Zum letzten Mal spielt Michael Störmer die Weihnachtslieder auf der Orgel der Marienkirche mit ihren spanischen Trompeten. © Reinhard Schmitz

Marienkirche Schwerte

„Last Christmas“ für den Mann auf der Orgelbühne: Abschied ohne Wehmut

Der Ohrwurm „Last Christmas“ ist kein Kirchenlied. Obwohl der Titel auf Michael Störmer passt, der nach 43 Berufsjahren seine letzte Weihnacht an der Orgel von St. Marien erlebt.

Schwerte

, 19.12.2021 / Lesedauer: 3 min

Es passierte mitten in der Christmette. Die Besucher in der rappelvollen Marienkirche jubilierten gerade ihr festlichstes „Heilig, heilig, heilig“, als unvermittelt im Stromkasten eine Hauptsicherung durchbrannte. Der Orgel ging ohne elektrisches Gebläse die Puste aus. An ihrem Spieltisch konnte Michael Störmer vor Dunkelheit kein Notenblatt mehr erkennen.

Nur den Altar am anderen Ende des Kirchenschiffs, den mühsam ein paar Kerzen erhellten. „Der Rest musste dann ohne Orgel gesungen werden“, berichtet der Organist, der seit mehr als 40 Jahren den Ton bei den Weihnachtsgottesdiensten der Schwerter Katholiken angibt. In diesem Jahr zum letzten Mal. Denn Ende August 2022 geht der 65-Jährige in den Ruhestand.

Die Orgeldienste an den Weihnachtstagen sind ein Marathon

Wehmütig ums Herz wird ihm nicht, wenn er am 24. Dezember (Freitag) zum letzten Mal wie gewohnt die Stufen zu seiner Orgelbühne hinaufstapft, während im Gotteshaus die Weihnachtsbäume duften. „Ich freue mich auf eine Zeit, wo ich Zeit für die Familie habe“, sagt er.

Der wiederkehrende Marathon aus Krippenfeiern, Messen, Andachten und Weihnachtskonzerten strukturierte bislang die Festtage: „Man kann legitim sagen, dass der Störmer aus der Kirche gar nicht rauskommt.“

Herr über die 2.475 Pfeifen der Orgel in der Marienkirche ist seit mehr als vier Jahrzehnten Kantor Michael Störmer. © Reinhard Schmitz

Auch wenn der Dienst zuletzt ein wenig leichter geworden ist. Die früher übliche Frühmesse um 7 Uhr morgens am Heiligen Abend ist gestrichen, der Beginn der Christmette seit drei Jahren um eine Stunde vorverlegt auf 22 Uhr. Seitdem kann Michael Störmer endlich mit seiner ältesten Tochter, die am ersten Weihnachtstag geboren ist, in den Geburtstag feiern: „Sonst bin ich immer zu spät gekommen.“ Schließlich darf er sein Tastatur-Pult erst zuklappen, wenn das Schlusslied verklungen ist.

So ist das Abschiedsprogramm

Das Abschiedsprogramm sieht diesmal so aus: Krippenfeier und Christmette am Heiligen Abend, zwei Morgen-Gottesdienste und eine Festandacht am ersten Feiertag und dann nochmal drei Gottesdienste hintereinander am 26. Dezember – einer davon in Geisecke. Da bleibt wenig Raum für Besinnlichkeit: „Für andere ist der Besuch des Weihnachts-Gottesdienstes vielleicht ein Highlight, für mich ist es ein Beruf.“

Jeder Ton muss sitzen in der Christmette. Vor allem die eigenen Improvisationen erfordern von Organist Michael Störmer viele Übungsstunden. © Reinhard Schmitz

Seit Mitte der 1970er-Jahre kennt Michael Störmer es nicht anders. Er war noch Schüler, als er 1974/75 zum ersten Mal in der Marienkirche die Orgelpfeifen zur Weihnachtsnacht dröhnen lassen durfte. „Das war schon ein bisschen aufregender“, sagt er. Am Altar stand noch Pfarrer-Urgestein Wilhelm Stelzner, die Abfolgen der Liturgie waren längst nicht so verinnerlicht wie heute.

Nach einer Pause während der Bundeswehrzeit kam der Organist dann 1979 mit Festanstellung nach Schwerte zurück. Da war Pfarrer Hans-Heinz Riepe schon im Amt, nach dessen Tod Pfarrer Peter Iwan folgte. Er ist Michael Störmers dritter Chef, mit dem zusammen er Ende August in den Ruhestand gehen will.

Dienstende wurde verschoben

Nur deswegen hat er seinen Dienst, der eigentlich im Februar enden würde, um ein halbes Jahr verlängert: „Ich möchte die Verabschiedung gerne noch selbst spielen.“ Beide Stellen sind ausgeschrieben.

Es wird ein großer personeller Umbruch, wenn die beiden liturgischen Weggefährten abtreten, die das Gemeindeleben so lange geprägt haben. Mittlerweile singt Pfarrer Iwan sogar das Weihnachtsevangelium nach einer Melodie, die der Organist ihm auf die Stimme geschrieben hat.

Die übrigen Lieder, die die Gemeinde schmettert, sucht Michael Störmer aus dem Gesangbuch aus. „Die Menschen wollen immer dieselben Lieder singen“, weiß er. „Stille Nacht“ und „O du fröhliche“ dürfen nicht fehlen. Die Weihnachtsgeschichte sei ja auch immer dieselbe.

Seit über 40 Jahren hat Kantor Michael Störmer die Orgel in der Marienkirche gespielt. © Reinhard Schmitz

Aber dazwischen lässt sich der Organist immer wieder neue Elemente einfallen, um den Gottesdienst lebendig zu gestalten. Dazu gehören die Orgel-Improvisationen, die er selbst komponiert und später auswendig spielt. Trotz so viel Berufserfahrung erfordert das eine Menge Üben und Einstudieren. Das erklärt dann auch die Orgeltöne, wenn man jetzt abends an der verschlossenen, dunklen Marienkirche vorbeigeht.

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