Das naturgrüne Rohrmeisterei-Plateau zugepflastert mit Wohnblöcken fast bis ans Ruhrufer. Die ziegelrote Halle plattgemacht zugunsten eines Parkhauses für die Bewohnerinnen und Bewohner. Das Schaudern ist spürbar im Restaurant unter dem historischen Laufkran, wenn Tobias Bäcker von den Plänen erzählt, die in den 1990er-Jahren im Schwerter Stadtrat geschmiedet wurden.
Doch heißer seien dann der Bürgerprotest und der Kommunalwahlkampf 1999 geworden, in dem sich der CDU-Bürgermeisterkandidat Heinrich Böckelühr für die Rohrmeisterei positioniert habe. Nach seinem Wahlsieg, der die jahrzehntelange SPD-Herrschaft im Rathaus durchbrach, konnte vor 25 Jahren das Abenteuer beginnen, das Schwerte sein weit über die Ortsgrenzen hinaus bekanntes Kulturzentrum brachte.
Pfiffiger Mietvertrag
Am 1. Januar 2000 konnten Tobias Bäcker vom Theaterverein „Ökumenische Jugend 5,4“ und der Rechtsanwalt Michael Schade vom Kunstverein den Mietvertrag für das arg angejahrte Industriedenkmal unterschreiben. Möglich geworden sei das durch einen „Clou“, wie Tobias Bäcker berichtet.
Bürgermeister Böckelühr habe einen kurzfristigen Mietvertrag gewählt, den er als laufendes Geschäft der Verwaltung deklarieren konnte, für das eine Beteiligung der Politik nicht nötig war: „Er verlängerte ihn immer wieder. Aber so kamen wir rein.“ Im Folgejahr sei dann der langfristige Erbbaurechtsvertrag mit der neu gegründeten Bürgerstiftung Rohrmeisterei abgeschlossen worden, in deren Stiftungsvorstand Tobias Bäcker bis heute sitzt.

In einer mehr als provisorischen Atmosphäre stellten die neuen Mieter gleich die ersten Veranstaltungen in der Halle auf die Beine, die zuletzt von der Firma Diederich als Busgarage genutzt worden war. Farb-Aufschriften wie „Schlauch“ und „Bürste“ auf den Holztoren sind aus dieser Zeit im noblen Restaurantbereich ganz bewusst erhalten geblieben.
Die Geschichte des Gebäudes soll auf Schritt und Tritt erlebbar bleiben. Nur natürlich nicht durch den ursprünglichen Boden aus purem Geröll, auf dem im Sommer 2000 zum Welttheater der Straße erstmals eine kubanische Band aufspielte. Wo jetzt die lange Theke steht, begrenzten noch morsche Holzverschläge früherer Arbeitsräume die Fläche. Und für das kleine oder große Geschäft mussten die Gäste zu einem Toilettenwagen vor der Tür gehen.

Löchriges Dach
Aber zumindest notdürftig war alles hergerichtet – samt der Plastikeimer, die das Regenwasser auffingen, das durch das löchrige Dach tropfte. Der Zuspruch gab dem Projekt recht. Im Herbst 2000 ging als erste Großaufführung das Musical „Grease“ noch ohne Bühne über die Bühne. Es gab vielbesuchte Ausstellungen, Konzerte und sogar die Industrie- und Handelskammer zu Dortmund tagte in dem unfertigen Charme.

„Anfangs war es kein strategisches Vorhaben, bei dem absehbar war, was sich daraus entwickelt“, sagt Tobias Bäcker rückblickend. Alles war ja zunächst nur angestoßen von einer Jugendtheatergruppe und dem Kunstverein, die erst einmal einzig und allein ein Ziel hatten: „Wir wollten rein und hier was machen.“
Unterstützung erhielten sie von drei Architekten mit Schwerter Wurzeln, die sich in den Dienst des Vorhabens stellten. Die Büros Lindner/Lohse, Künkler & Bornemann sowie Winkler & Partner entwarfen unentgeltlich das Konzept für den Umbau. Das Papier bildete die Grundlage, um Städtebaufördermittel des Landes NRW zu erhalten. Aber ein Eigenanteil von 30 Prozent – in der Summe 1,2 Millionen Euro – musste immer noch selbst gestemmt werden. Das geschah teilweise sogar mit den eigenen Muskeln: „Die ersten Arbeiten haben wir selbst gemacht.“ Baustrom wurde gelegt, die Wände wurden gestrichen.

