
Suntharalingam Gobinaath, 1. Vorsitzender des Tempelvereins, begutachtet hoch oben an der Kuppel den Baufortschritt des Hindutempels am Beckenkamp. © Reinhard Schmitz
Pracht entsteht hinter Planen: Exklusiver Blick auf die Baustelle des Hindutempels
Hindu-Gemeinde Schwerte
Indische Tempelbauer haben bereits einen großen Teil des Altars für die Hauptgöttin der Schwerter Hindus fertiggestellt. Wir zeigen erste exklusive Blicke hinter die Baustellen-Plane.
Gerüste aus Holzbalken, mit Stricken zusammengebunden, lässt die Berufsgenossenschaft nicht zu. Es müssen schon stabile Eisenkonstruktionen sein, auf denen sich die Handwerker bewegen. Aber ansonsten ist alles im Rohbau des Schwerter Hindutempels wie in Indien, dem Land, aus dem zu Jahresbeginn endlich fünf erfahrene Tempelbauer einreisen konnten.
Ohne Lasergeräte, allein mit Lot und Wasserwaage, haben sie im Inneren des Gemäuers den zehn Meter hohen Altar für die Hauptgöttin Sri Kanankathurka Ampaal errichtet, dessen oberer Teil weit aus einer Öffnung im Flachdach herausragt.
Schicht für Schicht entstehen alle Ornamente aus Betonbrei
Alles ist reine Handarbeit. Zunächst aus weißen Ziegelsteinen gemauert, erhält der Altar seine kunstvollen Verzierungen aus Beton. Schicht für Schicht tragen Chandrasakar Mamiyappan und seine Mitarbeiter den flüssigen Brei auf, den sie mit kleinen Spachteln in Form bringen.
Langsam schälen sich so Ornamente und Gesimse heraus. Auf ähnliche Weise werden am Boden die Götterfiguren vorgefertigt, die Ecken und Nischen des Altars zieren.
Immer wieder werden ihnen zwischendurch zusätzlich ausgesuchte Steinchen in die weiche Zementmasse gedrückt. Das Grundgerüst besteht aus dünnem Kupferrohr. Mit Eisenstäben haben die Experten schlechte Erfahrungen gemacht. Sie fingen an zu rosten und brachten den Beton zum Platzen.

Baubesprechung des Hindu-Vereins mit den fünf Fachleuten aus Indien, die den Tempel bauen: Die Spitze des Altars für die Hauptgöttin Sri Kanakathurka Aampal ragt fünf Meter aus dem Dach heraus. © Reinhard Schmitz
Seit 30 Jahren ist Chandrasakar Mamiyappan als Tempelbauer unterwegs. Er übt den Beruf in fünfter Familiengeneration aus und hat er mit seinem Team allein auf Sri Lanka schon 15 Tempel errichtet.
Auch nach Malaysia und Singapur wurde er für Bauprojekte gerufen – und jetzt nach Schwerte. Alle Abmessungen und Formen sind nicht zufällig gewählt. Sie folgen den Vorgaben seines Buches, das seine Familie wie einen Schatz hütet. Es sei einst vom König von Indien persönlich herausgegeben worden, heißt es.
Das Innere des Altarturms dient als Körner-Silo
Unbemerkt von der Öffentlichkeit ist das Werk, das die Truppe am 4. Februar begonnen hat, hinter den dunklen Schutzplanen schon kräftig vorangeschritten. Es ist wie die Enthüllung eines Kunstwerks, als Suntharalingam Gobinaath, 1. Vorsitzender des Tempelvereins, die Folien öffnet.
Die ganze Pracht des künftigen Tempels lässt der fertig modellierte obere Teil des Turms erahnen. Auch wenn die Beton-Reliefs erst eine sandsteinfarbene Grundierung erhalten haben und ihre endgültige farbenfrohe Bemalung noch fehlt.

Chandrasakar Mamiyappan, der Chef der indischen Tempelbauer-Truppe, enthüllt für einen Augenblick schon einmal die Kuppel des neuen Hindutempels. © Reinhard Schmitz
Erst zum Schluss erhält der Altarturm auch noch seine glänzende Kuppel aus verschiedenen Metallen aufgesetzt. Sie verschließt eine Öffnung. Denn darunter ist das komplette Innere hohl als eine Art Silo ausgebildet. In Indien – so berichtet Suntharalingam Gobinaath – wird es überall von wohlhabenden Hindus als eine Vorratsspeicher für schlechte Zeiten mit Reis, Linsen und anderen Körnern gefüllt.
Bei Notlage lässt sich unten ein Schieber öffnen – und der Inhalt rieselt auf die darunter stehende Götterstatue und von dort aus zu den Bedürftigen. So schenken also die Götter ihnen das Saatgut, mit dem sie ihre Felder bestellen können.
Am Beckenkamp werden nur symbolisch ein paar Handvoll Früchte in den Altar gefüllt. Trotzdem müssen sie wie üblich nach zwölf Jahren gegen frische ausgetauscht werden, um die Keimfähigkeit zu erhalten. Zum Neubefüllen wird dann der Tempel erneut eingerüstet werden müssen, wie Suntharalingam Gobinaath erläutert. Das werde dann aber ohnehin erforderlich, um die Spuren von Regen und Sonne auf den Farben zu beseitigen.
Zunächst jedoch wartet die Hindu-Gemeinde auf den Tag, an dem das Baugerüst verschwindet und ihr Großprojekt nach über vier Jahren endlich fertiggestellt ist. „Wir versuchen, im nächsten Jahr die Einweihung zu feiern“, sagt Suntharalingam Gobinaath zuversichtlich.
Er dankt allen Spendern und Unterstützern, die zur Verwirklichung des Traums beigetragen haben – nicht zuletzt auch der Sparkasse und dem früheren Bürgermeister Heinrich Böckelühr. Dem sei sein Einsatz schon gelohnt worden durch die Ernennung zum Regierungspräsidenten in Arnsberg.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
