Aus alten Kronkorken bastelt er Ventilkappen, das Holz eines alten Besenstiels nutzt er als Pedalschmuck, eine Blechdose wird zum Getränkehalter und mit einer ausgedienten Jeans ummantelt er den Großteil eines seiner Gefährte: Florian Juch (42) aus Schwerte-Ost schmeißt ungern Dinge weg.
„Ich hasse das“, sagt der Mann mit dem langen Bart und jeder Menge Tattoos. Zum Glück muss er nicht viel wegwerfen. Denn Florian Juch hat viele gute Ideen, um Dingen, die sonst wohl in der Mülltonne landen würden oder schon auf dem Sperrmüll gelandet waren, neues Leben einzuhauchen.
In seiner Kellerwerkstatt hütet er jede Menge solcher Schätze, die gute Chancen haben, noch einmal groß rauszukommen. Und zwar als Teil eines „Beachcruisers“ – oder als Grundlage eines solchen Gefährts. Dazu muss man wissen: Ein Beachcruiser ist kein Rad, das einfach nur den Zweck erfüllt, jemanden von A nach B zu bringen. Es ist auch kein Rad für Wettrennen oder dazu da, um Lasten zu transportieren. Es ist vielmehr ein Vehikel, mit dem man gemütlich herumfahren kann.

Fantasie und Geschick
Und genau daran hat Florian Juch so viel Spaß, dass er selbst angefangen hat, Beachcruiser zu bauen. Seit dem 2016 schraubt er schon an seinen Gefährten herum. Ideen für Projekte gehen ihm nicht aus.
Aus einem alten Kindertretroller möchte er zum Beispiel ein Zweirad für gemütliche Touren machen. Wenn er davon erzählt, dann scheint er das Endergebnis schon vor Augen zu haben, denn die leuchten vergnügt auf, während er seine Pläne skizziert. Die meisten anderen Betrachter des Rollers werden dagegen wohl nur denken: „Der hat seine Zeit doch längst hinter sich!“
Was Florian Juch aber auf dem Kasten hat, das wird klar, als er ein paar seiner Beachcruiser aus einem seiner Kellerräume holt und sie nebeneinander aufstellt. Daran kann man sich kaum sattsehen. Der 42-Jährige hat jede Menge spannender Details verbaut.
Und die Zweiräder haben Besonderheiten, die einem teils zwar erst auf den zweiten Blick auffallen, einen dann aber nicht mehr loslassen. Die originale Jaguar-Kühlerfigur zum Beispiel, die Florian Juch vorne auf seinen Elektro-Cruiser geschraubt hat. „Die wollte ein Kumpel von mir wegwerfen, da habe ich sie mir geschnappt. Die gibt es auch gar nicht mehr zu kaufen.“

Emotionaler Wert
Apropos: Kaufen – oder besser verkaufen. Ab und zu trennt sich Florian Juch auch mal von einem seiner Zweiräder und stellt es zum Verkauf. Allerdings sagt er auch: „Wenn ich mich an einem Rad sattgesehen habe, dann baue ich es einfach wieder um.“
Zum Verkauf kommt daher seltener etwas. Das hat auch einen logischen Grund. „Was die Leute zahlen wollen und was so ein Rad an Materialkosten und Arbeitsstunden tatsächlich wert ist, das deckt sich meist nicht“, sagt Florian Juch. Außerdem hätten seine Räder für ihn einen hohen emotionalen Wert. „Mein Herz hängt daran.“
Von seinen Rädern leben, muss der Schwerter auch gar nicht. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit etwas ganz anderem. Er ist in einem großen Lager für die Lageroptimierung zuständig. Das sei jede Menge Kopfarbeit. Und da kommt ihm das Tüfteln an seinen Rädern ganz recht, um abschalten zu können. „Beim Schrauben kann ich die Zeit vergessen.“ Es kann daher vorkommen, dass er für einige Stunden im Keller verschwindet, um Ideen umzusetzen.

„Mit Kutte unterwegs“
Seine Partnerin nimmt das locker. Dass sie den Kopf zur Kellertür reinstecke, um ihn von seinen Rädern loszureißen, passiere nicht. „Vielleicht gibt es aber mal einen Spruch“, gibt er zu und schmunzelt. Das ist dann aber längst vergessen, wenn sie gemeinsam herumfahren, denn natürlich hat auch Florians Juchs Partnerin einen Beachcruiser, den er kurz von seiner Abdeckhaube befreit, um ihn zu präsentieren.
Gleichgesinnte Schrauber trifft Florian Juch regelmäßig auf großen Treffen, auf denen er sich austauschen und sich inspirieren lassen kann. Oder er nimmt an Benefizausfahrten teil. Auf Instagram ist der Schwerter als „beachcruiser_fj“ unterwegs und hat 3.333 Follower (Stand: 1.8.2024). Und Florian Juch ist Mitglied im Beachcruiser-Club „Radwegaffen“. Mit Gleichgesinnten lässt es sich eben besonders gut „cruisen“.
Ähnlich wie viele Motorradfahrer in ihren Clubs sind die Beachcruiser nämlich auch in Chaptern organisiert. Kutten und Club-Wappen gibt es auch. „Das finden die harten Motorradfahrer übrigens nicht so witzig, wie wir“, erklärt Florian Juch. Und er erinnert sich an eine Szene kürzlich an einem Rockertreff, als er und seine Kumpels von den Rockern sehr grimmig beäugt wurden. „Die hatten wohl Angst, dass wir ihnen die Show stehlen“, sagt der Schwerter und schmunzelt. Und dann folgt sein ansteckendes Lachen, das selbst dem schlechtgelauntesten Rocker ein Lächeln abringen muss.

Beachcruiser
- Ein „Beachcruiser“ beschreibt einen Fahrradtyp mit geschwungener Rahmenform und dicken Ballonreifen. Entwickelt wurde dieser Fahrradtyp in den USA.
- Beachcruiser setzt sich zusammen aus den englischen Worten „beach“ für Strand und „cruiser“ für Kreuzer. Wobei mit „cruisen“ langsames, gemütliches Fahren gemeint ist.