Thomas Krismann kennt alle Formen: Aus Eisenprofilen, die bei Hoesch Schwerter Profile hergestellt wurden, hat der Kölner Künstler Cestmir Janosek eine Plastik geschaffen, die vor dem City-Center an der Hagener Straße aufgestellt ist. © Reinhard Schmitz

Hoesch Schwerter Profile

Hoeschianer wurden sogar im Blaumann zur Massenentlassung geholt

Opa, Vater, Onkel. Alle schufteten bei Hoesch. „Ich war der letzte Krismann“, sagt Thomas Krismann. Er ist einer der 60 Kollegen, die jetzt entlassen wurden. Es traf ihn aus heiterem Himmel.

Schwerte

, 14.04.2020 / Lesedauer: 3 min

„Da haben wir...“ Ganz automatisch rutscht Thomas Krismann ständig noch diese Formulierung heraus, wenn er von seinem ehemaligen Arbeitsplatz spricht. Hoesch Schwerter Profile, das muss für ihn mehr gewesen sein, als nur die Brötchen zu verdienen. Krismann und Hoesch waren wie eine Familie. Über Generationen. Opa, Vater, Onkel. Krismänner gab es eigentlich immer im Werk. Der Insolvenzverwalter hat das jäh beendet. Wie rund 60 anderen Kollegen hat er Thomas Krismann die Kündigung im Profilwerk mitgeteilt.

Schon Opa Georg Krismann war Obermeister an einer Walzstraße

„Meine Verwandten sind alle in Rente gegangen da. Die durften in Rente - ich nicht“, sagt der 57-Jährige bitter. Nach fast 42 Jahren, in denen er seine Knochen für die Firma hingehalten habe, sei er arbeitslos. „Ich war der letzte Krismann“, sagt er. Eine Industrie-Familien-Tradition sei zerstört.

Schon Opa Georg Krismann war Obermeister an einer Walzstraße gewesen, Vater Friedhelm Krismann brachte es bis zum Walzmeister an der großen Straße 7. Über 40 Jahre schuftete er, bis er 1994 in Rente ging. Die Fotos vom Jubiläum sind immer noch sorgfältig in einem hölzernen Bilderrahmen aufbewahrt - mit einer Beschriftung aus blauem Plastik-Prägeband gegen das Vergessen. Ach ja, und dann gab es da noch den Onkel Andreas aus Villigst. Natürlich auch im Walzwerk, an einer der alten Straßen damals.

Hoeschianer sind stolz auf ihr Werk: Die Fotos, die er zu seinem 40-jährigen Dienstjubiläum erhielt, hängte Vater Friedhelm Krismann in einem Rahmen auf. © Reinhard Schmitz

Klar, dass der Berufsweg von Thomas Krismann schon irgendwie in die Wiege gelegt war. Zu Hoesch Schwerter Profile, wo jeden Tag noch mehr als 1000 Kollegen durch das Tor gingen, als er August 1978 seine Lehre als Betriebsschlosser startete. Nach dem Abschluss wurde er als Walzer an der kleinen Straße 3 übernommen, Mitte der 1980er-Jahre wechselte er zur großen Straße 7. Der Schwerter arbeitete sich hoch. Wurde Walzmeister, dann Industriemeister. Jeden Samstag paukte er dafür Schulstoff - nach einer Woche im Drei-Schicht-Betrieb. Der Lohn war, dass er zum Unterstützer des Betriebsleiters aufstieg, 2004 schließlich zum Tagesmeister an seiner Walzstraße. Und damit verantwortlich für ein fast 40-köpfiges Team, das die Schicht fuhr und die Walzen wechselte, wenn ein anderes Profil hergestellt werden musste.

Kollegen wurden im Blaumann zur Massenentlassung abgeholt

Dass damit einmal von jetzt auf gleich Schluss sein könnte, damit hatte Thomas Krismann nie gerechnet. „Komm mal vorbei“, wurde ihm mitgeteilt, als an jenem schwarzen Freitag vor ein paar Wochen die rund 60 Entlass-Kandidaten in den sogenannten Ahnensaal der Verwaltung bestellt wurden. „Es ist schlimm, wie das abgelaufen ist“, pflichtete sein Kollege Dieter Horz (63) bei. Der damalige Qualitätsbeauftragte im Walzwerk, seit 35 Jahren Hoeschianer, hatte einen Anruf bekommen, dass er am nächsten Tag zu der „Info-Veranstaltung“ kommen solle „Teilweise haben sie Leute vom Arbeitsplatz weggeholt“, berichtet er - im Blaumann: „Dann wurde gesagt: Sie werden gekündigt und freigestellt.“ Das Arbeitsamt war schon bestellt, um Anträge aufzunehmen.

Da war die Hoesch-Welt noch in Ordnung: Zum 25-jährigen Dienstjubiläum erhielt Thomas Krismann im Jahre 2003 als Dank ein Modell der Walzen, mit denen er die Stahlprofile herstellte. © Reinhard Schmitz

„Das ist menschenunwürdig“, findet Dieter Horz, der selbst wegen seines Alters mit dem Ausscheiden gerechnet hatte: „Das ist der Dank dann.“ Bestimmt zwei Drittel der Betroffenen seien zwischen 35 und 50 Jahre in der Firma gewesen. Wie könne man so mit Leuten umgehen, die seit der letzten Finanzkrise mit Gehaltsverzicht so viel für das Werk getan hätten? „Seit 2009 hat jeder von uns einen Kleinwagen reingesteckt“, verdeutlicht er. Trotzdem war es immer wieder ein Hoffen und Bangen um den Fortbestand.

„Dass das so runtergewirtschaftet wurde, tut mir leid“, sagt Thomas Krismann, der immer noch nicht so richtig mit Hoesch abschließen kann. Gibt es eine Hoffnung, dass erfahrene Männer wie er zurückgerufen werden, wenn es wieder bergauf ginge? Der 57-Jährige stände bereit: „Ich würde gerne hoffen, dass unsere Arbeitskraft noch gebraucht wird.“

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