Zwei wilde Katzenbabys suchen Zuhause Tierheim Schwerte: „Herausforderung, jemanden zu finden“

Zwei wilde Katzenbabys aus dem Tierheim Schwerte suchen ein Zuhause
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Mit großen Augen schauen die jungen Kätzchen hinter ihrem Kletterbaum hervor. Drei sind schwarz-weiß, eines getigert. Sie fauchen und lassen ihre menschlichen Besucher nicht eine Sekunde aus den Augen. Drei Katerchen hocken gemeinsam unter einem Kletterbaum, das einzige Kätzchen faucht aus einer anderen Ecke. Mit Spielzeugen lassen sie sich nicht locken. „Zwei von ihnen fressen inzwischen manchmal Leckerchen aus der Hand, das ist ein großer Fortschritt“, sagt Anna Sonntag. Die Vorsitzende des Tierschutzvereins hofft, dass bald eine gute Lösung für das Quartett gefunden wird, das aktuell im Tierheim Schwerte lebt.

Die Namen der „jungen Wilden“: Peanut, Biscuit, Becks und Trouble. „Trouble“ heißt auf Englisch „Ärger“ - doch natürlich bedeutet das nicht, dass die Kitten, die im April geboren wurden, Ärger bereiten. Vielmehr ist der Name ein Hinweis auf das mühselige und harte Leben, das die Kätzchen führen. Denn die vier Geschwister sind verwildert. Zusammen mit ihrer Mutter stammen sie aus der Umgebung eines Schwerter Reiterhofs.

Eine schwarz-weiße Katze sitzt auf einem Katzbaum.
Die einzige Dame des Wurfs versteckt sich in einer anderen Ecke des Katzenzimmers. © Martina Niehaus

Viel Geduld

Die Besitzer des Hofs hatten den Tierschutzverein darüber informiert, dass eine verwilderte Katze dort Junge bekommen hatte. Die Katze und ihre Babys wurden daraufhin eingefangen, die Mutter kastriert und gekennzeichnet. „Die Katzenmutter war hier sehr unglücklich, weil sie komplett verwildert ist“, erzählt Anna Sonntag. Weil die Kitten entwöhnt seien, habe man die Mutter inzwischen wieder in ihrer gewohnten Umgebung freigelassen.

Demnächst sollen auch ihre Kitten kastriert und gechippt sowie registriert werden - dafür müssen sie mindestens fünf Monate alt sein. Danach werden zwei von ihnen zu ihrer Mutter zurückkehren - dort hat man sich bereiterklärt, sie zu füttern und sich so gut es geht zu kümmern. Doch richtig zahm werden sie wohl nicht. „Die Leute kommen häufig bei uns vorbei, sitzen lange im Raum und versuchen mit viel Geduld und Streicheleinheiten, die Kitten zutraulicher zu machen“, berichtet Anna Sonntag. Das sei auch wichtig, falls mal eines der Tierchen krank wird oder sich verletzt.

Die kleinen Katzen sind noch sehr scheu. Nur ganz allmählich gewöhnen sie sich an menschlichen Besuch.
Die kleinen Katzen sind noch sehr scheu. Nur ganz allmählich gewöhnen sie sich an menschlichen Besuch. © Martina Niehaus

Leidvolles Leben

Für weitere zwei Geschwister sucht das Tierheim noch nach Menschen, die den wilden Kätzchen nach ihrer Kastration und Registrierung eine möglichst freiheitliche Umgebung bieten können. Ein Bauernhof oder ein Reiterhof wären ideal. „Es ist schon eine Herausforderung, jemanden zu finden“, sagt Anna Sonntag. Wenn Kätzchen eher scheu und zurückhaltend sind anstatt niedlich und verschmust, sei das Interesse eher gering.

