
© Reinhard Schmitz
Stromausfall bringt Wende: Windrad-Abriss in letzter Minute gestoppt
Windkraft in Schwerte
Für die Ökostrom-Idealisten war das Windrad auf dem Bürenbruch nicht mehr wirtschaftlich. Abriss-Arbeiter rückten mit großem Gerät an. Doch dann geschah etwas, womit keiner gerechnet hatte.
Der Mobilkran stemmte seine mächtigen Stützen in das Weidegras am Gut Böckelühr. Sein Teleskoparm war auf 54 Meter ausgefahren, um die Mastspitze von Schwertes erstem und einzigen Windrad zu erreichen. Schon mehrfach hatte der Kranhaken am Mittwochmorgen Monteure in einem eisernen Zwei-Mann-Käfig hinauf zu den Rotorblättern gezogen, um den Abriss der Anlage vorzubereiten. Ein Schrottcontainer stand bereit. Genauso wie ein LKW, auf dem die Generator-Gondel zu einer Firma nach Lippstadt reisen sollte, um als Ersatzteilspender ausgeschlachtet zu werden.
Seit 1995 dreht sich das Windrad auf dem Bürenbruch
Weil sie nach der kräftigen Kürzung der Einspeisevergütung für ältere Windräder seit Jahresbeginn nicht mehr rentabel zu betreiben war, hatte sich die private Windkraft Schwerte GbR um Geschäftsführer Bernd Degwer schweren Herzens für den Abriss entschieden. Um ihn herum standen etliche der idealistischen Mitstreiter, die das Projekt 1995 verwirklicht hatten. „Ich bin sehr traurig“, sprach ihnen Mitorganisator Uwe Polinski aus dem Herzen. Und wartete darauf, dass erst die Flügel und anschließend das Generator-Häuschen mit der Nabe zu Boden geholt werden sollte.

Corona-konform mit der Ghetto-Faust besiegelten Andreas Kronfuß (l.) und Bernd Degwer (r.) den Verkauf des Windrads auf dem Bürenbruch. © Reinhard Schmitz
Doch der riesige Black-Out bei den Stadtwerken Schwerte, der den Strom fast in der ganzen Stadt ausfallen ließ, stoppte auch die Arbeiten auf dem Bürenbruch - und brachte eine ungeahnte Wende. In der Zwangspause kamen Bernd Degwer und Andreas Kronfuß, dessen Firma AK Fehmarn seit Jahr und Tag die Wartung des Windrads übernommen hatte, noch einmal ins Gespräch. Als danach das Wort „Abbruch“ über die Baustelle schallte, hatte es auf einmal eine neue Bedeutung: Die Abriss-Aktion wurde abgebrochen, weil Andreas Kronfuß sich ganz spontan entschieden hatte, die Windstrom-Anlage zu kaufen. Mit seiner Firma AK Ecostrom, die bereits zwei Windräder an der Ostseeküste unterhält, wird er sie weiterbetreiben.
Neuer Betreiber spart sich die Wartungskosten
Für Andreas Kronfuß rechnet sich das. „Weil wir alles selber machen können“, spart er die Wartungskosten. Diese Arbeiten sind für ihn kein Problem, da er ohnehin ständig in der Gegend tätig ist. Zwischen Dortmund und Paderborn hat er Wartungsaufträge für rund 25 Windkraftanlagen. 10 bis 20 Jahre könne das Windrad auf dem Bürenbruch bestimmt noch laufen. Zum Zeitpunkt der Aufstellung gehörte es zu einem Standardtyp der Firma Nordex, die es unter der Fabriknummer 460 noch in Dänemark baute. „Davon sind knapp 1000 Stück verkauft worden“, berichtet Bernd Degwer. Baugleiche Anlagen seien immer noch in Betrieb, beispielsweise an einem Bauernhof in Werl, der den Strom selbst nutze.

Untätig mussten die Abriss-Arbeiter wegen des Stromausfalls unter dem Windrad stehen. © Reinhard Schmitz
Der Verkauf wurde mit einem Corona-gerechten Handschlag per Faustcheck besiegelt. Die Windkraft Schwerte GbR spart sich dadurch die Abrisskosten samt Entfernung des dicken Beton-Fundaments. Für die 54 privaten Anteilseigner bleibt damit letztlich noch etwas mehr „leichter Gewinn“ übrig, von dem Bernd Degwer vorher berichtet hatte. Auf jeden Fall zu viel, um ihn mit einer letzten Grillparty verbrauchen zu können.
Reiterhof Gut Böckelühr behält sein Wahrzeichen
Mehr als über die kleine Geldspritze freuen sich die Ökostrom-Idealisten darüber, dass ihr Werk weiterhin seine Rotoren drehen darf. Da baute Bernd Degwer gerne wieder die Handy-Kamera von dem mit der Werkzeugkiste beschwerten Stativ ab, die den Abbruch im Zeitraffer filmen sollte. Alle 15 Sekunden hatte sie ein Bild aufgenommen, doch zu der spannendsten Szene kam es nicht mehr. Die pro Stück eine Tonne schweren Rotorflügel segelten nicht am Kranhaken zu Boden. Und auch die 16 Tonnen schwere Generatoren-Gondel, von Nahem betrachtet so groß wie ein Kleinwagen, blieb auf dem Mast. Der benachbarte Reiterhof Gut Böckelühr behält sein Wahrzeichen, das bei seiner Aufstellung erst das 55. Windrad in ganz NRW gewesen war.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
