Im Schwerter Rettungsdienst gibt es offenbar ein massives Personalproblem. Laut einer Person aus dem Umfeld des Feuerwehr-Rettungsdienstes, die sich anonym an unsere Redaktion gewandt hat, sind derzeit so viele Stellen unbesetzt, dass teilweise Rettungswagen nicht oder nicht ausreichend eingesetzt werden können.
Aktuell seien es neun vakante Stellen, zuzüglich vier langzeiterkrankter Einsatzkräfte. Es gebe mehrere Feuerwehrleute, die die Feuerwehr in naher Zukunft verlassen würden oder in jüngerer Vergangenheit verlassen hätten.
Das habe zunächst Auswirkungen auf die Belastung der Einsatzkräfte. Viele müssten Überstunden machen, da sie für erkrankte oder anderweitig ausgefallene Kolleginnen und Kollegen einspringen. Sie arbeiteten dadurch ebenfalls am Limit. Das schaffe ein hohes Maß an Belastung und erneute Krankheitsfälle.
Vor allem aber gebe es auch konkrete Auswirkungen auf die Besetzung der Rettungsdienste – denn ohne genügend Personal kann man keine Einsatzwagen besetzen.

Mehr Einsätze
Im Kreis Unna gibt es einen Rettungsdienstbedarfsplan (RDB), dessen fünfte Fortschreibung seit dem 1. Januar 2024 gilt. Der Plan soll dafür sorgen, dass der Rettungsdienst „bedarfsgerecht und flächendeckend organisiert werden kann“, so der Kreis Unna. Das hat der Kreis als Träger des Rettungsdienstes zu gewährleisten.
Angesichts deutlich gestiegener Einsatzzahlen hat sich auch der Personal- und Materialbedarf erhöht. So sollen in Schwerte drei Rettungstransportwagen (RTW) im 24-Stunden-Dienst vorgehalten werden – sowie ein vierter RTW an allen Tagen der Woche von 7 bis 19 Uhr. Das ist dann ein sogenannter Tages-RTW. Das ergibt sich aus einer Tabelle, die man im RDB auf der Seite 96 findet (SOLL-Vorhaltung der Rettungsmittel, Tabelle 31, Kapitel 8.2).
Die Umsetzung durch die Kommunen müsse „unverzüglich und ohne schuldhaftes Zögern“ erfolgen. Die Träger der Rettungswachen (Städte) und des Rettungsdienstes (Kreis) besprechen sich dazu halbjährlich.
Aktuell gebe es in Schwerte jedoch nur zwei Rettungswagen im 24-Stunden-Dienst und einen dritten RTW im Tagesdienst (7-19 Uhr), so der anonyme Hinweisgeber. „Besagter dritter RTW muss immer wieder außer Dienst genommen werden aufgrund von Personalmangel.“ Man sei „meilenweit davon entfernt“, einen vierten RTW in Dienst zu stellen, da selbst die Besetzung des dritten RTW im Tagesdienst – ganz zu schweigen von den geforderten 24 Stunden – nicht durchgehend gewährleistet werden könne.
So komme es regelmäßig vor, dass das HLF (Löschfahrzeug) im Tagesdienst unterbesetzt sei – mit vier anstatt sechs Leuten – um den dritten Rettungswagen überhaupt besetzen zu können. „Nach 19 Uhr gehen die Kollegen des Rettungswagens dann wieder auf das Löschfahrzeug.“ Die Vakanzen würden dazu führen, dass bei Rettungseinsätzen zum Teil Feuerwehren aus Holzwickede, Unna, Hagen und Dortmund dazukommen müssten.
Zehn unbesetzte Stellen
Wir haben bei der Stadt Schwerte nachgefragt. Dazu erklärt Stadt-Pressesprecher Ingo Rous am Dienstag (11.6.): „Aktuell stehen im Rahmen des vom Rat der Stadt Schwerte verabschiedeten Stellenplans unter Berücksichtigung des Rettungsdienstbedarfsplanes 78 Stellen für den Aufgabenbereich Feuer- und Rettungsdienst zur Verfügung. Stichtagsbezogen sind zehn (Vollzeit-)Stellen unbesetzt. Ausschreibungen und Einstellungsgespräche finden laufend statt.“
Auch die Abmeldung von Fahrzeugen räumt die Stadt ein. Grundsätzlich würden alle Fahrzeuge in der Vorplanung besetzt, jedoch temporär außer Dienst genommen, „falls an dem Tag mehrere Krankmeldungen erfolgen“. Bei den Fahrzeugen im Rettungsdienst und im Brandschutz sei zurzeit „von einer durchschnittlichen zehnprozentigen Unterbesetzung im Jahr auszugehen“.
Der Kreis Unna erklärt auf Anfrage, der Personalmangel im Rettungsdienst sei bekannt, aber nicht nur in Schwerte ein Problem. „Das gibt es in Rettungswachen in ganz Deutschland.“ Auch in anderen Städten und Gemeinden im Kreis komme es vor, dass Rettungsmittel abgemeldet werden müssten.
