Mord-Drohungen im Rathaus am Stadtpark in Schwerte „Unsere Mitarbeiter sind kein Freiwild!“

Mord-Drohungen im Rathaus am Stadtpark: „Mitarbeiter sind kein Freiwild“
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Knapp eineinhalb Jahre ist es her, dass Mitarbeitende des Sozial- und Jugendamtes in Schwerte so massiv bedroht wurden, dass das Rathaus am Stadtpark zwischenzeitlich sogar die Türen „dicht machen“ musste. Jetzt häufen sich erneut Vorfälle von Gewalt- und sogar Mordandrohungen. Was kann die Stadt unternehmen, um ihre Mitarbeitenden zu schützen?

Zuerst war es im März 2023 zu massiven Drohungen gekommen. Der damalige Erste Beigeordnete Tim Frommeyer hatte erklärt, aus Sicherheitsgründen müsse man schließen: „Der Ton wird ein anderer, die Fälle treten vermehrt auf.“

Die Polizei Unna hatte zu diesem Zeitpunkt verbal ausgesprochene Drohungen bestätigt. Es hieß auch, dass langfristig eine Lösung angestrebt werde. Zwischenzeitlich gab es einen Security-Dienst. Zulassregelungen oder die Beibehaltung der Terminbasis standen ebenfalls zur Debatte.

Die Tiefgarage unter dem Rathaus am Stadtpark in Schwerte
Die Tiefgarage unter dem Rathaus am Stadtpark. © Martina Niehaus

Lage entspannte sich zunächst

Dann entspannte sich die Situation wieder. Im Juli 2023 hieß es, man habe an der Sicherheit der Räume gearbeitet. Der Security-Dienst wurde zunächst beibehalten – gleichzeitig kehrte man zu den regulären Öffnungszeiten zurück.

Doch zum 31. Dezember lief der Vertrag mit dem Sicherheitsdienst aus. Eine Art Schleuse sorge seitdem für mehr Sicherheit, teilte die Stadt auf erneute Anfrage unserer Redaktion im Mai 2024 mit. Das Konzept habe sich bewährt. Die Beschäftigten hätten die Regelung als „sehr angenehm“ empfunden und fühlten sich seitdem sicherer, hieß es.

Weitere Maßnahmen seien Fortbildungen in Deeskalationstechniken und Selbstverteidigung. Außerdem biete man „Beratungsmöglichkeiten nach Bedrohungssituationen“ an.

Bürofenster im Rathaus am Stadtpark in Schwerte
Einige der Bürofenster befinden sich unter Treppenaufgängen. © Martina Niehaus

Gefährderansprache

Doch nur wenige Wochen nach unserer Anfrage fühlen sich die Mitarbeitenden im Rathaus am Stadtpark offenbar alles andere als sicher. Es gab innerhalb kürzester Zeit erneut massive Bedrohungen – auch Mord-Drohungen. Wie die Polizei Unna auf Anfrage bestätigt, wurden diese auch angezeigt.

„Aus dem Zeitraum vom 4. bis zum 20. Juni 2024 liegen uns mehrere Strafanzeigen wegen Beleidigung und Bedrohung gegen männliche und weibliche Mitarbeitende des Sozialamtes vor“, bestätigt Polizei-Pressesprecherin Vera Howanietz. „Die Taten wurden über Soziale Medien kommuniziert. Zu tätlichen Angriffen ist es nicht gekommen.“

Bei dem 33-jährigen Täter sei eine Gefährderansprache durchgeführt worden. Die Verfahren seien in der Bearbeitung. Gegen verbale Drohungen in Sozialen Netzwerken könne man sich nicht schützen. „Es ist auf jeden Fall wichtig, dass sie zur Anzeige gebracht werden, da die Polizei sonst nicht gegen die Täter vorgehen kann.“

Die Gebäudeseite zum Stadtpark hin.
Die Gebäudeseite zum Stadtpark hin. © Martina Niehaus

Hinzu kommt ein Polizeieinsatz im Rathaus am Stadtpark, der sich dort am 1. Juli abgespielt hat: Streifenwagen standen vor dem Rathaus. Auf Anfrage bestätigt die Polizei, dass es einen Einsatz gegeben habe. Dabei habe es sich um sogenannte „Amtshilfe“ für das Jugendamt gehandelt. Worum es genau ging, wollte man nicht sagen.

Das Rathaus am Stadtpark in Schwerte
Viele Ecken im Außenbereich werden regelmäßig als Unterschlupf genutzt. © Martina Niehaus

Mord-Drohung

Der neue Erste Beigeordnete sowie Sozial- und Jugenddezernent der Stadt Schwerte, Kenan Yildiz, erklärt auf Anfrage unserer Redaktion: „Die Polizei ist im Rahmen der Amtshilfe aufgrund einer zu erwartenden Eskalationssituation mit tätlichen Übergriffen gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes hinzugezogen worden, da eine Mord-Drohung gegen eine städtische Mitarbeiterin ausgesprochen wurde.“

Die Polizei sei frühzeitig vor Ort gewesen, um den „zwingend erforderlichen persönlichen Kontakt zu der die Bedrohung aussprechenden Person“ zu sichern.

