Keine Post mehr im Postamt Über 100 Jahre war der Prachtbau ein Treffpunkt in Schwerte

Keine Post mehr im Postamt: Über 100 Jahre ein Treffpunkt der Schwerter
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Um „Diskretion“ bittet das gelbe Schildchen auf dem Abstandshalter vor dem Schalterbereich – unterzeichnet mit „Deutsche Post“. Die beim Auszug vergessene Tafel ist wohl der letzte Hinweis, der an die ursprüngliche Nutzung der historischen Hauptpost am Postplatz 5 in Schwerte erinnert.

Seit dem 4. Juni 2024 werden dort keine Einschreiben oder Pakete mehr abgefertigt. Nicht einmal Briefmarken sind noch zu haben. Die Post ist ausgezogen, das Logo ihres Tochterkonzerns DHL von der Lichtreklame neben der Eingangstür entfernt.

Eine Postkarte aus dem Jahr 1913 zeigt die Post in Schwerte.
„Partie am Kaiserlichen Postamt“ ist die Postkarte aus dem Jahre 1913 betitelt. Bemerkenswert ist der offene Balkon über dem Haupteingang. © Sammlung Frank Wiedenbruch

Gebaut von 1905 bis 1910

Zurückgeblieben ist eine reine Filiale der Postbank, deren Mitarbeiterinnen sich in diesen Tagen fast wie Beschäftigte einer Auskunftsstelle fühlen müssen. Denn ständig kommen Postkunden die Treppen zu ihnen herauf, die sie mit großer Geduld an die neue Postfiliale Schwerte-Mitte im Lotto- und Tabakwarengeschäft von Klaus Schauerte an der Mährstraße 5 weiterleiten.

Mit sicherem Blick werden diese oft schon aus der Warteschlange herausgefischt und aktiv angesprochen, damit sie nicht unnötig anstehen müssen.

Nach mehr als einem Jahrhundert werden sich die Schwerterinnen und Schwerter an die neuen Wege erst noch gewöhnen müssen. „Mal eben zur Post“, damit war eigentlich immer der stadtprägende Prachtbau gemeint, den die Kaiserliche Post in den Jahren 1905 bis 1910 ungefähr in der Mitte der Verbindung vom Bahnhof zum Marktplatz errichtet hatte.

Weichen musste diesem Projekt die klassizistische Villa des Amtsrichters Brügmann. Deren Fachwerk wurde sorgsam in seine Einzelteile zerlegt und später am Talweg 16/18 wieder aufgebaut. Zurück blieb lediglich der Kastanienbaum im Vorgarten. Bekannt als „Postkastanie“, lockt er im Herbst immer noch die Kinder zum Sammeln seiner braunen Früchte an.

Beginn eines neuen Viertels

Die repräsentative Post- und Telegrafenstation sollte den Eingang des modernen Stadtviertels markieren, das im Zuge der Industrialisierung außerhalb der früheren Wälle entstanden war. Auf alten Postkarten thront auf dem Dach sogar noch ein Türmchen, aus dem die Telefondrähte herausführten.

Mehrfach veränderte das Gebäude sein Gesicht. Ursprünglich gab es sogar einen Balkon auf der Etage, wo die wichtigen Beamten in ihren Büros residierten. Selbst, wer eine Monatskarte für die Postbuslinie nach Unna benötigte, musste sich dort einen Stempel abholen.

Der Saal im Obergeschoss der Post in Schwerte ist leer.
Der riesige Saal im ersten Obergeschoss des Postgebäudes, in dem früher die Briefträger ihre Sendungen nach Straßen und Hausnummern sortierten, wurde vor einigen Jahren zu Büroräumen für eine Anwaltskanzlei umgebaut. © Reinhard Schmitz (A)

Besonders geschäftiges Treiben herrschte bis vor gar nicht so langer Zeit noch in dem riesigen Saal in der ersten Etage, wo die Briefträgerinnen und Briefträger in aller Herrgottsfrühe die Sendungen für ihre Zustellbezirke sortierten. Für jeden gab es einen Schrank mit unzähligen kleinen Fächern mit den jeweiligen Straßennamen – ein unvorstellbarer Aufwand.

1995 wurde einmal verraten, dass dort jeden Monat mehr als eine Million Briefe durch die Hände der Mitarbeiter gingen. Wie viele Postkarten und Kuverts auf dem umgekehrten Wege von Schwerte in die Welt geschickt wurden, ist leider nicht bekannt.

Verkauf an einen Investor

Im Zuge der Privatisierung der früheren Bundespost und der Aufteilung in die drei Unternehmen für Postdienste, Telefon und Postbank stand nach den Wendejahren auch irgendwann das Postamt zum Verkauf. Das Erdgeschoss wurde noch einmal aufwendig umgebaut für die Postbank, die hier ein Finanzcenter einrichtete, das im Auftrag der Deutschen Post zunächst den Brief- und Paketbetrieb mit übernahm.

Die lange Reihe der Postfächer, auf die man früher vom Eingang aus geradeaus zulief, wurde in den Bereich der ehemaligen Paketaufgabe am Nebeneingang Rathausstraße verlegt. Dabei verschwand auch das kleine Fenster, wo man sich Ferngespräche ins Ausland vermitteln lassen konnte. Das alles schuf Platz für einen großzügigen Schalterbereich. Dessen ehemaliger Standort rechts hinter dem Eingang wurde zu Bank-Beratungsräumen.

Bis 1954 fuhr die Straßenbahn nach Hörde am Postamt von Schwerte vorbei, das den Eingang in ein neu gebautes Stadtviertel markierte. Die Schienen der Tram sind im Pflaster Richtung Bahnhof zu erkennen.
Bis 1954 fuhr die Straßenbahn nach Hörde am Postamt vorbei, das den Eingang in ein neu gebautes Stadtviertel markierte. Die Schienen der Tram sind im Pflaster Richtung Bahnhof zu erkennen. © Sammlung Rudolf Kassel

Der weitläufige Posthof am Senningsweg, wo einst der Fuhrpark abgestellt war, wurde mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Pläne, ihn für einen modernen, zentrumsnahen Netto-Markt zu nutzen, hatte die Stadt Schwerte zuvor vereitelt.

Aufwendig umgebaut wurden von den neuen Eigentümern auch die oberen Etagen des denkmalgeschützten Postamts. Sie bieten heute beispielsweise Räume für eine Anwaltskanzlei und Wohnungen in begehrter Lage. Im Erdgeschoss ist weiterhin die Postbank zu finden, die sich fortan nur noch auf ihr Kerngeschäft konzentriert. Briefmarken vom Bänker – das war einmal.