Pressesprecher Max Rolke betont: „Wichtig ist jedoch, dass der Rettungsdienst in Schwerte jederzeit sichergestellt werden kann.“ Die Rettungsdienste seien über die Leitstellen eng verzahnt. „Wenn ein Rettungswagen in Schwerte etwa gebunden ist und kein weiteres Notfallrettungsmittel aus Schwerte verfügbar ist, kommt immer das nächste freie Rettungsmittel – egal ob zum Beispiel aus Dortmund, Hagen oder Holzwickede. So wird jederzeit sichergestellt, dass Hilfe dort ankommt, wo sie benötigt wird.“
„Aushelfen ist üblich“
Die aktuelle Vorhaltung entspreche der letzten RDB-Planung, so die Stadt Schwerte. Dass Feuerwehren aus anderen Gemeinden aushelfen, sei „im Tagesgeschäft durchaus üblich und nicht zu vermeiden“. Das Abziehen von Einsatzkräften von Löschfahrzeugen sei ebenfalls üblich.
„Auch das wird seit Jahren schon praktiziert, da der Rettungsdienst eine höhere Priorität hat. Im Brandschutz steht im Bedarfsfall eine leistungsfähige Freiwillige Feuerwehr zur Verfügung“, erklärt der Stadt-Pressesprecher.

Wie aber kann die Stadt den RDB innerhalb der nächsten fünf Jahre umsetzen? Dazu verweist Ingo Rous zunächst auf den Neubau der Feuer- und Rettungswache, mit dem Fahrzeuge und Personal „adäquat untergebracht“ werden könnten. Das benötigte zusätzliche Fahrzeug werde in einem Vergabeverfahren beschafft.
Auf das Problem des Personalmangels angesprochen, heißt es, dass man neben der laufenden Stellenausschreibung vermehrt auf die Ausbildung von Feuerwehrbeamten sowie Notfallsanitätern setze.
Bereits im Jahr 2023 sei daher das Ausbildungskontingent im Bereich der Notfallsanitäter von einem auf drei erhöht worden. Für 2024 würden anstatt fünf insgesamt sieben Auszubildende eingestellt. Auch zukünftig solle mehr als bedarfsorientiert ausgebildet werden.
Notfallsanitäter sind rar
Auch beim Kreis setzt man auf Ausbildung. „Klar ist: Notfallsanitäter werden überall gesucht und sind nicht ohne Weiteres kurzfristig einzustellen.“ So würden jedes Jahr 28 Notfallsanitäter ausgebildet. Ergänzend dazu würden anlassbezogen 2024 15 weitere Notfallsanitäter ausgebildet. Auch für 2025 sei ein größerer Bedarf von 15 zusätzlichen Ausbildungsplätzen angemeldet.
Um den Bedarfsplan umzusetzen, arbeite der Kreis mit den Städten „eng und vertrauensvoll“ zusammen. Letztlich gehöre die Mitarbeitergewinnung zu den Aufgaben der Stadt.
Dazu gehört es auch, das vorhandene Personal zu halten. Nach Aussagen aus dem Umfeld des Rettungsdienstes sei einer der Gründe für die hohe Fluktuation die vergleichsweise schlechte Bezahlung. „Da übernehmen Kollegen Aufgaben, für die sie höher besoldet werden müssten.“ So könne man „keine neuen Leute gewinnen und keine guten Leute halten“.
Auch zur Bezahlung des Personals hat sich die Stadt geäußert. Die Beamten würden „entsprechend ihrer individuellen Qualifikation unter Beachtung der beamtenrechtlichen Vorschriften“ besoldet. „So werden die Feuerbeamtinnen und -beamten direkt nach der Besoldungsgruppe A8 besoldet, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.“ Gleiches gelte unter Beachtung der tarifrechtlichen Vorschriften für die Mitarbeiter im Rettungsdienst.
Mehr Einwohner - mehr Geld
In den vergangenen Jahren habe es eine strukturelle Anhebung der Besoldung im Hinblick auf das Einstiegsamt bei der Feuerwehr Schwerte gegeben. „Die anderen Städte verfahren entsprechend und in Abhängigkeit ihrer Größe bzw. Einwohnerzahl mit einer höheren oder niedrigeren Besoldung/Vergütung“, sagt Ingo Rous.
Der Städte- und Gemeindebund habe gegenüber den Kommunen deutlich gemacht, dass die „personellen Herausforderungen dieser Zeit“ nicht durch willkürlich gewählte Vergütungsbestandteile (wie z.B. zusätzliche Urlaubstage) gelöst werden könnten. „In solchen Fällen müssten die Aufsichtsbehörden eingreifen und auf die Rückkehr zu einem geordneten Wettbewerb um Fachkräfte verweisen.“
Das bedeutet konkret, dass man in größeren Städten bei der Feuerwehr mehr Geld verdienen kann. Der Spielraum für die Stadt Schwerte scheint dabei eng gesteckt. Und der Wettbewerb um gut ausgebildete Fachkräfte ist hart.