
© Reinhard Schmitz
Nachbarschaftsstreit eskaliert: Als Arne Siegel nach Hause kam, war die Esche im Garten gefällt
Nachbarschaftsstreit
Erst ging es nur um Efeu an der Wand. Dann wurde Baumschnitt hin- und hergeworfen. Seit vielen Jahren tobt ein Nachbarschaftsstreit in der Siedlung. Jetzt wurde er zum Fall für die Polizei.
Adrett angeordnet sind die modernen Einfamilienhäuser längs der Privatwege. Jedes hat ein Stückchen Garten, eine Garage und einen Stellplatz. Hier sollte das Glück zu Hause sein, sollte man meinen. Als die Neubausiedlung vor rund 20 Jahren auf dem früheren Acker nördlich des Ostpreußenwegs entstand, herrschte auch Heile-Welt-Gefühl. Die Bauherren stellten anfangs sogar mehrmals ein Zelt und Biertischgarnituren im Wendehammer auf, um gemeinsam bis in die Nacht hinein zu feiern.
Die Nachbarn kauften sich extra einen Hochentaster
Doch es blieb nicht nur eitel Sonnenschein, zumindest in einer Dreier-Reihenhaus-Gruppe in der letzten Reihe, die an das kleine Wäldchen einer ökologischen Ausgleichsfläche grenzt. Hinter den markant gestalteten Mauern kochte ein Streit hoch, der jetzt sogar zu einem Polizei-Einsatz eskalierte: Ein Nachbar-Ehepaar nahm eine Säge an einem langen Stock und legte auf dem fremden Grundstück nebenan einfach eine mittelgroße Esche um, als dort niemand zu Hause war.
Betreten hätten sie den anderen Garten nicht, betonen die Beiden: „Wir haben extra einen Hochentaster gekauft.“ Sie hätten die Tat auch nicht verheimlicht, sondern abends beim Baumbesitzer in dem Mittelhaus geklingelt.

Das stand die Esche (Bildmitte l.) noch in voller Blätterpracht ein Stück neben der Grenze zum Nachbargrundstück. © Arne Siegel
Dort fiel Arne Siegel (58) aus allen Wolken, als plötzlich die Nachbarn vor seiner Tür standen: „Sie sagten: ‚Wir wollten Sie nur in Kenntnis setzen, dass wir die Esche gefällt haben.‘“ Er selbst hatte davon noch gar nichts bemerkt, da es längst dunkel war, als er von der Arbeit zurückgekommen war.
Jetzt war der Baum, der etwa 15 Jahre alt und rund zehn Meter hoch gewesen sei, weg. Zerschnippelt in mehrere kleine Stücke, habe er ihn hinten auf der Ausgleichsfläche gefunden: „Profimäßig – mit Entastung.“ Der Platz für die Vögel und den Spender des „schönen Halbschattens“ an Sommertagen war nicht mehr.
Polizei bestätigt die Aufnahme einer Strafanzeige
Aus dem Zwist am Gartenzaun wurde dadurch ein Fall für die Polizei. „Es wurde eine Strafanzeige gestellt“, bestätigt Polizei-Pressesprecher Bernd Pentrop (Unna), dessen Kollegen an jenem 17. Februar gegen 19 Uhr wegen Streitigkeiten zwischen Nachbarn zu dem besagten Haus alarmiert worden seien.

