Arzneien, Heilkunst und Gelage Adler-Apotheke schließt nach 273 wechselvollen Jahren

Arzneien und Gelage: Apotheke schließt nach 273 wechselvollen Jahren
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Die Glühbirne in der Jugendstil-artigen Nachteule an der Fassade leuchtete, wenn der Apotheker nach Geschäftsschluss im Bereitschaftsdienst für die Schwerterinnen und Schwerter wachte. Auf der Wappentafel neben der Eingangstür sind seine Handwerks-Utensilien wie Bunsenbrenner, Mörser und Glasflasche in Stein gemeißelt.

Den ganzen Stolz auf seinen Berufsstand verströmt das repräsentative, dreistöckige Gebäude, das sich Carl Werth im Jahre 1905 an der Hüsingstraße 1 errichten ließ. Seine Adler-Apotheke ist aber wesentlich älter. Zu Zeiten des Preußenkönigs Friedrich II. wurde sie vor 273 Jahren als erste der Stadt gegründet. Ende März 2024 endet diese Tradition.

Eine Postkarte von 1923 zeigt die Hüsingstraße in Schwerte.
Der repräsentative Apotheken-Neubau prägt den Eingang der Hüsingstraße auf dieser Postkarte, die im Mai 1923 verschickt wurde. © Sammlung Kassel

Gründung im Jahre 1751

Man schrieb den 16. März 1751, als der Schwerter Ludolf Lange das Apothekenprivileg für die Ruhrstadt erhielt, wo er eine Wohnung im elterlichen Haus an der Brückstraße 1 (heute steht dort der Kodi-Markt) bezog. Er erwarb sich ein solches Ansehen, dass er zwei Jahrzehnte später zum Bürgermeister wurde.

Nicht alle seine Nachfolger versahen ihren Dienst so gewissenhaft. Mehrfach fanden die Aufsichtsbehörden Grund zur Beanstandung. Mal fehlten wichtige Arzneien, dann die geforderten Heilpflanzen im Garten oder die nötigen wissenschaftlichen Standardbücher. Später waren die Etiketten für innere und äußere Anwendung der Medikamente auf den Präparaten vertauscht.

Und regelrechtes Sodom und Gomorrha herrschte in der Apotheke Anfang des 19. Jahrhunderts, als der damalige Inhaber das Geschäft die meiste Zeit einem ungelernten jugendlichen Gehilfen überließ. Der nutzte die Gelegenheit, im Nachtdienst seine Kumpel einzuladen und sich über den Branntwein herzumachen, bis den Nachbarn das Treiben zu bunt wurde und sie Anzeige erstatteten.

Eine steinerne Eule wacht über der Adler-Apotheke in Schwerte.
Die Nachteule an der Fassade der Adler-Apotheke zeigte den Kunden einst mit ihrem Leuchten an, dass der Apotheker im Haus war. © Reinhard Schmitz (A)
Bunsenbrenner, Mörser und Flasche: In Stein gehauene Apotheker-Gerätschaften flankieren den Eingang zur Adler-Apotheke in Schwerte.
Bunsenbrenner, Mörser und Flasche: In Stein gehauene Apotheker-Gerätschaften flankieren den Eingang zur Adler-Apotheke. © Reinhard Schmitz (A)

Nachdem auch noch der Bürgermeister bei Nacht vor verschlossener Tür gestanden hatte, übernahm schließlich der Magistrat die Suche nach einem geeigneten Apotheker. Die Wahl fiel 1822 auf Friedrich Wilhelm Martin Wigginghaus aus Lüdenscheid, der 1826 mit seinem Geschäft an die Hüsingstraße 1 umzog.

Doch schon drei Jahre später starb er im Alter von nur 38 Jahren. Seine Witwe bewies bei der Beschäftigung eines Ersatzmanns keine besonders glückliche Hand. Bei einer Kontrolle im Herbst 1851 schrieben die Behörden rekordverdächtige 68 Punkte auf die Mängelliste. Es drohte die Schließung.

Im Schaufenster der Adler-Apotheke in Schwerte hängen Plakate, die die Schließung ankündigen.
Abschiedsplakate in den Schaufenstern kündigen das Ende der historischen Adler-Apotheke zum 30. März an. © Reinhard Schmitz

Julius Wigginghaus übernimmt

In ruhiges Fahrwasser kam die Schwerter Apotheke erst, als 1896 der Enkel Julius Wigginghaus junior die Geschäfte übernahm. Die Aufgaben wurden ständig mehr. In der rasch wachsenden Industriestadt hatte sich seit 1867 die Zahl der zu versorgenden Einwohnerinnen und Einwohner auf 12.000 vervierfacht.

Doch schon 1905 starb auch dieser Inhaber der Apotheke, die dann an Carl Werth verkauft wurde. Einen wohlhabenden Schwiegervater im Rücken, konnte dieser den grundlegenden Neubau des Geschäftshauses planen, der nach einem Architekten-Wettbewerb vom Schwerter Bauunternehmer Scherff ausgeführt wurde. Kurz darauf bürgerte sich der Name „Adler-Apotheke“ ein, weil mit der „Neuen Apotheke“ am Postplatz im Jahre 1908 der erste Mitbewerber vor Ort auf den Plan getreten war.

In dieser will der derzeitige Inhaber Carsten Schumacher seine Geschäfte konzentrieren, wenn am 30. März die Adler-Apotheke aus wirtschaftlichen Gründen schließt. Dort hatte er vor fünf Jahren als nunmehr 14. Inhaber die Leitung von Sigrid Bohr übernommen, die sich nach 35 Berufsjahren in den Ruhestand zurückzog.

„Alle 38 Stunden stirbt in Deutschland eine Apotheke“, sagte sie damals mit Blick auf die wachsende Konkurrenz aus dem Internet. In Schwerte hatte sie das Ende zweier Betriebe am Bahnhof und eines weiteren im City-Center miterlebt. Ihr Lebenswerk hat die Tradition noch ein paar Jahre länger hochhalten können.

Hinweis der Redaktion: Dieser Text ist bereits am 8. März 2024 erschienen. Wir veröffentlichen ihn an dieser Stelle erneut.