Zwischen Deep-Purple-Platten und Altbier Wolfgang Bücker war der DJ im legendären „Old Inn“

Wolfgang Bücker (71) war der erste DJ im legendären „Old Inn“
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Ganz ohne Handy, WhatsApp und Facebook: Man ging einfach hin und traf immer jemanden. Das „Old Inn“ an der Mährstraße in Schwerte, das jetzt zum städtischen Familienbüro wird, galt in den 1970er-Jahren als der angesagte Treff der Schwerter Jugend.

Viele hatten ihren festen Wochentag für den Besuch. „Die ganz Eingefleischten waren sogar jeden Abend da“, berichtet Wolfgang Bücker. Der heute 71-Jährige zählte auch dazu. Als erster Discjockey legte er bis zu seiner Einberufung zur Bundeswehr nach Kassel im Jahre 1972 die Platten in dem Szenetreff auf. Von Jimi Hendrix bis Janis Joplin, von Led Zeppelin bis Santana – und gar nicht genug von Deep Purple.

Ein Schwarzweiß-Foto zeigt Wolfgang Bücker in den 1970er-Jahren im "Old Inn" in Schwerte.
Von der Arbeit bei Felix-Knusperfrisch hinter die Plattenteller: Fast jeden Abend war Wolfgang Bücker Anfang der 1970er-Jahre der Discjockey in der Jugendkneipe „Old Inn“ an der Mährstraße. © Wolfgang Bücker

Die Beatles live erlebt

Nichts Anderes wollten die Leute inmitten der eigentümlich groß-gemusterten Tapetenwände hören. Schon beim leisesten Anflug von Disko-Sound rollten sie die Augen. „Und bei Schlager hätten Sie Ihnen die Altbiere um die Ohren geworfen“, erzählt Wolfgang Bücker.

Also besser die richtigen Platten unter der zentral eingebauten Theke hervorgezogen, an der er ganz nebenbei auch noch fürs Zapfen mit zuständig war. Zum Glück konnte der DJ die Scheiben beim Musikhaus Schlüter in Dortmund – mit Rabatt – selbst aussuchen und einkaufen.

Er hatte die Musik im Blut, hatte schon die Beatles 1967 live in der Gelsenkirchener Grugahalle erlebt – mit den Rattles als Vorgruppe. Später pilgerte er unter anderem zu den legendären Pink-Floyd-Konzerten ins Parkstadion und beim Loreley-Open-Air.

Aber wie kam der Schwerter, der zu Hause bis vor einigen Jahren noch an die 3.000 LPs in seinem Plattenregal hütete, überhaupt zum DJ-Job? „Weil es kein anderer machen wollte“, sagt er und schmunzelt: „Und weil ich Jochen Abendrot kannte.“ Der hatte die elterliche Metzgerei an der Mährstraße nach deren Schließung im Jahre 1970 zur Musikkneipe „Old Inn“ umgebaut und fragte ganz direkt: „Hast du Lust dazu?“

Jeden Abend hinter dem Rondell

Na klar, Wolfgang Bücker hatte Lust und blieb auch, als Abendrot die Kneipe schon nach einem Jahr an die Hohenlimburger Peter und Monika Assmann verpachtete. Fast jeden Abend stand er hinter seinem Rondell, wo er ganz nebenbei auch sein privates Glück fand: Ehefrau Monika, mit der er mittlerweile seit über 50 Jahren verheiratet ist.

Sein Chef Peter Assmann sollte mit seiner Prophezeiung Recht behalten. „Das wird gefährlich“, orakelte er, als der das Pärchen turteln sah. Wie so manche andere, die sich im „Old Inn“ kennen und lieben lernten.

Peter und Monika Assmann stehen in der Kneipe "Old Inn" in Schwerte. Sie übernahmen das Lokal 1971.
Peter und Monika Assmann übernahmen Anfang der 1970er-Jahre die Leitung der Jugendkneipe „Old Inn“ an der Mährstraße. © Wolfgang Bücker

Hoch her ging es in dem Laden besonders am Mittwoch, wenn Hitparade angesagt war. „Um einen an sich toten Tag zu pushen“, verrät Wolfgang Bücker das Geschäftsgeheimnis. Beim richtigen Tipp winkten als Hauptpreis eine LP sowie etliche Gratis-Getränke.

