Die Stiko empfiehlt jetzt auch die Corona-Impfung für Kinder ab 12 Jahren. Schwerter Kinderärzte begrüßen diese Entscheidung.

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„Kinder müssen Impfung wollen“: Schwerter Kinderärzte zur Stiko-Empfehlung

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Die Stiko empfiehlt seit Montag auch die Covid-Impfung für Jugendliche ab 12 Jahren. Was sagen Ärzte, die junge Patienten aus Schwerte behandeln, zu dieser Entscheidung?

Schwerte

, 17.08.2021, 17:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Soll ich mein Kind gegen das Coronavirus impfen lassen – oder sind die Risiken zu hoch? Diese Frage haben Kinderärzte in den vergangenen Wochen häufig gehört. Jetzt empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) auch eine Impfung für Kinder ab 12 Jahren. Was sagen Schwerter Kinderärzte dazu?

In der Praxis von Heinrich Wiggermann habe es bereits vor der Stiko-Empfehlung viele Anfragen gegeben. „Viele Eltern waren verunsichert, weil die Europäische Arzneimittelbehörde einerseits den Impfstoff zugelassen hat, dann aber die Stiko-Empfehlung nicht vorlag“, erzählt der 57-Jährige.

Immer mit Eltern und Kindern sprechen

Trotzdem habe er in den vergangenen Wochen bereits 12- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche geimpft. „Viele Eltern haben sich nicht davon abbringen lassen.“ Er habe dabei stets mit Eltern und Kindern gemeinsam gesprochen. „Wenn ein 14-Jähriger sagt, er will das nicht, dann kann ich ihn ja schlecht impfen.“ Doch dieser Fall sei eigentlich nie vorgekommen.

Seit Montag (16.8.) hätten sich nun mit der Empfehlung der Stiko noch mehr Eltern gemeldet. Das ist für das gesamte Praxisteam ein großer logistischer Aufwand, denn der Impfstoff muss erst bestellt werden. „Was wir heute Mittag bestellen, bekommen wir in zwei Wochen zugewiesen“, erklärt Heinrich Wiggermann.

„Herr Spahn weiß nicht, wie die Impfverteilung funktioniert“

Dass Gesundheitsminister Jens Spahn bereits am Montag in Aussicht gestellt hatte, alle Kinder könnten sich „bis Ende dieser Woche“ impfen lassen – darüber kann der Mediziner nur lachen. „Das ist doch völlig utopisch. Es gibt zwar genug Impfstoff. Aber Herr Spahn weiß offenbar nicht, wie die Impfverteilung funktioniert.“

Heinrich Wiggermann (57) ist Kinderarzt in Schwerte. Auch er hält eine Impfung für sinnvoll, mahnt aber: „Mehr Erwachsene müssen sich impfen lassen.“

Heinrich Wiggermann (57) ist Kinderarzt in Schwerte. Auch er hält eine Impfung für sinnvoll, mahnt aber: „Mehr Erwachsene müssen sich impfen lassen.“ © privat

Denn die logistischen Prozesse seien sehr empfindlich. Wenn zum Beispiel viele Patienten spontan ins Impfzentrum gingen, könne das durchaus die Planung in einer Praxis durcheinanderbringen – wenn dann plötzlich Patienten wegfallen, die zuvor bei der Bestellung der Impfdosen fest eingeplant waren.

Das Thema Impfen werde die Kinderärzte auch in Zukunft sehr beschäftigen, glaubt Wiggermann. Er betont noch einmal, dass sich mehr Erwachsene impfen lassen müssten – um gerade auch die Kinder zu schützen, die unter 12 sind und noch nicht geimpft werden können. „Sich als Erwachsener nicht impfen zu lassen, halte ich für eine höchst egoistische Denkweise“, sagt der Kinderarzt.

Dr. Wulff: Schulbesuch ist für Kinder wichtig

Dr. Jochen Wulff hat seine Kinderarztpraxis im benachbarten Hennen, er betreut aber auch viele Schwerter Familien. Noch in der vergangenen Woche hatte er in einem Telefonat kritisiert, dass die Stiko bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ausgesprochen hatte.

„Wenn ein Schulbesuch nicht möglich ist, kann das unter anderem soziale Angststörungen, Übergewicht oder andere Krankheiten auslösen. Ich finde, dass die Vermeidung dieser Covid-Erkrankungs- und Quarantänefolgen für Kinder nicht hinreichend als positiver Impferfolg von der Stiko gewürdigt wird“, so der 61-jährige Arzt am Freitag.

Empfehlung aus Sicht des Kinderarztes sinnvoll

Da die Delta-Variante zunehme und aus den USA und Israel Meldungen kämen, dass Kinder durchaus häufiger infiziert werden, häufiger streuen und tatsächlich erkranken können, sei eine Empfehlung für die Impfung aus seiner Sicht sinnvoll.

Deshalb erklärte er am Montag – nach Änderung der Stiko-Empfehlung – auf Anfrage unserer Redaktion: „Insgesamt finde ich es gut, dass die Ständige Impfkommission nun auch den bestehenden Argumentationsketten pro Impfung für Jugendliche gefolgt ist.“

Dr. Jochen Wulff ist Kinderarzt in Hennen. Er sagt: „Kinder und Jugendliche müssen sich selbst für eine Impfung entscheiden.“

Dr. Jochen Wulff ist Kinderarzt in Hennen. Er sagt: „Kinder und Jugendliche müssen sich selbst für eine Impfung entscheiden.“ © Bernd Paulitschke

In der Praxis impfe Dr. Jochen Wulff seine jungen Patientinnen und Patienten nach ausführlichen Beratungsgesprächen. „Ich mache, was mir für meine Patienten als sinnvoll erscheint.“ Wolle ein Kind oder Jugendlicher nicht geimpft werden oder habe der Arzt den Eindruck, die Eltern wollten sie oder ihn überreden, gebe es auch keine Impfung.

Was ist mit dem Risiko einer Herzmuskelentzündung?

Das Risiko einer Herzmuskelentzündung nach einer Covid-Impfung schätzt Dr. Wulff als gering ein. „Das war im Schnitt ein Fall von 17.000 bis 20.000 Geimpften. Und es ist noch nicht nachgewiesen, dass die Herzmuskelentzündungen tatsächlich im Zusammenhang mit der Impfung standen.“

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Vorsichtshalber empfiehlt er aber, nach der Impfung zwei Wochen lang keinen Leistungssport zu betreiben. „Ich empfehle allen Eltern, sich zusätzlich auf den Seiten des Robert-Koch-Instituts über die Impfung zu informieren.“

Anfragen zu Covid-Impfungen gebe es viele, sagt der Kinderarzt. „Das ist schon ein großer Aufwand für unser Personal und kolossal anstrengend. Aber wir haben es bisher sehr gut hinbekommen“, sagt der Kinderarzt und bedankt sich bei seinem Praxisteam für den guten Einsatz.