Wie der Deutsche Tierschutzbund berichtet, leben mehr als zwei Millionen Katzen in Deutschland auf der Straße. Knapp 20 verwilderte Kitten hat das Tierheim Schwerte in diesem Jahr bereits betreut - im Jahr davor waren es 30. Anna Sonntag betont, dass verwilderte Katzen häufig ein leidvolles Leben führen. „Die meisten von ihnen leben nicht romantisch auf einem Bauernhof, wo sie nachts in der Scheune auf Mäusejagd gehen.“

„Elli“, das Kitten einer Straßenkatze, verstarb trotz der Bemühungen von Tierschützern an einer Lungenentzündung.
„Elli“, das Kitten einer Straßenkatze, verstarb trotz der Bemühungen von Tierschützern an einer Lungenentzündung. Das Bild wurde vom Deutschen Tierschutzbund veröffentlicht. © Tierschutzverein Starnberg

Im Gegenteil: Verwilderte Katzen leben mitunter auf Industriebrachen, sind unterernährt, haben Parasiten, leiden an Krankheiten und werden bei Verletzungen nicht behandelt. Und mit einem halben Jahr werden sie geschlechtsreif. „Die meisten neugeborenen Kitten überleben nicht - und diejenigen, die es schaffen, pflanzen sich unkontrolliert weiter fort“, sagt Anna Sonntag. Ein solches Leben sei für die Tiere mit viel Stress und Leid verbunden.

Die Tierschützerin betont, dass verwilderte Katzen nicht die gleichen Fähigkeiten haben wie „echte“ Wildkatzen. „Sie können längst nicht so geschickt jagen wie ihre wilden Verwandten. Daher sind sie auf menschliche Fürsorge angewiesen.“

Das Schwerter Kitten-Quartett hatte Glück – die jungen Kätzchen bekommen im Tierheim genug zu fressen, und es werden Menschen gesucht, die sich zukünftig kümmern wollen. „Wenn sie futtern, dann hauen sie ganz schön rein“, sagt Anna Sonntag. „Man merkt, dass sie gerade wachsen und viel Energie brauchen.“ Sie lacht: „Danach stellen sie vermutlich wieder das Katzenzimmer auf den Kopf.“

Katzen im Tierheim
Die wilden Geschwister lassen den Besuch nicht eine Sekunde aus den Augen. © Martina Niehaus

Chippen und registrieren

Mitschuld am Leid der verwilderten Katzen tragen Katzenbesitzer, die ihre Tiere nicht kastrieren – und damit zu ihrer Vermehrung beitragen. Für Freigängerkatzen besteht im Kreis Unna eine Kastrationspflicht. Doch häufig höre Anna Sonntag von Katzenbesitzern, dass ihr unkastrierter „Wohnungskater“ durchaus im Garten herumspaziere. Wenn sie dann nachfrage, ob der Garten eingezäunt sei, bekomme sie Antworten wie: „Nein, aber der geht ja sowieso nie weit weg.“ Das sei ein großes Problem.

Anna Sonntag mahnt daher, jede Katze kastrieren und auch chippen und registrieren zu lassen. Durch die Registrierung kann nachvollzogen werden, ob eine Kastration erfolgt ist. Außerdem können Tiere, wenn sie verloren gehen, auch schnell wiedergefunden werden. Die Registrierung bei Portalen wie „Tasso“ oder „Findefix“, dem Haustierregister des Deutschen Tierschutzbundes, ist kostenlos. Auch Wohnungskatzen solle man registrieren lassen – denn auch diese Tiere können versehentlich verloren gehen.

Mit einem Lesegerät kann Anna Sonntag die Chipnummer am Hals des Tieres auslesen
Mit einem Lesegerät kann Anna Sonntag die Chipnummer am Hals des Tieres auslesen - und im Computer nachschauen, ob das Tier registriert ist. Für das Foto stand Tierheimkatze "Gina" Modell. Sie wohnt im Tierheim und ist dort der Boss. © Martina Niehaus

Nur zu zweit

Danach wirft sie noch einen Blick von außen in die „Kinderstube“ der wilden Kätzchen. Die haben sich inzwischen auf ihre Schlafplätze zurückgezogen – paarweise aneinander gekuschelt müssen sie sich von dem aufregenden Menschenbesuch erst einmal erholen. Anna Sonntag hofft, dass sich noch Menschen finden, die sich für zwei der Geschwister entscheiden. „Wir möchten sie nicht allein, sondern nur zu zweit vermitteln.“

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