Yildiz betont, dass die Mitarbeitenden von Sozialamtsleiterin Christiane Klanke und Jugendamtsleiter Andreas Pap in „teils gefahrgeneigten beziehungsweise konfliktträchtigen Bereichen“ tätig seien. „Das tun sie mit großer Leidenschaft, Engagement und im Interesse unserer Schwerter Mitbürgerinnen und Mitbürger.“ Dafür sei er zutiefst dankbar. „Und das mag auch erklären, warum ich jeden körperlichen oder verbalen Angriff auf meine Kolleginnen und Kollegen auch als direkten Angriff auf mich empfinde: Wir sind ein Team!“

Das Rathaus am Stadtpark in Schwerte
Mitarbeitende des Jugend- und Sozialamtes sind wieder massiv bedroht worden. © Martina Niehaus

Bei Übergriffen oder Bedrohungen werde er umgehend informiert. Alles werde zur Anzeige gebracht. Trotzdem räumt Kenan Yildiz ein: „Aufgrund der zunehmenden Anzahl an Bedrohungssituationen mit kurzen zeitlichen Abständen ist das Sicherheitsgefühl der städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abnehmend.“ Gespräche zur Sicherheit am Arbeitsplatz fänden weiterhin regelmäßig statt.

Würde die erneute Einführung eines Sicherheitsdienstes Sinn ergeben? Yildiz bejaht dies – allerdings könne ein solcher Dienst allein aufgrund der unterschiedlichen Arbeitszeiten und Tätigkeiten der Mitarbeitenden keinen hundertprozentigen Schutz bieten.

Schmierereien an den Wänden des Rathauses am Stadtpark in Schwerte
Schmierereien an den Wänden müssen regelmäßig entfernt werden. © Martina Niehaus

Schutzkonzept

Die Thematik eines umfassenden Schutzkonzepts sei erst kürzlich mit der Verwaltungsspitze besprochen worden, „weitere Maßnahmen baulicher Natur stehen kurz vor der Fertigstellung“. Man müsse sich an die Begebenheiten immer wieder anpassen, um das Kollegium bestmöglich schützen zu können. „Wobei es leider eine hundertprozentige Sicherheit nicht geben wird, nirgendwo im Leben – das gehört zur Wahrheit dazu.“

Zu baulichen Veränderungen erklärt der Erste Beigeordnete: „Eine Sicherheitsschleuse ist eingerichtet worden, sodass kein unkontrollierter Zugang erfolgen sollte.“ Weitere Maßnahmen, wie der Ersatz von Türklinken durch Knäufe und die Verminderung der Aufenthaltsqualität, zum Beispiel durch den Abbau von Bänken und die Verschließung von Treppenunterräumen, seien eingeleitet worden. „Ich bitte um Verständnis, dass wir nicht alle Maßnahmen und Konzepte öffentlich machen können, im Interesse und zum Schutz unserer Kolleginnen und Kollegen.“

Eine Hugo-Flasche steht auf einer Treppe.
Die Hinterlassenschaften lassen darauf schließen: Hier wird häufig Alkohol konsumiert. © Martina Niehaus

Maßnahmen sind sicher auch im Außenbereich dringend notwendig. Grundsätzlich vermittelt das Rathaus am Stadtpark selbst bei einem kurzen Rundgang nämlich nicht gerade den Eindruck von Sicherheit. Es gibt viele Ecken, an denen sich häufig Personen aufhalten, die Alkohol bzw. Drogen konsumieren. Das erschließt sich auch aus deren Hinterlassenschaften. Sekt- und Schnapsflaschen, Scherben und Kleidungsfetzen liegen herum. An manchen Stellen sieht es aus, als würde dort im Schutz von Mauervorsprüngen übernachtet.

Einige der Bürofenster befinden sich genau an solchen „Schmuddelecken“ – manche direkt unter Treppenaufgängen. Eine sichere Arbeitsatmosphäre scheint dort kaum möglich zu sein; eine Verschließung der Treppenunterräume würde hier sicher Sinn ergeben.

Viele Nischen und Ecken gibt es am Rathaus am Stadtpark in Schwerte.
Viele Nischen und Ecken gibt es hier. Sie werden offensichtlich auch rege genutzt. © Martina Niehaus

„Große Herausforderung“

„Der Außenbereich trägt zu einem ‚Unwohlfühlen‘ bei“, sagt auch Kenan Yildiz. Abhilfe könnte durch den Ausbau der Ordnungspartnerschaft mit der Polizei, eine regelmäßige Bestreifung, direkte Ansprache und Ahndung von Fehlverhalten geschaffen werden. „Wir werden den Außenbereich des Gebäudes weiter entwickeln.“

Damit wäre sicher auch der gegenüberliegenden Friedrich-Kayser-Schule geholfen, mit der Yildiz ebenfalls in engem Kontakt steht. „Wir ziehen am selben Strang.“ Das Umfeld sei für Lehrkräfte, Kinder und deren Eltern eine große Herausforderung.

Die bisher eingeleiteten Maßnahmen seien noch nicht das Ende, verspricht der Erste Beigeordnete. Sicherheitskonzepte lebten von ihrer Anpassung und Weiterentwicklung. „Ich nehme wahr, dass einige wenige dem Irrglauben erlegen sind, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sozial- und Jugendamt Freiwild seien – dem stelle ich mich entschieden entgegen“, sagt Kenan Yildiz. Daher seien bereits am Freitag (12.7.) weitere Schritte geplant worden.

Schmierereien an den Wänden des Rathauses am Stadtpark in Schwerte
Klare Ansprachen an der Wand. Die Schmierereien werden regelmäßig entfernt. Dann gibt es wieder neue „Kunstwerke“. © Martina Niehaus