚demokratischen‘ Machtmissbrauch.“
Einordnung: Die Diskussion war öffentlich
- Die Fraktionen haben die Neuregelung der Finanzierung nicht „hinter verschlossenen Türen“ beschlossen. Die Gründe für die Notwendigkeit einer Neuregelung (die bisherige Staffelung war rechtswidrig) waren zuvor in Ausschüssen und Ratssitzungen diskutiert und von uns redaktionell begleitet worden.
- Im nicht-öffentlichen Teil des HPGA wurden lediglich Nachfragen gestellt – die Abstimmung erfolgte in der öffentlichen Ratssitzung.
- Die Fraktionen erhalten in der Regel alle Anträge am Einreichungstag zur Kenntnis. Der Inhalt des im HPGA vorliegenden Antrags-Entwurfs vom 18. Februar müsste also allen bekannt gewesen sein.
- Nach dem HPGA haben sich die Fraktionen ohne die FS zu einer weiteren Verhandlungsrunde untereinander getroffen. Sie haben die FS sozusagen „aus dem Kompromissfindungsprozess ausgeschlossen“. Das mag den FS-Mitgliedern nicht gefallen. Es ist aber legitim, da es sich um ein Treffen außerhalb einer politischen Sitzung gehandelt hat.
- Ein Teil des Kompromisses war, dass die Grünen-Fraktion und die kleineren Fraktionen doch keinen Ausgleich von insgesamt mehreren tausend Euro erhalten, der ihnen womöglich zugestanden hätte. Diese Forderung wurde aus dem Antrag herausgestrichen.
- Das Ergebnis dieser Verhandlung lag am Folgetag zu Beginn der Ratssitzung als Tischvorlage vor. Solche Vorlagen mit kurzfristigen Änderungsanträgen gibt es häufig. Die Änderungen waren überdies nicht grundlegend.
Argument: „Geld für Fraktionen statt Bürgerinteressen“
Die Stellungnahme der FS lautet: „Die Entscheidung [...] ist ein Schlag ins Gesicht der Bürgerinnen und Bürger. 30.000 Euro [mehr], die nun in die Parteikassen umgeleitet werden, hätten sinnvoller verwendet werden können – für Bildungsinitiativen, soziale Projekte oder die Unterstützung ehrenamtlicher Arbeit. Stattdessen ‚finanzieren‘ die Ratsfraktionen lieber neue Büros in der Stadtmitte. Doch damit nicht genug: Die Mittel werden künftig jährlich um die Inflationsrate angepasst. Welche Kriterien zur Bestimmung der Inflationsrate herangezogen wurden, bleibt unklar. Was jedoch sicher ist: Diese Fraktionsförderung wird Jahr für Jahr weiter ansteigen – ein Automatismus der Selbstbedienung.“
Weiter heißt es: „Unser Fazit: Wir lehnen diese Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit entschieden ab! Auch wir hätten von dieser Entscheidung profitiert – doch wir stehen für eine ehrliche und transparente Politik und verweigern uns diesem System der Selbstbedienung. Es ist Zeit, dass politische Entscheidungen wieder im Interesse der Bürgerinnen und Bürger getroffen werden – nicht zum Vorteil der etablierten Mehrheitsfraktionen.“
Einordnung: Vergleich mit anderen Städten
- Die Parteien sichern sich nichts – Fraktionsgelder dienen ausschließlich der Fraktionsarbeit. Es gibt strenge Regeln und alle Ausgaben müssen belegt werden. Das Geld fließt nicht in die „Parteibüros in der Innenstadt“ – sondern die Parteien stellen den Fraktionen ihre aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanzierten Büros zur Verfügung.
- Die jährliche Inflationsrate legt das Statistische Bundesamt fest. Ein Anstieg der Schwerter Fraktionsgelder ist erstmals ab 2026 vorgesehen.
- Die Höhe der Fraktionszuwendungen in Schwerte (Einwohnerzahl: ca. 46.000) ist bei 44 Ratsmitgliedern von zuvor 124.900 Euro auf jetzt 146.800 Euro gestiegen. Das sind 21.900 Euro mehr – nicht 30.000 Euro. Zum Vergleich haben wir im Umkreis angefragt: Iserlohn (rund 93.000 EW, 68 Ratsmitglieder) stellt den Fraktionen jährlich Mittel in einem Geldwert von 380.361 Euro zur Verfügung. In Witten (rund 98.200 EW, 64 Ratsmitglieder) ergibt sich insgesamt ein jährlicher Anspruch in Höhe von ca. 421.000 Euro. Unna (58.959 EW, 48 Ratsmitglieder) zahlt 314.400 Euro an Fraktionszuwendungen. In Lünen (87.266 EW) gibt es 56 Ratsmitglieder, die Zahlungen für Miet- und Nebenkosten, Personalaufwendungen, Sockel- und Mitgliedsbeträge nach einem festgelegten Schlüssel erhalten. Insgesamt belaufen sich die daraus resultierenden Fraktionszuwendungen auf jährlich 379.958 Euro.
- Die FS sprechen von Vorteilen für die „etablierten Mehrheitsfraktionen“. Dem Antrag haben insgesamt 41 von 44 Ratsmitgliedern zugestimmt – also auch die kleinen Fraktionen.
- Inwieweit sich die FS der Entscheidung verweigern wollen – und ob sie ihre Zuwendungen möglicherweise für einen guten Zweck spenden wollen – haben sie in der Stellungnahme nicht ausgeführt.
Hinweis: Die Zahlen zu den Fraktionsgeldern in Lünen haben wir ergänzt und den Text vom 10. März 2025 daher noch einmal neu veröffentlicht.