Restaurant-Eröffnung 2003
Innerhalb von dreieinhalb Jahren wurden die drei Hallen der Rohrmeisterei nach und nach in Schuss gebracht, sodass immer ein Teil nutzbar und bespielbar blieb. Im Mai 2003 folgte die Eröffnung der Gastronomie, deren Erlöse zum Erhalt des Gebäudes beitragen sollten. „Das Haus trägt sich im laufenden Betrieb ohne einen Cent von der Stadt“, betont Tobias Bäcker. Das war auch am Anfang die Bedingung, als Bürgermeister Böckelühr den Mietvertrag vorlegte.

„Der Spirit war: Neue Projekte machen, was Neues ausprobieren, neue Herausforderungen annehmen, lebendig und abwechslungsreich bleiben“, sagt Tobias Bäcker. Und diese Haltung habe sich wie ein roter Faden durch all die Jahre bis heute gezogen.
Ein paar Schlaglichter: Schon mitten im Umbau gastierte – und seitdem regelmäßig – das Krimifestival „Mord am Hellweg“ samt Landespolizeiorchester in der großen Halle 3. Im Herbst 2015 bildete die Rohrmeisterei als Pionier Flüchtlinge in der Gastronomie aus. Man etablierte das Tanztheater-Festival und entwickelte zuletzt noch im vergangenen Jahr 2024 ein Literatur- und Leseprojekt mit 20 Schulen aus der Region.

Im Jahr des 25. Rohrmeisterei-Jubiläums als Kulturzentrum sei das Thema Literatur- und Leseförderung für den Herbst „noch eine Nummer größer“ geplant, wie Tobias Bäcker verrät. Außerdem möchte er „neue Künstler und Musiker“ in die Hallen holen sowie das Plateau hinter dem Gebäude reparieren und stärker beleben. „Inzwischen muss man auch gucken, dass alles in Schuss ist“, wird nach einem Vierteljahrhundert auch das Thema Instandsetzung immer deutlicher.

Wirtschaftsmesse und Kugelkino
Die Rohrmeisterei sei ein Baustein der Stadtentwicklung, macht Tobias Bäcker deutlich. Sie habe eine Verbindung von der Stadt zur Ruhr geschaffen, die es vorher in dieser Form nicht gegeben habe. Wie ein Wall versperrte schon allein eine hohe Grünabfallhalde des städtischen Bauhofs auf dem Plateau diesen Weg.
Sie war ein Relikt der vielen vorhergehenden Nutzungen der Rohrmeisterei, die ursprünglich den Dortmunder Wasserwerken als Pumpstation für Trinkwasser in die Großstadt diente. Alte Fotos zeigen, wie das Ruhrwasser zuvor in Filterbecken aufbereitet wurde, die in dem Bereich des jetzigen Plateaus ausgehoben waren.
In den 1970er-Jahren richtete die Stadt – inzwischen Eigentümerin – auf dem Gelände ein paar Mal die regionale Wirtschaftsmesse „Schwerter Frühling“ aus, dann träumte ein Verein dort von einem linksautonomen Zentrum. Es blieb genauso eine Luftblase wie das Kugelkino oder Seniorenheim eines Investors, an den die Stadt das Objekt wieder verkauft hatte.
Später erwarb sie es zurück, hatte aber kein Geld für ein Kulturzentrum, wie es der damalige Kulturamtsleiter Herbert Hermes erträumte. Erst mit den Vereins-Akteuren und breiter Unterstützung aus der Stadtgesellschaft kam das Projekt schließlich doch zum Zuge.