
© Reinhard Schmitz
Selbst genähte Fahne erlebte vor 55 Jahren den Europapokalsieg des BVB
Borussia Dortmund
Fan-Utensilien vom Fanshop – das gab es noch nicht. Also nahm man schwarzen und gelben Stoff und nähte sich selbst eine BVB-Fahne. Martin Fischer hält sie in Ehren und kennt ihre Geschichte.
Was für eine Premiere. Stolz wurde sie an ihrem Bambusstiel im Himmel über Glasgow geschwenkt, als Borussia Dortmund dort vor 55 Jahren Fußballgeschichte schrieb. Jede gelungene Aktion bejubelte die selbst genähte Fahne aus Schwerte im Hampden Park: das 1:0 durch Siggi Held, das 2:1 durch Reinhard Libudas legendäre „Bogenlampe“ in der Verlängerung und erst recht den Schlusspfiff, der den BVB an jenem 5. Mai 1966 zur ersten deutschen Mannschaft machte, die den Europokal der Pokalsieger gewann.
Buchstaben und Zahlen ausgeschnitten und aufgenäht
„Mein Vater Alfred Fischer war persönlich im Stadion mit rund 2000 BVB-Anhängern“, erzählt Martin Fischer (62), der bei dem Triumpf als Erstklässler zu Hause auf dem krisseligen Bild des Schwarzweiß-Fernsehers mit fieberte. Dem Filialleiter der Dresdner Bank in Dortmund war es irgendwie gelungen, eine Eintrittskarte für das große Finale zu ergattern.
Mit Zug und Fähre machte er sich auf die Reise – im Gepäck die nagelneue Fahne, die eine Freundin seiner Frau aus schwarzem und gelbem Baumwollstoff gebastelt hatte. Kunstfertig hatte sie die Buchstaben und Zahlen ausgeschnitten und auf das etwa 1 Meter mal 50 Zentimeter große Tuch aufgenäht. An fertige Devotionalien aus dem Fanshop dachte damals noch niemand.

Am Tag nach dem Europapokalsieg fuhr der BVB in einem Autokorso in Dortmund durch ein Spalier jubelnder Menschen. Im Wagen zu sehen sind (v.l.) Trainer Willy Multhaup, Kapitän Wolfgang Paul mit dem Pokal und Klubpräsident Stork. © dpa
„Die Fahne hat er dann immer dabei gehabt“, berichtet Martin Fischer: „Sie hat alle Höhen und Tiefen des BVB mitgemacht.“ Nach dem Abstieg in die Regionalliga West im Jahr 1972 sah sie Fußballplätze in Solingen, Lüdenscheid und Erkenschwick. Genauso wie 1976 die beiden Siege in den Entscheidungsspielen gegen Nürnberg, die den Wiederaufstieg in die Bundesliga brachten: „Das kleine Dingen war immer mit.“ Später in der Hand des Sohnes.
Bis 1989 war die Fahne in allen Stadien zu Hause
„Zum ersten Mal habe ich sie gehabt, als Mönchengladbach aufgestiegen war und der BVB zu Hause gegen den Aufsteiger mit 3:1 verloren hat“, erinnert sich Martin Fischer. Er reiste mit seinem Souvenir durch alle Stadien in Westdeutschland – von Hamburg bis München, von Stuttgart bis Kaiserslautern.
Erst nach dem DFB-Pokalsieg von 1989 ging die Fahne in Rente, nachdem sie wohlbehalten auf dem Transitweg durch die damals noch existierende DDR nach Berlin und zurück transportiert worden war: „Da haben wir stundenlang an der Grenze gestanden.“
Eine ähnliche Fahne gibt es auch für den VfL Schwerte
Auch wenn es längst Fan-Fahnen in verschiedensten Variationen zu kaufen gibt, hält Martin Fischer sein außergewöhnliches Schätzchen in Ehren. „1000 Euro haben die mir schon dafür geboten“, sagt er: „Aber nee, die gebe ich nicht ab.“
Sie sollte auch nicht getrennt werden von ihrem Zwilling. In der gleichen Größen hat der 62-Jährige noch eine VfL-Schwerte-Fahne, die beim Aufstieg in die Regionalliga West dabei war. Und auch bei dem legendären Spiel gegen den SSV Hagen, als 10.000 Zuschauer das Stadion Schützenhof stürmten.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
