Oh Tannenbaum... ja, unser Bäumchen ist noch schön grün. Ich hätte aber lieber Narzissen im Haus. Wie soll ich ihm das bloß erklären?

© Martina Niehaus

Nix wie raus hier: Wenn der Weihnachtsbaum uns auf die Palme bringt

rnKolumne

Wir lieben unseren Weihnachtsbaum. Doch irgendwann müssen wir uns trennen. Oder? Wie sehr die Baumfrage Familien spalten kann und wie die kurioseste Entsorgung gelungen ist, lesen Sie hier.

Schwerte

, 07.01.2022, 11:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Er ist ja so schön. Immer noch so grün und saftig. Nadelt gar kein bisschen, Schatz. Kann er nicht noch etwas bleiben?

Jedes Jahr führe ich die gleiche Diskussion. Ich möchte den Baum rauswerfen, mein Liebster möchte ihn behalten. Und jedes Jahr stoße ich die Überlegung an, das Ding einfach für immer stehen zu lassen. Irgendwann kann ich ja Ostereier dranhängen. Und mit den Nadeln viele praktische Dinge anfangen: Ich könnte unsere Kopfkissen damit ausstopfen. Oder sie für Rosmarinkartoffeln verwenden, das merkt kein Mensch.

Den Baum rauswerfen? „Das ist so traurig“

Aber ich habe ja vergessen: Unser Baum nadelt nicht. Behauptet jedenfalls mein Mann. Wenn der wüsste! Er ist schließlich nicht dabei, wenn ich den Schmuck mitsamt den Nadeln abrupfe und den Baum aus unserem Fenster in den Garten wuchte. Den Job überlässt er schön mir. „Das ist immer so traurig, ich möchte das nicht sehen“, sagt er dann. Aus diesem Grund sieht er eben auch die Nadelberge nicht.

Kann hier mal jemand fegen? Und wie kann das eigentlich sein? Unser Baum nadelt schließlich nicht!

Kann hier mal jemand fegen? Und wie kann das eigentlich sein? Unser Baum nadelt schließlich nicht! © Martina Niehaus

Auch in diesem Jahr habe ich dieses Gefühl, alles schon einmal genau so erlebt zu haben. Während sich andere Menschen bereits Primeln, Narzissen und Hyazinthen auf den Tisch stellen, hocke ich noch hier mit dem halb aufgegessenen Weihnachtsteller und den Deko-Holzsternen. Und dem Baum, natürlich.

Von wegen: Corona spaltet die Gesellschaft. Es ist die Weihnachtsbaumfrage, die uns immer wieder vor Augen führt, dass wir unterschiedliche Weltanschauungen haben. Selbst innerhalb der Familie.

Die Nadelleugner

Sie sind mitten unter uns: Nadeln, die sich in Fußleisten und Fensterbankritzen verstecken, und in die man noch im Sommer reintritt. Und diejenigen, die behaupten, es gebe gar keine Nadeln. Biologische Fakten und wissenschaftliche Argumente (abgesägter Baum vertrocknet halt irgendwann) halten sie für Fake-News.

Dann argumentieren sie: „Der Baum sieht noch genauso gesund aus wie am ersten Tag.“ Hier hilft nur: Das Thema vermeiden und gemeinsam mit den Nadeln unter den Teppich kehren. Oder den Baum heimlich entsorgen und dann unschuldig sagen: „Du hast Recht, ich sehe tatsächlich keine Nadeln.“

Die Baum-Anhänger

Wozu einen Kletterbaum kaufen? Dafür gibt es schließlich den Weihnachtsbaum. Die Katze meiner Kollegin Carolin West hat dieses Jahr zum ersten Mal einen Baum – und ist begeistert. Damit Lexi nicht darin herumklettert, hat sich Frauchen einen Trick ausgedacht: Sie hypnotisiert ihre Katze mit einem glitzernden Schneeflocken-Anhänger. Stundenlang liegt das Kätzchen auf dem Sofa und fixiert das silberne Ding.

„Wenn wir den Baum in den nächsten Tagen abschmücken und zum Abholen an die Straße legen, müssen wir uns schon mal eine glitzernde Alternative überlegen“, sagt meine Kollegin. Vielleicht passt der Anhänger ja zum Osterschmuck. Dann kann Lexi den Weidenkätzchenstrauch fixieren. Ab und zu sollte Carolin dann überprüfen, ob ihre Katze Nahrung braucht.

Ein Hypnose-Kunststück in Vollendung: Lexi hat sich seit gefühlt drei Wochen nicht mehr von der Stelle bewegt.

Ein Hypnose-Kunststück in Vollendung: Lexi hat sich seit gefühlt drei Wochen nicht mehr von der Stelle bewegt. © Carolin West

Die Maßnahmengegner

Manche Menschen ergreifen bei der Entsorgung des Baums ihre ganz eigenen Maßnahmen. Den Baum an die Straße stellen, vom CVJM oder den Pfadfindern abholen lassen – oder das Gewächs etwa selbst zu einer Sammelstelle bringen? Das sind Mainstream-Maßnahmen, und die sind natürlich völlig uncool.

Viel schöner ist es doch, den Baum (wie wir es einmal gemacht haben) im Ganzen auf den Komposthaufen zu werfen. Und sich zwei Jahre später zu wundern, dass er immer noch da liegt. Als wir dann irgendwann den Gartenteich aushoben, hatte mein Mann die grandiose Idee, den Baum im Aushub zu verbuddeln.

Noch heute ragt der Stamm aus dem Erdberg. Der nächste Baum kam dann in die Feuertonne. Er war so vertrocknet, dass es eine richtige Stichflamme gab. „Der war noch grün, Schatz.“ Ist klar.

Spaziergänger und Querlenker

Naht die Abgabefrist, sollte man sich das Bäumchen also am besten unter den Arm klemmen und einen Spaziergang zur nächsten Sammelstelle machen. Doch Vorsicht – wer sich hier für besonders schlau hält, könnte hinterher dumm aus der Wäsche gucken!

So hatte unser Nachbar letztes Jahr beschlossen, sich den Spaziergang und das damit verbundene Geschleppe zu sparen. Abends band er den Baum mit einem Strick an die Anhängerkupplung – mit der Absicht, auf dem Weg zur Arbeit kurz an der Sammelstelle an der nächsten Straßenecke zu halten.

Zur Arbeit fuhr er dann am nächsten Morgen auch. Bis nach Bochum bretterte der gute Mann über die A40. Und wunderte sich über die vielen Leute, die ihn mit ihrer Lichthupe belästigten.

Als er den Wagen auf den Firmenparkplatz lenkte, fand er den Grund für die Huperei heraus: Seinen Baum, der inzwischen wie ein überdimensionaler Zahnstocher aussah, hatte er versehentlich mit zur Arbeit genommen. Immerhin gab es keine Nadeln mehr, an denen er sich beim Losbinden piksen konnte.

Ich bin jedenfalls schon gespannt, wann ich 2022 die Erlaubnis zum Rauswurf bekomme. Und wie die Entsorgung abläuft. Eine Anhängerkupplung haben wir nämlich nicht. Vielleicht machen wir einfach ein schönes Osterfeuer.