Kultig war damals Alt mit Schuss. Übertroffen wurden diese Abende nur noch von Live-Konzerten. Besonders wenn die Schwerter Musikgrößen von „Büchse Afflabach“ um Peter Grünebaum auftraten: „Dann war in der Mährstraße richtig was los. Da standen mehr draußen als drinnen.“

Mit dem Auto bis vor die Tür

Wenn mal ein vereinzeltes Auto vorbei wollte, machte die Menge Platz und ließ es durch. Denn zur Fußgängerzone wurde die Mährstraße erst Jahre später. Praktisch für den DJ, der nach seinem damaligen Hauptjob bei der Erdnussfabrik Felix-Knusperfrisch (heute Ültje) Abend für Abend eilig in die Stadt herunterfahren und direkt gegenüber dem Eingang parken konnte.

„Es wurden lange Abende.“ Nach der Sperrstunde um ein Uhr wurde nur offiziell die Vordertür zugeschlossen. Stammgäste aber blieben nicht selten, um im ausgesuchten Kreis Karten zu spielen, bis gegen vier Uhr morgens auch die letzte Pokerrunde beendet war.

Ein Schwarzweiß-Foto zeigt fröhliche Menschen im Old Inn in Schwerte.
Zigaretten gehörten ganz selbstverständlich dazu, wenn die Schwerter Jugend in den 1970er-Jahren feierte. © Wolfgang Bücker

Stress gab es nicht. „Es war ein ganz friedliches Miteinander, ein Jugendtreff von Gleichgesinnten“, berichtet Wolfgang Bücker, der bei Gelegenheit auch immer wieder in die anderen Szene-Treffs seiner Zeit eintauchte – ins „Tit for Tate“ der Peters-Brüder (heute L´incontro) an der Eintrachtstraße, in die „Runde Ecke“ an der Karl-Gerharts-Straße oder ins „Happy Time“ an der Ecke Rathausstraße/Goethestraße, das längst abgerissen und dem Neubau der Deutschen Bank (heute Sitz von „Rehavision“) gewichen ist.

„Das war die erste Disko, Andy Vieweg legte dort auf.“ Bundesweit Furore machte der etwas düstere Schuppen als Austragungsort der Weltmeisterschaft im Dauertanz. Der Sieger sei „Opa“ gewesen, wie jeder ihn nannte.

„Warm Dust“ im Kreinberg

„Auch im Kreinberg war immer was los“, sagt der Ex-DJ. Besonders, wenn Live-Konzerte im großen Saal über die Bühne gingen, wo jetzt im Piratenschiff von „Carlos“ portugiesisch geschlemmt wird.

Stars seien die Jungs von „Warm Dust“ um den Gitarristen „Caddy“ Weber gewesen, die jede Menge Blues von Fleetwood Mac, aber auch Hits der Stones auf ihre Weise nachspielen konnten: „Der Schlagzeuger Norbert Schröer studierte später sogar am Konservatorium.“

Ein Schwarzweiß-Foto zeigt die Band "Warm Dust" bei einem Auftritt im Haus Kreinberg in Schwerte-Ost.
Wenn Schwerter Bands wie „Warm Dust“ auftraten, bebte die Luft im großen Saal der damaligen Gaststätte Haus Kreinberg in Schwerte-Ost. © Wolfgang Bücker

„Die Zeit war wirklich klasse“, gerät Wolfgang Bücker, der später Zahntechniker wurde, rückblickend so richtig ins Schwärmen. Bei schönem Wetter hockte man mit einem Bierchen und Musik unter der Eisenbahnbrücke in Westhofen. Sonntags traf man sich bei „Tabak“, wie die Schwerter ihre Tanzschule Brinkmann (-Thiele) ihn Anspielung an den gleichnamigen Hersteller der noch allgegenwärtigen Kippen nannten.

Ansonsten gab es ja auch noch den „Friday Evening Club“ in Villigst – aber nur für Eingeweihte. Wer zu der erlauchten Runde in der Gartenlaube hinter einem Privathaus dazugehören wollte, musste erst einmal eine Aufnahmeprüfung überstehen: einen ekligen Drink, gemixt aus Tabasco und Eversbusch-Wacholder, herunterkippen.