„Kneipen-Hauptstadt“ Schwerte Früher ging man zu „Opa Raulf“ und „Kotelett Karl“

Kneipenserie 2: Früher ging man zu „Opa Raulf“ und „Kotelett Karl“
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„Man trinkt viel Bier in Schwerte“, titelte die Schwerter Zeitung im April 1958. Wahrlich konnte man Schwerte zur Mitte des letzten Jahrhunderts als eine „Kneipen-Hauptstadt“ bezeichnen.

Der Heimatvereins-Vorsitzende Uwe Fuhrmann fand in seinem Adressbuch der 1970er-Jahre alleine Namen von 70 bis 80 Gaststätten – Kioske und Cafés noch ausgenommen.

Bereits 2017 hatte unsere Redaktion eine Serie zu historischen Kneipen veröffentlicht. Nun wollen wir die historische Gastronomie-Landschaft noch einmal in drei Teilen aufleben lassen; dies hier ist Teil 2. Uwe Fuhrmann sowie das Stadtarchiv und Postkartensammler Rudolf Kassel haben das Bildmaterial zur Verfügung gestellt.

Zum Anker (Am Markt):

Mit einem großen Versammlungsraum und Piano warb der Wirt 1890 um Vereine und Gesellschaften. Die Wirtin spielte in dem 1744 erbauten Haus Klavier, junge Schwerterinnen und Schwerter trafen sich zum Tanz. Doch schon 1955 wurde die legendäre Kneipe abgerissen, um den Markt zu vergrößern. Geblieben ist die Lücke zwischen der Viktor-Kirche und dem Schuhhaus Hanna.

Alte Marktschänke (Brückstraße 16):

Direkt neben dem Ruhrtal-Museum befand sich die urige Kneipe, die zuvor noch „Gasthaus Krämer“ hieß. 1939 verwöhnte im Untergeschoss, wo später ein Kiosk war, schon eine Eisdiele die Schwerter. Bei „Krämer“ trafen sich morgens schon Markthändler und später die Fahrschüler. Ende 2007 kam das Gebäude von 1858 unter dem Hammer und gehört mittlerweile zum kulturellen Ensemble der Evangelischen Kirche und des Museums.

Alte Marktschänke in Schwerte
Seit 1858 steht sie an der Brückstraße: Die „Alte Marktschänke“ hat viel erlebt. © Reinhard Schmitz

Haus Brieke (Ostenstraße 13):
Ursprünglich wurde die Traditionskneipe als „Restaurant Zur Linde“ eröffnet. Später wurden eine Menge lokaler Sportgeschichten in der Gaststube von Vereinswirt August Jacobs geschrieben, die 1964 zum Vereinslokal von DJK Viktoria wurde. Mit dem Wechsel der Spielergenerationen zu Beginn der 70er-Jahre verlagerte sich das Vereinsleben der DJK in die damalige Lindenschänke am Markt.

Opa Raulf (Mühlenstraße 8):

Noch Mitte der 50er-Jahre wurde an der Mühlenstraße Wilhelm Raulfs berühmter „Karpatenschnaps“ getrunken. Der aus dem Sauerland stammende Wirt übernahm die Gaststätte von seinen Schwerter Schwiegereltern. Nach seinem Tod führte seine Witwe Minna die Kneipe noch ein paar Jahre weiter, bevor sie Anfang der 60er-Jahre geschlossen und 1991 durch einen Neubau ersetzt wurde.

Restaurant Zur Linde in Schwerte
Das „Restaurant Zur Linde“ an der Ostenstraße 13 auf einer Postkarte, die am 24. März 1912 verschickt wurde: Vielen ist die ehemalige Gaststätte noch als „Haus Brieke“ bekannt. © Repro Schmitz

Old Inn (Mährstraße 10):

Musik-Quiz, eine Flasche Whisky und Oldies aus den Lautsprechern standen ab den 1960er-Jahren im „Old Inn“ auf dem Plan. Das Ehepaar Assmann eröffnete die Kneipe in den Räumlichkeiten einer Metzgerei. Später wurde an den Wochenenden die Hitparade gefeiert. Irgendwann endete die Zeit und das „Bistro Village“ zog in das Gebäude. Heute ist das Familienbüro in der ehemaligen Gaststätte untergebracht.

