Hinter der Schaufensterscheibe lockte eine Legion himmlisch-süßer Mandelhörnchen, als eine Verkäuferin wie immer zum Feierabend den Werbeaufsteller vom Bürgersteig in den Verkaufsraum zurückschob. Und doch war es kein Tag wie jeder andere in der Bäckerei Becker.
Kurz zuvor hatten die Mitarbeiter erfahren, dass Firmen-Inhaberin Sarah Ruhnke beim Amtsgericht Hagen einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hatte. Dies sei am 14. Mai geschehen, bestätigt der Sanierungsexperte Dr. Frank Kreuznacht aus Münster, den das Gericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt hat.

Erfahrener Sanierer an Bord
Der Jurist verfüge über große Erfahrungen mit Sanierungen von Unternehmen in der Krise und konnte in den vergangenen Jahren auch viele Bäckereibetriebe erfolgreich restrukturieren, teilt seine Kanzlei in einer Presseerklärung mit. Der Bäckerei Becker als personalintensivem Betrieb hatten demnach die in den vergangenen drei Jahren massiv gestiegenen Material- und Energiepreise zugesetzt.
Außerdem habe sich die Schließung der Filiale in Villigst wegen Beendigung des Mietvertrags negativ bemerkbar gemacht. Dies alles sei in Zeiten zunehmender Kaufzurückhaltung ursächlich für die Schieflage des Familienunternehmens. Darüber hinaus habe zunehmender Wettbewerbsdruck die Entwicklung der Rentabilität negativ beeinflusst.
Läden weiter normal geöffnet
Mit der fachlichen Unterstützung des vorläufigen Insolvenzverwalters soll jetzt der Weg in die Zukunft des Unternehmens gebahnt werden, das seinen Betrieb nach wie vor wie gewohnt weiterführt. Der Hauptstandort an der Bahnhofstraße 21a und die Filiale am Holzener Weg 36 sind normal geöffnet.
Mit dem Insolvenzverfahren - so heißt es weiter - werde eine nachhaltige Sanierung angestrebt, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so anzupassen, dass der Betrieb wieder eine stabile Grundlage erreichen kann.
Belieferung ist sichergestellt
Derzeit verschaffen sich Dr. Frank Kreuznacht aus der überregionalen Kanzlei B.B.O.R.S. und sein Team einen genauen Überblick über die wirtschaftliche Situation und prüfen die Möglichkeiten, den Betrieb und die Arbeitsplätze zu erhalten.
„Positiv ist anzumerken, dass in kurzer Zeit gelang, den Geschäftsbetrieb nach dem Insolvenzantrag so zu stabilisieren, dass er uneingeschränkt fortgeführt wird“, erklärt der Sanierungsfachmann. Die Belieferung sei sichergestellt. Die Bezahlung der Löhne und Gehälter werde durch eine Insolvenzgeld-Vorfinanzierung für drei Monate erfolgen, die derzeit mit der Arbeitsagentur abgestimmt werde. Der Jurist zeigte sich optimistisch, die insgesamt 13 Arbeitsplätze erhalten zu können.
Regelmäßig ausgezeichnet
„Dabei setzen wir auch darauf, dass die umfangreiche Stammkundschaft gerade in dieser schwierigen Phase die Traditionsbäckerei unterstützt und ihr die Treue hält“, sagt Dr. Frank Kreuznacht.
Viele Schwerter schwören auf die die Brötchen, Kuchen und anderen Verkaufsartikel der Bäckerei Becker, die eine der beiden letzten in Schwerte produzierenden handwerklichen Betriebe der Branche ist. Auch vom Fachpublikum erhält sie - beispielsweise bei den traditionellen Stollenprüfungen - regelmäßig Auszeichnungen für die Qualität.

Die Bäckerei Bäcker ist ein Familienbetrieb. 1983 wurde sie vom Vater der jetzigen Inhaberin, Günter Becker, an der Bahnhofstraße gegründet. Obwohl er vielen wie ein Schwerter Urgestein erschien, lagen dessen Wurzeln jedoch in Herdecke, wo seine Eltern schon eine eingesessene Bäckerei führten. Im Jahre 2005 wurde er von den Ruhr Nachrichten in Schwerte als Unternehmer des Jahres ausgezeichnet.