Die Wurzeln der Esche seien über die Gartengrenze bereits zu ihrer Terrasse gewachsen, klagen die Nachbarn und haben ein Foto gemacht. © privat
Es war der vorläufige Höhepunkt eines Konfliktes, dessen Dokumentation bei Arne Siegel schon ein ganzes Ringbuch füllt. Mit Briefen von Rechtsanwälten und offenbar vergeblichem Treffen beim Schiedsmann. Ganz obendrauf geheftet ist ein Einschreiben, in dem er aufgefordert wird, den „Überwuchs“ an der Grenze zu beseitigen.
Die Esche – so betont er – habe aber nicht direkt auf der Grenze gestanden, sondern etwa 1,30 Meter vom Zaun entfernt. Eine weitere, noch kleinere, die sich an einer anderen Stelle ausgesät hatte und ebenfalls beanstandet worden sei, habe er daraufhin auch entfernt.
Nachbarn fürchteten ums Pflaster ihrer Terrasse
Der Zehn-Meter-Riese, dessen Fällung die Nachbarn nach eigenen Angaben schon 2018 verlangt hatten, blieb. Im November 2020 hätten sie dann beim Heckeschneiden festgestellt, dass deren Wurzeln schon bis unter ihre Terrasse reichten.
Sie befürchteten Schaden für das vor nicht langer Zeit aufwendig neu verlegte Pflaster. Arne Siegel hält das für „nicht vorstellbar“. Denn von einem Experten der Stadtverwaltung habe er die Auskunft erhalten, dass eine Esche ein Senkwurzler sei, also ihre Wurzeln in die Tiefe treibe. Andererseits zeigen die Nachbarn auch Fotos von quer verlaufenden Wurzeln, die sie freigelegt hatten.

Die Polizei nahm eine Anzeige auf: Einfach abgesägt hat der Nachbar die Esche im Garten von Arne Siegel am Ostpreußenweg. © Reinhard Schmitz
Um solche unterirdischen Triebe ging es auch bei einer Sache, die dem Fall Esche vorausging. Damals war ein Feldahorn im Vorgarten der Stein des Anstoßes gewesen. Ganz in der Nähe - so die Nachbarn mit der Säge – verliefen sämtliche Versorgungsleitungen für Gas, Strom, Wasser und Telefon, um die sie fürchteten.
Arne Siegel sägte den Stamm ab und reparierte auch einen beschädigten Randstein. Doch das habe nicht gereicht: „Ich sollte den Baumstumpf in meinem Vorgarten auch noch entfernen.“ Man habe ihm das Angebot eines Gartenbaubetriebs über 600 Euro dazugelegt. Laut Aussage der Nachbarn habe der Wurzelstumpf aber „bis Ende letzten Jahres“ immer wieder neu ausgetrieben. Er ist immer noch da.
Arne Siegel will Schadensersatz einklagen
Genauso wie ein Feldahorn, der am Anfang der Häuserreihe neben der Garage von Arne Siegel wächst. Vor drei Jahren habe es dort Ärger gegeben, weil die Krone angeblich den Empfang auf der Satellitenschüssel seiner Nachbarn gestört habe. „Ich habe einen Teil meines Feldahorns dann geköpft“, erklärt der Ingenieur. Die Nachbarn erzählen, dass sie das Schnittgut anschließend auf ihrem Grundstück gefunden hätten: „Wir haben es gebündelt und ihm neben die Mülltonne gelegt.“

Eine schmucke Eigenheim-Siedlung hat eine GWG-Tochter in den 1990er-Jahren am Ostpreußenweg hochgezogen. Doch hinter zwei Fassaden tobt ein Nachbarschaftsstreit. © Reinhard Schmitz
Wenn man noch weiter im Kalender zurückblättert, stößt man auch schon auf Knatsch wegen Efeu an den Hauswänden. Anwälte haben offenbar gut verdient an den beiden Parteien, die mitterweile seit 22 Jahren Tür an Tür leben. Und es geht noch weiter. Arne Siegel will zivilrechtlich gegen die Eschen-Fällung vorgehen: „Den Schadensersatz habe ich formuliert.“
Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt
Ein Fall für die Strafjustiz wird der Einsatz der Säge indes nicht mehr werden. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt werde. Die Sache sei nicht im öffentlichen Interesse. „Das trägt dazu bei, dass sich die Gegenseite weiter im Recht fühlt“, erklärt Arne Siegel: „Deeskalation geht anders.“
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