Haus Fritzenkötter (Niederstraße):

„Westhofener Pressluftbar“ wurde die Kneipe im Volksmund aufgrund ihrer winzigen Wirtsstube genannt. Die Theke sei nicht größer gewesen als ein Küchentisch. In der „großen Stube“ war allerdings Platz für 50 Leute. Für das Westhofener Kino wurde später noch ein 500-Personen-Saal angebaut. Ende 1969 wurde das Gebäude abgerissen. Auf dem Grundstück mit einem Garten bis zur Reichshofstraße entstanden Wohnhäuser.

„Old Inn“ an der Mährstraße in Schwerte
Eines der wenigen Fotos der Kneipe „Old Inn“ an der Mährstraße nahm der Postbote Franz Schwieder im Februar 1975 auf. Es befindet sich heute im Stadtarchiv. © Franz Schwieder

Runde Ecke (Hörder Straße/Béthunestraße):

Von der „Runden Ecke“ sprechen Schwerter noch heute an der Kreuzung Hörder Straße/Béthune Straße/Karl-Gerharts-Straße. Im Jahr 1963 wurde das Lokal im Erdgeschoss des Hauses an der „Runden Ecke“ eröffnet. In den Jahren zuvor war das Lokal mal Lebensmittelladen, mal Boutique, mal Spielhalle. Von 1975 bis 1991 stand Frank Schubert hinter dem Tresen. Nach einem Leerstand versuchte er es 2012 noch einmal, bevor die Kneipe 2013 ihr endgültiges Ende fand. Die Kneipe wurde zu einer Wohnung umgebaut.

Im Reiche des Wassers (Im Reiche des Wassers):

Bekannt ist das Backsteinhaus vor allem aus seinen letzten vier Jahrzehnten als Treffpunkt mit Live-Musik. Dabei hatte es eine bewegte Geschichte, seit es vor rund 150 Jahren als Ausflugsgaststätte eröffnet wurde. Mit großem Saal und Biergarten war sie das Gegenstück zum „Freischütz“. Später vereinnahmten Kommunisten und Nazis das Lokal, es wurde Sanitätsstation und griechisches Restaurant. 1978 machte Peter Grünebaum das „Reich“ mit Thomas Kube zur Musikkneipe. Nach dem Weggang der letzten Wirtin 2016 fand sich kein Betreiber mehr für das heutige Fahrradgeschäft.

Postkarte "Gruß aus dem Reiche des Wassers" in Schwerte
In stattlicher Überbreite zeichnete der Künstler den Mühlenstrang gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf seiner Werbepostkarte für das „Reich“. © Sammlung Kassel

Lindenschänke (Hagener Straße 7):

Dem Bau des City-Centers musste die „Lindenschänke“ 1979 weichen. Die letzte Wirtin Regina Fromme eröffnete anschließend die Kutscherstuben im Gänsewinkel. 1963 hatte sie das Lokal von ihren Schwiegereltern übernommen, das Treffpunkt und Vereinslokal war. Man stand zusammen an der Theke, knobelte, spielte Flipper oder warf die Musikbox an.

Zum alten Rathaus (Am Markt):

Die Kneipe stand dort, wo heute die Sparkassenfiliale am Markt steht. Kneipengänger entschieden sich damals für „Kotelett Karl“ oder den „Krummen Schmidt“, wie der Wirt genannt wurde. Durch den Hintereingang konnte man sich sogar ohne Karte ins angrenzende Roland-Theater schleichen. Es verschwand in den 1970er-Jahren beim Bau der Tiefgarage unter dem Markt.

