Neue glasierte Pfannen glänzen auf Teilen des Daches im Sonnenlicht. Weitere liegen aufgestapelt vor der Fassade der Rettelmühle. Daneben sind Bauschutt, ausgeräumtes Mobiliar, Leitern und Paletten zu erkennen.
Es hat sich offensichtlich einiges getan an dem traditionsreichen Restaurant an der Ortsgrenze zwischen Westhofen und Wandhofen, das schon seit anderthalb Jahrzehnten auf seine dauerhafte Wiederbelebung wartet. Auch wenn das Gelände an diesem Donnerstag (18.4.) wie verlassen scheint, kein Handwerker zu sehen oder zu hören ist.
2021 an Dortmunder verkauft
Vor knapp drei Jahren war bekannt geworden, dass ein Dortmunder Kaufmann das Objekt erworben hatte, um die Räume nicht nur für einen Restaurantbetrieb, sondern auch für Hochzeiten, Partys und andere Veranstaltungen anzubieten. „Wir haben es verkauft“, bestätigte jetzt noch einmal Elka von Bormann von der Gräflich von Stosch’schen Erbengemeinschaft, der das Gelände zuvor gehörte. Der neue Besitzer habe „nach wie vor was vor, aber offensichtlich keine Eile“. Der Redaktion ist es bislang nicht gelungen, ihn persönlich für eine Stellungnahme zu erreichen.

Das schön im Grünen gelegene Lokal hätte es verdient, endlich aus seinem Dornröschenschlaf geweckt zu werden. Solche Pläne hatten zuvor schon mehrere potenzielle Betreiber aufgegeben. Als Erste hatte Anfang 2010 eine Verwaltungsmitarbeiterin eines Wuppertaler Seniorenheims ihr Herz so stark an das Objekt verloren, dass sie spontan den Entschluss fasste, unter die Gastronomen zu gehen.
Vor Augen schwebte ihr eine Multifunktions-Gaststätte mit Mühlensaal und Mühlenlonge – ein Ausflugsziel mit à-la-Carte-Küche, Kuchenbüfett und den technischen Voraussetzungen für unterschiedliche Veranstaltungen von Vorträgen bis Konzerten.
Mühlteich wurde verfüllt
Doch die bloße Renovierung entwickelte sich für die Pächterin zu einer umfangreichen Sanierungsaufgabe. Mehrfach musste sie die angepeilte Eröffnung verschieben. Schließlich zog sie Ende Juli 2011 wieder aus. Die Familie von Stosch musste sich erneut auf Mietersuche machen. Der alte Mühlteich vor dem Gebäude war inzwischen zugekippt und zu einer Grünfläche geworden.

Nicht nur ein Pächter, sondern ein Käufer wurde dann Ende 2015 mit einem Schwerter gefunden, der sofort tatkräftig an die Neugestaltung ging. Im Mittelpunkt seiner Vision standen ein künstlicher Sandstrand vor der Tür und eine gemütliche Location, wo man per Sender Sky auf dem 103-Zoll-Großfernseher Fußballspiele erleben konnte. Anfang 2017 folgte nach aufwendiger Modernisierung und Auseinandersetzung mit den Behörden tatsächlich die Eröffnung.
Fußball-Modell scheiterte
Allerdings erwies sich das Geschäftsmodell – wie der Betreiber im Oktober 2017 erklärte – bald als nicht tragfähig. Zu teuer seien die Lizenzkosten für die Fußball-Übertragungen gewesen, die viele Fans inzwischen sowieso zu Hause verfolgten. Deshalb wollte er zunächst nur noch den Saal für Feiern, Tagungen und andere Veranstaltungen vermieten, um die Rettelmühle später als Ausflugslokal zu führen. Die Träume platzten. Schließlich wurde der Kaufvertrag rückabgewickelt.

Anfang 2020 ging die Gaststätte zurück in den Besitz der Erben von Stosch, die mit dem aktuellen Käufer schon bald darauf einen neuen Liebhaber für das geschichtsträchtige Objekt am Wannebach finden konnten.
„Anno 1676“ – so verrät es eine Inschrift – wurde das Fachwerkhaus errichtet, das zum nahen Adelssitz Haus Ruhr gehörte. Es war neben der Schwerter Mühle die einzige Kornmühle weit und breit. Die Pächter verdienten sich ein Zubrot, indem sie den Bauern die Wartezeit beim Mahlen mit einem Schnaps verkürzten. Daraus entwickelte sich die Gastronomie, deren Attraktion die Gondelfahrten auf dem Mühlteich bildeten.
Legendär war auch der Affe, der sich in den 1950er-Jahren in seinem Käfig füttern ließ – und bei schlechter Laune auch schon mal durch die Gitterstäbe einen Gast an der Krawatte packte.