Wie kann man verhindern, dass Kinder und Jugendliche Opfer von Gewalt werden – und wie viele Fälle von Kindeswohlgefährdung gibt es in Schwerte? Dazu hat sich das Jugendamt jetzt ausführlich in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 6. Februar geäußert.
Unter der Sitzungsleitung von Carsten-André Gey wurde den Fraktionsmitgliedern zunächst vorgestellt, wie das Jugendamt im Bereich „Prävention und Kinderschutz“ aufgestellt ist. Klar ist: Die Fachberatungen, die den Paragraphen 8b des Sozialgesetzbuches VIII betreffen, haben in Schwerte häufiger stattgefunden als im Vorjahr. Der Paragraph 8b hat die „Fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen“ zum Inhalt. Das bedeutet, dass Mitarbeitende des Jugendamtes die Menschen unterstützen, die beruflich oder ehrenamtlich Kinder und Jugendliche betreuen.
Insgesamt gab es 64 Fachberatungen dieser Art im Jahr 2024 – im Vorjahr waren es 28 Beratungen gewesen. Beraten wurde vor allem an Schulen (53 Prozent, hier gibt es sogar feste Sprechstunden an zwei Grundschulen), gefolgt von Kitas (20 Prozent) und Trägern (17 Prozent). An Schulen und Kitas werden demnach sehr häufig Sensibilisierungsvorträge gehalten und oft sei es so, dass dann im Nachgang Auffälligkeiten besser bemerkt und entsprechend gemeldet würden.

Bei der Art der Gefährdung sind die Fallzahlen bei Meldungen besonders im Bereich der Vernachlässigung und der körperlichen Gewalt hoch - was daran liegt, dass man diese offensichtlicher wahrnimmt als Merkmale, die beispielsweise auf sexualisierte oder emotionale Gewalt hinweisen. An den Jugendhilfedienst würde allerdings meist nur eine geringe Fallzahl weitergegeben. Dann, wenn sich die Auffälligkeiten tatsächlich als eine Gefährdung herausstellen. Meist handele es sich bei genauerem Hinsehen um Probleme, die man durch Elterngespräche lösen könne.
Darüber hinaus hat das Schwerter Jugendamt im Jahr 2024 Sensibilisierungsvorträge in der Jugendförderung, in Jugendhilfeeinrichtungen, Vereinen und im Ehrenamt gehalten – und diese auch bei der Erstellung von Schutzkonzepten beraten.
Der Austausch ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Unter anderem erfolgen regelmäßige Treffen für das Netzwerk Kinderschutz in Schwerte. Aber auch kreisweit und überregional sei man in ständigem Kontakt. Auch für 2025 sind wieder Treffen geplant, darunter zu den Themen „Psychische Erkrankungen“ oder „Datenschutz im Kinderschutz“. Angedacht ist auch der Ausbau der Zusammenarbeit mit Berufsgruppen, wie zum Beispiel Ärzten.

Kindeswohlgefährdung
Bei der Auswertung der Meldungen von Kindeswohlgefährdung erklärte Daniel Hettermann, der für Erziehungsförderung und -hilfen zuständig ist, dass es im Jahr 2024 insgesamt 182 Meldungen gegeben habe – eine Anzahl, die noch über den Meldungen der „Corona-Jahre“ liege. Insgesamt seien dabei 292 Kinder beteiligt gewesen. Das liegt daran, dass bei manchen Meldungen mehrere Kinder einer Familie betroffen seien. Im Vorjahr hatte es 109 Meldungen mit insgesamt 192 betroffenen Kindern gegeben.
Die meisten Meldungen erfolgten dabei durch Polizei, Feuerwehr und Gericht (27 Prozent), durch Schule, OGS und Kita (21 Prozent), durch Nachbarn oder Familienmitglieder (18 Prozent). Anonyme Meldungen machen 14 Prozent der Meldungen aus.
Gefährdungslage
Beim Alter der betroffenen Kinder im Jahr 2024 zeige sich, dass die Sieben- bis 14-Jährigen mit 40 Prozent den Hauptteil ausmachen. 22 Prozent sind bis zu drei Jahre alt, 23 Prozent sind vier bis sechs Jahre alt. Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren machen 15 Prozent der gemeldeten Fälle aus.
Insgesamt wurden 2024 nach Meldungen von Kindeswohlgefährdungen in Schwerte 28 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen. Im Vorjahr waren es insgesamt 20 Kinder gewesen.
Beim Gefährdungsgrad sei dieser nach einer genaueren Einschätzung der Situation meist niedriger als zum Zeitpunkt der Meldung. In vielen Fällen stelle sich im Nachhinein heraus, dass die Lage doch nicht so dramatisch sei, wie zuerst angenommen. Es handelt sich hier nur um Orientierungswerte. Grundsätzlich sei man eher vorsichtig und nehme anfangs eine höhere Gefährdungseinschätzung vor. Dabei, so betonte Sozialdezernent Kenan Yildiz, arbeiteten die Jugendamts-Mitarbeiter nie „nach der Stechuhr“, wenn es darum ginge, die Situation von Kindern und Jugendlichen in möglicherweise gefährlichen Situationen zu prüfen – und diese unter Umständen auch dort herauszuholen.

Dass 2024 insgesamt mehr Fälle gemeldet wurden als in den Vorjahren, müsse übrigens nicht heißen, dass deren Anzahl gestiegen ist. Vielmehr seien die Meldungen auf die größere Sensibilisierung des Umfelds zurückzuführen. Trotzdem gebe es nach wie vor eine hohe Dunkelziffer.
Insgesamt, so erläuterte Kenan Yildiz, seien um das Jahr 2019 herum nicht nur in Schwerte mehr Verdachtsfälle gemeldet worden. Yildiz sprach in dem Zusammenhang von einem „Peak“, der in vielen Jugendämtern festgestellt worden sei. Das habe mit sehr vielen tragischen Missbrauchsfällen zu tun, die innerhalb kurzer Zeit relativ häufig aufgedeckt worden seien – einer dieser Fälle war der Missbrauchsfall Lügde, bei dem mehr als 40 Kinder über viele Jahre hinweg auf einem Campingplatz schwer sexuell missbraucht worden waren.
Lügde sei nur einer dieser Fälle, erklärte Yildiz, „gleichwohl besonders tragisch, mit sehr vielen Betroffenen“. Das habe zu einer Sensibilisierung der Bevölkerung beigetragen. Zudem würden Jugendämter seitdem eher als Ansprechpartner, denn als „Gegenspieler“ gesehen.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 17. Februar 2025.