Das deutsche Krankenhaussystem bedarf einer Überholung, da sind sich die Verantwortlichen einig. „Die Kliniken liegen in der Notaufnahme und werden eine politische Therapie des Abwartens nicht überleben“: So formulierte es Gerald Gaß, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Lediglich sechs Prozent der deutschen Krankenhäuser bewerten ihre aktuelle finanzielle Lage als gut, das besagt eine Aufstellung der DKG. Das Schwerter Marienkrankenhaus zählt nicht zu diesen sechs Prozent.
„Unsere wirtschaftliche Lage kann als angespannt bezeichnet werden“, teilt Jürgen Beyer, Geschäftsführer der Klinik, schriftlich mit. Begründet werden kann die schwierige Lage der Krankenhäuser mit der Inflation und den Spätfolgen der Corona-Pandemie. „Während die Vergütung für die stationäre Behandlung von Patienten aufgrund gesetzlicher Regelungen im Jahr 2023 lediglich um rund 4 Prozent steigt, sind Kostensteigerungen von ungefähr 7,5 Prozent im Personalbereich und von 10 Prozent im Sachkostenbereich zu verzeichnen“, so Beyer. Dazu käme, dass viele potentielle Patienten die Krankenhäuser nach wie vor meiden, da sie hier eine erhöhte Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus vermuten.
Bundes- gegen Länderebene
Auf Bundesebene strebt das Gesundheitsministerium um Karl Lauterbach schon länger an, das als marode geltende Kliniksystem zu erneuern. Das große Problem hierbei: Der Bund ist nur für die Betriebskosten der Krankenhäuser zuständig. Investitionen, wie das Umbauen oder Umstrukturieren einzelner Krankenhäuser, ist Ländersache. Auch die Entscheidung, wo in welcher Stadt ein Krankenhaus entsteht, liegt bei den Ländern.

„Eine gewisse Skepsis ist berechtigt, ob sich die in Berlin angedachten Änderungen im Krankenhausbereich umsetzen lassen“, so Beyer. Trotzdem stehen die Verantwortlichen des Marienkrankenhauses Änderungen nicht ablehnend gegenüber. „Grundsätzlich sind Initiativen zu begrüßen, die zum Ziel haben, die chronisch unterfinanzierten Kliniken zu reformieren. So hat sich zum Beispiel in der Vergangenheit die fehlende Bereitschaft des Landes, Investitionen ausreichend zu stützen, negativ ausgewirkt.“
Verluste in Millionenhöhe
Seit 1972 sind Investitionen in die Krankenhäuser Aufgabe der Länder. Seitdem sinken diese. Entsprachen die Ausgaben der Länder für die Kliniken zu Beginn der Regelung noch 25 Prozent der Gelder, die von den gesetzlichen Krankenkassen in die Krankenhäuser fließen, sind es laut einer Aufstellung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) aktuell nur noch vier Prozent. Das sei zu wenig.
Einem ermittelten Investitionsbedarf von 6,7 Milliarden Euro standen im Jahr 2022 3,3 Millionen Euro tatsächliche Investitionen gegenüber.
Trotz staatlicher Unterstützung erwarten mehr als die Hälfte der deutschen Krankenhäuser für das Abrechnungsjahr 2022 eine negative Bilanz, erklärt Jürgen Beyer. Auch das Marienkrankenhaus erwarte Verluste in Millionenhöhe. „Wir verfügen aktuell noch über Liquidität, da wir in der Vergangenheit immer positive Ergebnisse erwirtschaftet haben. Es ist aber abzusehen, wie es Häusern geht, die nicht über unser wirtschaftliches Polster verfügen.“
Mehr ambulante Behandlung
Karl Lauterbach hat zwei zentrale Konzepte, die er der Unterfinanzierung der Kliniken entgegenstellen möchte. Zum einen sollen mehr Patienten ambulant und weniger stationär behandelt werden. Dadurch würden Kosten für die Unterbringung und für das Personal eingespart, das die Patienten auf den Stationen betreut.

Zum anderen soll sich die Vergütung durch die Krankenkassen stärker an den tatsächlichen Kosten der Behandlung orientieren. Aktuell ist es so, dass die Krankenhäuser Fallpauschalen pro behandeltem Patienten berechnen. Je mehr Fälle also an einem Tag durchgeschleust werden, desto mehr Geld bekommen die Kliniken von den gesetzlichen Krankenkassen. Das soll geändert werden.
„Im Moment schwer zu beschreiben“
Die Verantwortlichen in Schwerte sind skeptisch, ob diese Maßnahmen an ihrer Klinik greifen würden: „Der Wechsel von stationärer hin zur ambulanten Versorgung führt dazu, dass das System Krankenhaus von den räumlichen Angeboten komplett umgestülpt werden muss. Das ist auch mit entsprechenden Investitionen verbunden. Es ist im Moment schwer zu beschreiben, welche Vorteile steigende ambulante Leistungen zulasten von stationären Behandlungen für die Krankenhäuser haben werden.“
Darüber, wie eine Vergütung der Krankenhäuser, die sich stärker an den entstehenden Kosten und nicht an der Menge der behandelten Fälle orientiert, aussehen kann, gebe es aktuell zu wenig Informationen. „Zum Funktionieren eines modifizierten Vergütungssystems für die Krankenhäuser lassen sich derzeit keine seriösen Aussagen treffen, da die möglichen Veränderungen bisher nur sehr grob skizziert worden sind“, so der Geschäftsführer des Marienkrankenhauses. Mit einer genauen Einschätzung müsse man also warten, bis mehr Fakten zu der angestrebten Reform vorliegen.
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