Passanten drehen ihre Köpfe zu den großen Schaufenstern, hinter denen es eine gefühlte Ewigkeit reinweg gar nichts zu sehen gab. Doch plötzlich sind Handwerker hinter den Scheiben des Ladenlokals an der Mährstraße auszumachen, das viele Schwerterinnen und Schwerter noch aus früheren Kneipenzeiten als „Old Inn“ in verklärter Erinnerung haben.
Die Räume werden für eine neue Nutzung hergerichtet. Zur Gastronomie werden sie aber nicht wieder. Es wird auch kein Geschäft dort eröffnen.
Anlaufstelle für Familien
Die zentrale Lage prädestiniert das rund 170 Quadratmeter große Ladenlokal aber für eine andere Nutzung. Die fleißigen Männer im Innern wissen es: Hier solle das Familienbüro der Stadt einziehen, heißt es. Eltern mit Kindern sollen eine Anlaufstelle im Herzen der City finden, die sowohl Beratungs- als auch Aufenthaltsmöglichkeiten bietet. Darüber hinaus ist sogar eine Still-Ecke für Mütter geplant.

Erst Mitte Februar hatte der Stadtrat den Aufbau einer solchen Einrichtung mit Vollzeit-Leitungsstelle beschlossen, für die sich vor allem das Bündnis für Familien immer wieder eingesetzt hatte. Eine Summe von 80.000 Euro wurde für das Projekt in den Haushalt eingestellt. Nach einer Laufzeit von zwei Jahren will man Bilanz ziehen.
Nachdem die Politik ihren Beschluss gefasst hatte, muss die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten und die Vergabe der Umbau-Aufträge im Rekordtempo gelungen sein. Im Stadtrat war angepeilt worden, dass das Familienbüro in diesem Sommer an den Start gehen sollte.
Fußgängerzone im Wandel
Die Ansiedlung dieser Einrichtung ist ein weiterer Beleg für den Wandel der Fußgängerzone, den etliche Experten prognostiziert haben. Zur Belebung der Innenstadt – so hieß es immer wieder – müssten frühere Einzelhandelsflächen für andere Zwecke genutzt werden.
Wie Beispiele für diese Entwicklung scheinen die große Kiefer-Orthopädie-Praxis in einem früheren Modegeschäft oder der Bürgertreff der CDU im ehemaligen Hussel. In einem weiteren zentralen Ladenlokal an der Hüsingstraße hatte sich in Hochzeiten der Syrien-Krise eine Jugendhilfeeinrichtung zur Betreuung von Flüchtlingskindern angesiedelt.

Vom „Old Inn“ an der Mährstraße bleiben unterdessen nur Erinnerungen. Ende der 1960er-Jahre hatten Monika und Peter Assmann in einer ehemaligen Metzgerei ihre Jugendkneipe eröffnet, die absoluter Treffpunkt der jungen Schwerter wurde. Zum Freunde-Treffen strömten sie ins „Inn“, wo jeden Freitag und Samstag Hitparade angesagt war. Legendär war auch das wöchentliche Musikraten: Wer als Erster den Oldie aus den Lautsprechern erkannte, gewann eine Flasche Whisky.
Irgendwann in den 1980ern muss es vorbei gewesen sein mit dieser Ära. Das Bistro Village zog ein, später ein Damen-Fitnessclub und zuletzt eine Nachhilfeschule. Demnächst schlägt dann das Familienbüro ein neues Kapitel an der Mährstraße 10 auf.