
© Reinhard Schmitz
Haus Schneider in Ergste macht Platz für ein Mehrfamilienhaus
Stadtentwicklung
Der Abbruch der traditionsreichen Dorfkneipe am Mühlendamm in Ergste hat begonnen. Von der 350-jährigen Geschichte bleiben nur wenige Erinnerungsstücke in der Nachbarschaft erhalten.
In spätestens drei Wochen liegen 350 Jahre Ergster Geschichte in Trümmern. Dann wird kein Stein mehr an die Traditionsgaststätte Haus Schneider am Mühlendamm erinnern. Von der Rückseite her hat der Abbruchbagger am Donnerstag sein zerstörerisches Werk begonnen, nachdem dort am Tage zuvor die Einfahrt verbreitert worden war. Mit ein wenig Schutt befestigt ist der sonst matschige Boden, auf dem zwei große grüne Container bereitgestellt worden sind, um Eisen, Holz und anderes Material getrennt zu sammeln.
Gesellschaftsraum ist schon verschwunden
Das erste Stück, der Anbau mit dem kleinen Gesellschaftsraum, ist schon nicht mehr. Ein Gewirr aus alten Kabelkänalen und und Eisenprofilen hängt über dem großen Loch in der Wand herunter, das den Blick freigibt in die ehemalige Gaststube. Der Tresen ist längst verschwunden. Genauso wie die gesamte übrige Einrichtung. Kein Stuhl, kein Tisch, kein Bild mehr an der Wand. Und Tischgeschirr und andere Utensilien hatten offenbar schon vor langer Zeit bei einem Inventarverkauf ihre Liebhaber gefunden. Darauf deuten Kritzeleien auf der einst weißen Tapete hin. „Geschirr 0,50 bis 1,50 Euro“ und „Übertöpfe 0,50 bis 2 Euro“ ist dort zu lesen.
Der Baum vorm Haus darf bleiben
Von vielen Fenstern sind nur die leeren Öffnungen geblieben. „Ein Nachbar hat sich die Bleiverglasungen rausgeholt als Andenken“, erzählt Baggerfahrer Nico Kerwien. Erhalten bleibt außerdem der mächtige Hausbaum direkt am Ende des Gebäudes. Er wird mit Bauzäunen geschützt, damit er keinen Schaden nehmen kann. „Später wird eine Baumfirma dort noch einen Grundschnitt machen“, berichtet Kerwien. Die übrigen Bäumen müssten aber dem Bauvorhaben auf dem Grundstück weichen. Der Zeitpunkt ist günstig. Vögel nisten nirgendwo mehr.
Vor zwei Jahren war Schluss
„Bauet und reißet nieder, dann habt ihr Arbeit immer wieder“, zitiert der Baggerfahrer einen Spruch, der in seiner ostdeutschen Heimat in Magdeburg sehr bekannt gewesen sei. Seit 23 Jahren lebt er in Dortmund und ist ein absoluter Virtuose mit seinem Abrissbagger. Wie seine dritte Hand schwenkt und dreht er den Greifer in fließenden Bewegungen zwischen dem Gebäude und den Containern hin- und her. Alles Erfahrung, denn Abbruch sei kein Lehrberuf. Man müsse ein halber Statiker sein, um so vorzugehen, dass nichts anderes beschädigt wird. In der nächsten Woche will er sich so zunächst durch die alte Gaststube Richtung Mühlendamm vorarbeiten, um von dort aus dann den Saalbau plattzumachen, wo einst der Sängerbund Ergste probte und die Köpfe der Schachspieler rauchten.
Damit ist seit über zwei Jahren Schluss. Ende Oktober 2016 hatte die letzte Wirtin, Ute Schneider, sich mit einer rauschenden Abschiedsparty mit rund 500 Gästen verabschiedet. Das Gebäude wurde an einen Investor verkauft.
Mehrfamilienhaus geplant
Auf dem Grundstück von Haus Schneider ist ein Mehrfamilienhaus geplant, wie Stadt-Pressesprecher Carsten Morgenthal berichtet. Ein Bauantrag liegt den Angaben zufolge schon im Rathaus vor. „Er ist aber noch nicht genehmigt“, sagt Morgenthal.Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
