Wilhelm Schwerte, Schwerte, Wilhelmstraße. Diesen Stempel drückte der alte Schuster auf seine Quittungen. „Das war damals die geilste Adresse in Schwerte“, sagt Jochen Melzer.
Daran erinnert sich außer ihm aber kaum mehr jemand in der Stadt. In aller Munde ist dagegen die Esskneipe, die der Gastronom mit seinem Bruder Rainer Melzer mit eigenen Händen in der ehemaligen Werkstatt aufgebaut hat: Die „Keule“ ist seit 40 Jahren ein Fixstern in der Schwerter Ausgeh-Szene.

Vorher das „Papillon“ betrieben
Den richtigen Riecher bewiesen die beiden Inhaber, als sie im Jahre 1984 die ehemalige Schuhmacherei neben dem Wilhelmsplatz entdeckten – nicht weit entfernt von der Diskothek „Papillon“ an der Hagener Straße, die sie zu diesem Zeitpunkt betrieben.
Weil sie bemerkten, dass die Disko-Zeit ihren Höhepunkt überschritten hatte, schwirrte ihnen längst eine neue Idee durch den Kopf: eine gemütliche Kneipe mit Essen. „Schön wäre, wenn die Leute an der Theke sitzen und eine Kleinigkeit essen“, stellte sich Jochen Melzer vor. Die Brauerei-Vertreter belächelten diesen Plan damals. Es dauerte nicht lange, und sie wurden eines Besseren belehrt.
Bis es soweit war, war indes jede Menge Schufterei angesagt. „Wir haben fast alles selber gemacht“, erinnert sich Jochen Melzer. Besonders heftig seien die Wochenenden gewesen. Kaum hatten die beiden Brüder frühmorgens den Schlüssel in ihrer Disko herumgedreht, zogen sie ihre Arbeitsklamotten über und legten an der Wilhelmstraße los.
Sie rissen die Schuster-Wohnung ab, stemmten die Fenster wieder frei, die vom Bombenkrieg her noch immer bis auf schmale Lichtscharten zugemauert waren – damit das Glas nicht beim nächsten Angriff schon wieder zersplitterte. Massenweise Aschedämmung rieselte aus der abgehängten Decke herab, deren Beseitigung den schönen, hohen Thekenraum entstehen ließ. Die hölzerne Galerie gegenüber dem Tresen war natürlich auch Eigenbau. Nur die Elektrik überließ man Fachleuten.
Immer wieder vergrößert
Während der ganzen Schufterei fiel auf einmal auch der Groschen für den künftigen Namen. „Wir suchten was Rustikales“, erzählt Rainer Melzer: „Im Umbau kam dann irgendwie der Begriff: Das ist ‘ne Keule.“ Die wurde auch als monumentales Wappen an die Seitenwand gehängt – gefertigt aus Nadelholz in Österreich.
Von vielen Regenjahren durchweicht und angefault, musste es vor einigen Jahren aus Sicherheitsgründen abgenommen werden. An dieser Stelle ist heute der Wintergarten, dessen echte Weinreben im Innern schon zu armdicken Ranken ausgewachsen sind.

Umbauten und Verbesserungen nahmen die Melzer-Brüder regelmäßig an ihrer Keule vor, deren Räumlichkeiten sie schon kurz nach dem Start vom damaligen Vermieter kaufen konnten. Später übernahmen sie auch noch das Nachbarhaus, in dem sich vorher die Maranatha-Gemeinde versammelt hatte.
Schall- und brandschutztechnisch auf Top-Niveau gebracht, sollte der neue, große Raum eigentlich zum Raucherbereich werden. Doch der – so verlangten die Vorschriften – hätte keine direkte Verbindung zur Kneipe haben dürfen, sodass ihn die Gäste nur durch ein Rein und Raus über den Bürgersteig hätten erreichen können. Also entstand stattdessen ein Saal.
Küche bis 4 Uhr am Wochenende
„Am Wochenende kommen schon mal ganze Trupps oder Vereine und mieten den ganzen Raum“, sagt Jochen Melzer. Er hat viele Stammgäste, oft schon aus mehreren Generationen. Die zeitlichen Abstände, in denen sie mal wieder zur Tür hereinkommen, sind unterschiedlich. Aber sie genießen jedes Mal die einmalige Atmosphäre mit den Eichen-Tischen und -Bänken und den Tierfellen an der Wand.
Und natürlich die außergewöhnlich lange Küchenzeit: An Wochenenden wird der Herd nicht vor 4 Uhr kalt, in der Woche nicht vor 1 Uhr. Das hatte sich sogar bis zu den Croupiers der Spielbank Hohensyburg herumgesprochen, die oft nach Feierabend noch schnell einen Tisch bestellten und sich auf den Weg machten.

Parken ist ja kein Problem, seit die Keule ihren eigenen Parkplatz auf dem früheren Tankstellengelände an der Ecke Wilhelmstraße/Kantstraße angelegt hat. 24 Stellplätze in Sichtweite des Eingangs, die nicht nur weibliche Gäste schätzen. „Der Parkplatz ist das A und O“, erklärt Jochen Melzer.
Sein Nutz-System ist genial: Tagsüber werden die Flächen an Berufstätige aus der Innenstadt vermietet, die wieder nach Hause gefahren sind, wenn um 18 Uhr die Kneipe öffnet. Sie ist an 363 (in diesem Schaltjahr sogar an 364) Tagen im Jahr für ihre Gäste da. Heiligabend und Silvester sind die einzigen Ruhetage. „Da will keiner vom Personal arbeiten“, weiß Jochen Melzer. Darauf nimmt man Rücksicht. Denn gute Mitarbeiter seien sehr schwer zu bekommen: „Im Moment ist alles gut.“
D-Mark ist keine Währung mehr
Die Gäste mit Getränken und Speisen zu versorgen, das muss laufen wie am Schnürchen in dem großen Lokal. Besonders gefragt von der Karte sind Salate und Steaks. „Wir haben nur argentinische Steaks“, verrät Jochen Melzer sein Geheimnis. Als Abwechslung schreibt er wechselnde Monatsgerichte mit Kreide auf die große Schiefertafel. Die ermöglicht dem Inhaber gleichzeitig Testläufe. Was oft bestellt wird, hat eine Chance, ins Dauerprogramm aufgenommen zu werden.

Bezahlen konnten die Gäste bis zum vergangenen Jahr übrigens noch mit der guten, alten D-Mark. Sie hatte in der Keule ein Refugium, bis die Mengen so wenig wurden, dass sich die gesonderte Kasse und das Umtauschen bei der Landeszentralbank in Dortmund nicht mehr lohnte. Einige Münzen und Scheine zeigen sich unter einer dicken Schutzschicht aus Epoxydharz aber noch als origineller Fußbodenbelag.
Jubiläumsfest am 4./5. Oktober
Eröffnet wurde die Keule exakt am 5. Oktober 1984. Passenderweise fällt der Jubiläumstag in diesem Jahr genau auf ein Wochenende, sodass die große Feier am 4. (Freitag) und 5. (Samstag) Oktober steigen kann. Geplant sind Live-Musik mit Stefan Käßner und anderen Akteuren sowie ein DJ-Abend.
Die Verstärkeranlage, die die Geisecker Firma Mainmix dafür in den Saal einbaut, bleibt anschließend fest installiert. Ab und zu – so verrät Jochen Melzer – könne man dann Konzerte veranstalten: „Wir wollen aber keine Musikkneipe draus machen.“ Keule bleibt Keule.