Sparkasse am Markt in Schwerte
Die Kneipe „Zum Alten Rathaus“ stand dort, wo heute die Sparkassenfiliale am Markt steht. © Archiv/Schmitz

Union-Quelle (Am Markt 5):

Eine Musikbox samt Bildschirm war Ende der 1960er-Jahre das Alleinstellungsmerkmal der „Union-Quelle“ am Markt. Der spätere Wirt hat auch noch ein weiteres Lokal in Ergste betrieben, in das er die letzten Gäste in seinem Bulli zum Weitertrinken mitnahm, wenn er die Union-Quelle gegen 22 Uhr schloss. Den großen Umbau des Marktplatzes überlebte die Kneipe noch. Aber irgendwann in den 1980er-Jahren war sie dann verschwunden. Die Gasträume wurden zu einem Ladenlokal.

Germania Stube (Rathausstraße 32):

Welches Bier aus ihrem Zapfhahn schoss, verkündete die kleine Germania Stube an der Rathausstraße 32 schon mit ihrem Namen. Auch wenn es zum Schluss dort ein anderes Bier gegeben hat. Die Germania-Brauerei in Münster, 1963 mit der Dortmunder Union verschmolzen, hatte schon Mitte 1984 die letzte Flasche abgefüllt. Die Germania-Stube verschwand mit dem Abriss des Gebäudes, das einem Neubau Platz machte.

Union-Quelle Am Markt 5 in Schwerte
Durch einen Umbau völlig verändert hat sich das Gebäude der früheren Union-Quelle, Am Markt 5. © Archiv/Schmitz

Haus Loock (Bahnhofstraße 36):

Gut ein Dutzend Tische stellte Günther Loock vor dem Haus an der Bahnhofstraße 36 auf, das er sich 1963 mit Gaststube im Erdgeschoss gebaut hatte. Serviert wurde draußen Selbstgebackenes von Ehefrau Maria Loock. Rund 200 Quadratmeter groß war seine rustikale, gut bürgerliche Gaststätte, an die sich ein Saal anschloss. Bis 1978 habe Günther Loocks Vater die Kneipe betrieben. Dann wurde sie geteilt und eine Hälfte noch einmal für zehn Jahre für „Looks Pinte“ vermietet. In die andere Hälfte zog eine Spielhalle ein.

Haus Elmerhaus (Westenstraße):

Von „Mettwurst Lieschen“ ist immer nur die Rede, wenn von der früheren Kneipe auf der Nordseite der Westenstraße erzählt wird. Damals ging es dort vor allem freitags hoch her, wenn die Gäste ihren Lohn bekommen hatten. Mit der gesamten Häuserzeile wich sie in den 1970er-Jahren dem City-Center.

City-Center in Schwerte
Für den Bau des City-Centers Platz machen musste die Kneipe „Haus Elmerhaus“ an der Westenstraße, von der immer noch als „Mettwurst Lieschen“ geredet wird. © Stadtarchiv/schmitz

Schützenhaus (Eschenweg 2):

Im Jahre 1900 ließ der Bürgerschützenverein den 1.200-Personen-Saalbau für die stolze Summe von 50.000 Goldmark errichten. Der Erste Weltkrieg verbot allerdings Feierlaune. Bevor sie in den „Goldenen Zwanzigern“ wieder aufbrechen konnte, war das Gebäude verkauft. 1916 stellte eine Patentspinnerei dort ihre Maschinen auf. Im Herbst 1996 wollte ein Förderverein die Halle zu einem Kulturzentrum umbauen. Da die Sanierung mit 7,5 Millionen Mark zu teuer war, wurde das Haus 2004 abgerissen.

Gaststätte Meyer (Eintrachtstraße 26):

Bus oder Taxi brauchten die Nachbarn vom „Eintracht“-Schicht 12 nicht, wenn sie feierten. Nur ein paar Schritte waren es zur Gaststätte von Klaus Meyer an der Eintrachtstraße 26. Mit dem Tod des Wirts endete diese Zeit. Der Sohn – so die Ex-Schichtmeisterin – habe bei Hoesch gearbeitet und die Kneipe nicht übernehmen wollen. Zunächst zog eine Druckerei ein, dann wurde sie zu einer normalen Wohnung.

Eintrachtstraße 26
Zu einer Wohnung geworden ist die frühere Gaststätte Meyer an der Eintrachtstraße 26 (r.). © Archiv/Schmitz