Krumme-Kramer-Straße: Der Name tauchte auf keinem Stadtplan auf. Aber wenn er fiel, wusste einst jede Schwerterin und jeder Schwerter sofort, welche Gegend gemeint war: Die Römerstraße auf der Heide, wo der Name – so hieß es – damals auf jeder Klingel stehen sollte.
Aber nur an fast jeder Haustür, denn eine Familie wurde in der Aufzählung vergessen: Fuchs. So hieß das Lebensmittelgeschäft auf der Ecke zur Ostberger Straße, wo sich jahrzehntelang die Nachbarn über den Weg liefen, wenn sie sich mal eben ein Pfund Kaffee, eine Tüte Mehl oder ein Eis besorgen wollten.


Seit 1875 ein Geschäftslokal
Das Gebäude, das kürzlich in Immobilienportalen als Verkaufsobjekt aufgetaucht ist, ist eines der ältesten auf der Schwerterheide überhaupt. Grüne Wiesen und Felder prägten die Umgebung, als die Maurer es im Jahre 1875 Stein auf Stein hochzogen. Viele Häuser standen in dem Stadtteil an der Grenze zu Dortmund noch nicht. Aber dessen Bewohnerinnen und Bewohner wussten es sehr zu schätzen, dass sie künftig nicht mehr ihre schweren Einkaufstaschen voller Kartoffeln, Brot oder Eier kilometerweit aus der Innenstadt zu Fuß nach Hause schleppen mussten.
„Es war schon immer ein Laden drin“, berichtet Nachbarin Hildegard Fuchs-Babiel, deren Großeltern und Urgroßeltern bereits als Kaufleute hinter Theke und Kasse standen. Sie ist quasi in dem Geschäft aufgewachsen, das sich als „Lebensmittel Fuchs“ einen guten Ruf erworben hatte.
Es gehörte keiner Kette wie Spar, Vivo oder Edeka an, sondern wurde stets privat betrieben. Liebevoll drapiert stapelten sich die Dosen und Pakete voller Leckereien in den Regalen und lockten in den Schaufenstern. Zum Einkauf im Tante-Emma-Laden dazu gehörte stets ein Schwätzchen über die neuesten Geschichten auf der Heide dazu: „Hast du schon gehört?“

Durch Um- und Anbauten passte die Familie Fuchs ihre Verkaufsräume immer wieder an die aktuellen Bedürfnisse ihrer Zeit an. In ihrer Kindheit – so erscheint es Hildegard Fuchs-Babiel in der Erinnerung – habe sie zu Hause eigentlich ständig in einer Baustelle gelebt. Sogar eine eigene Poststelle für den Ortsteil wurde Seite an Seite mit den Lebensmitteln eingerichtet. Diese Ära endete, als die Mutter von Hildegard Fuchs-Babiel, die letzte Betreiberin, im Jahre 1975 starb – genau 100 Jahre nach dem Hausbau.
Umnutzung als Friseursalon
Die Verkaufsräume wurden danach erneut umgestaltet und als Friseursalon vermietet, der im Laufe der Zeit von vier verschiedenen Friseurmeisterinnen geführt wurde. Die längste Ära hat Lucia Röper geprägt, die von 1990 bis 2014 die Schere in den fast 70 Quadratmetern auf der Schwerterheide schwang, bevor sie ein jäher Tod aus ihrem Lebenswerk riss. In einem Drogeriemarkt in der Schwerter Fußgängerzone war die erst 63-Jährige unvermittelt zusammengebrochen. Die Betroffenheit bei ihren Kundinnen und Kunden war groß.

Zuletzt führte Ioanna Holl das Friseurgeschäft auf der Heide, bevor sie Ende Januar in andere Räumlichkeiten im Gänsewinkel umzog. Die sich zuspitzende unklare Situation nach dem Tod ihres Vermieters im Jahre 2020 hatte ihr keine andere Wahl gelassen. Der Schwerter hatte sein Hab und Gut an zwei Frauen aus Russland vererbt.
Die Schwester des Gestorbenen, Hildegard Fuchs-Babiel, macht sich für den Erhalt des elterlichen Hauses stark, das schließlich ein „Wahrzeichen der Heide“ sei: „Warum kommt hier nicht ein Kiosk oder ein Bäcker rein?“ Einen Laden sucht man im Stadtteil weit und breit vergebens.
Es gibt nicht einmal mehr den Zigarettenautomaten, der jahrzehntelang im Vorgarten des Salons einbetoniert war. Er wurde nicht wieder erneuert, nachdem er im Sommer 2015 von einem Lkw-Fahrer beim Zurücksetzen gefällt worden war. Einzig der gelbe Postbriefkasten ist an der Ecke Ostberger Straße/Römerstraße geblieben.
