Es ist eine kuriose und zeitgleich abenteuerliche Geschichte, die Kerstin Wagner* erlebt hat, weil sie die stolze Summe von 100.000 Euro von ihrem Sparkonto der Postbank an ihr Girokonto der Volksbank überweisen wollte. Nach wochenlangem Warten und stetigen Blicken auf die Kontoauszüge kam das Geld bei Wagner auf dem Konto einfach nicht an.
Schließlich sollte sie das Geld in bar einfach selbst rüberbringen – vom Postplatz in die Kuhstraße. Wie steht es um die rechtliche Lage in diesem speziellen Fall? Wer hätte gehaftet, wenn das Geld auf dem Weg zur Volksbank gestohlen worden wäre?
„Äußerst ungewöhnlich – geht gar nicht“
Bevor der Schwerter Rechtsanwalt Volker Grothstück (59) diese Fragen beantwortet, ordnet er den Fall ein: „Das ist äußerst ungewöhnlich. Von so einem hohen Betrag habe ich das auch noch nicht gehört. Das geht gar nicht.“ Grothstück ist Teil der GMS-Kanzlei mit Sitz am Postplatz in Schwerte, also nur Meter von der Postbank-Filiale entfernt, wo die Geschichte von Kerstin Wagner ihren Anfang nahm.
„Intuitiv hat die Frau richtig reagiert, sich zu wehren, das Geld selbst rüberzubringen“, sagt Grothstück. „Wenn sie alleine zur Volksbank mit den 100.000 Euro in bar gegangen wäre, dann wäre es schwierig geworden, Schadensersatz geltend zu machen.“
Zur Erinnerung: Eine Mitarbeiterin der Schwerter Postbankfiliale hatte Wagner angeboten, mit ihr gemeinsam zur Volksbank zu gehen. Alleine hätte sie es auch nicht machen wollen, sagte Wagner gegenüber unserer Redaktion. Allerdings hatten die Mitarbeitenden den Umschlag mit den 200-Euro-Noten in den Rucksack der 65-Jährigen stecken wollen. Das hatte Wagner aber abgelehnt und daraufhin nahm die Mitarbeiterin selbst den Umschlag mit der hohen Summe in die Hand.

Der Fall ist rechtlich klar
Hätte Kerstin Wagner das Geld selbst zur Volksbank gebracht, hätte es im Schadensfall aufgrund des äußeren Anscheins zu Beweisproblematiken kommen können, ob sie sich das Geld wirklich nicht in bar habe auszahlen lassen wollen. „Die Mitarbeiterin hätte dann sagen können, dass es so gewollt war. Es hätten noch unbeteiligte Zeugen dazu befragt werden müssen“, sagt Volker Grothstück.
Aber so, wie es jetzt gelaufen ist, wäre der Fall ganz klar: „Die Postbank hätte haften müssen, weil die Mitarbeiterin es an sich genommen hat“, erklärt der Anwalt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre solch ein Fall wegen des Imageschadens auch gar nicht erst vor Gericht gelandet, schätzt Grothstück. Sein Fazit: „Das ist kein bankenübliches Vorgehen, das muss man knallhart so sagen.“
Stellungnahme der Postbank
„Selbstverständlich hätten wir im Falle eines Schadens gehaftet“, sagt Postbank-Sprecher Hartmut Schlegel auf Anfrage unserer Redaktion. Der Postbank sei bewusst, dass es sich um kein regelkonformes Vorgehen gehandelt habe – „auch wenn es mit guter Absicht geschehen ist“, so Schlegel.
Die Mitarbeiterin sei nachgeschult worden. Für die Umstände des außergewöhnlichen Vorfalls hatte sich das Unternehmen bei Kerstin Wagner entschuldigt. Die 65-Jährige ist am Ende eigentlich nur froh, dass diese „irre Geschichte“, wie sie sagt, gut ausgegangen ist.
*Kerstin Wagner heißt eigentlich anders. Der richtige Name der Schwerterin ist der Redaktion bekannt. Auf dem Foto ist sie nur von hinten zu sehen. Wir haben uns dafür entschieden, die Geschichte anonym aufzuschreiben.
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