Mit Kirchenliedern in den Krieg Ulrike Berkenhoff hütet Sammlung von kuriosen Gesangbüchern

Sammlung von Ulrike Berkenhoff: Mit kirchlichem Gesangbuch in den Krieg
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Christliche Lieder anstimmen im panisch-engen Stahlkäfig eines U-Bootes? Oder auf dem Deck eines Panzerkreuzers auf Feindfahrt? Wo überall das „Gesangbuch für die Kriegsmarine“ für flehende Gesänge aufgeschlagen wurde, weiß Ulrike Berkenhoff nicht. Aber sie ist sich sicher: „Das hat wirklich jemand mit sich geführt.“ Das sieht man dem mitgenommenen Zustand des Büchleins an, das mitten in den Schreckensjahren des Zweiten Weltkriegs 1943 gedruckt worden ist. Die Schwerterin hat es in ihrem Familiennachlass entdeckt. Nur: Ihr Vater, zu dem der Fund zeitlich passen würde, hat nie in der Marine gedient.

Anker und Kreuz

Beim Blättern in den Dünndruck-Seiten erstaunt, wie eng Kirche und Politik in jenen Jahren verschränkt scheinen. Nicht nur auf dem unübersehbaren Symbol von Anker und Kreuz. Auf eingestreuten Schmuckseiten wechseln sich auch Sprüche vom Reformator Martin Luther und vom Kriegshelden Admiral Graf Spee ab. Die absolute Krönung ist ein „Gebet für Führer, Volk und Vaterland“. „Das kann uns doch heute nur wundern“, sagt Ulrike Berkenhoff.

Vom dünnen „Feldgesangbuch" der Kaiser-Wilhelm-Armee bis zur „Mundorgel" aus CVJM-Zeiten hütet Ulrike Berkenhoff viele uralte christliche Liedersammlungen.
Vom dünnen „Feldgesangbuch" der Kaiser-Wilhelm-Armee bis zur „Mundorgel" aus CVJM-Zeiten hütet Ulrike Berkenhoff viele uralte christliche Liedersammlungen. © Reinhard Schmitz

Die christliche Liedersammlung für die Kriegsmarine ist nicht die einzige Gesangbuch-Rarität der gelernten Buchhändlerin. Als ehrenamtliche Mitarbeiterin im Heimatverein Schwerte und im derzeit geschlossenen Ruhrtalmuseum hat sie eine besondere Affinität zu den Druckwerken, die sie jetzt zusammenstellte, als sie in einer Kirchenzeitung vom 500. Jubiläum der Evangelischen Gesangbücher las. Erstes sei der 1523/24 in Nürnberg erschienene „Achtliederdruck“ gewesen, der bereits vier Werke von Martin Luther enthalten habe.

Noten waren nicht nötig

„Es riecht doch muffig vom Dachboden“, entschuldigt die Heimat-Historikern, als sie ihre Schätze auf dem Tisch ausbreitet. Ältester ist ein „Feldgesangbuch“ von 1897 aus der Kiste ihres Vaters. Einen Stempelaufdruck im Einband des ganz dünnen, etwa DIN-A5 großen Heftchens deutet sie als „17. Infanterieregiment“. Auf den 36 Seiten aus der Evangelischen Hofbuchhandlung Ernst Siegfried Müller und Sohn in Berlin ist nicht eine einzige Note vermerkt: „Die Leute kannten die Melodien.“

Konfirmations-Geschenk

Voller Noten und daumendick ist dagegen schon das „Evangelische Gesangbuch für die Rheinische und Westfälische Provinzsynode“, das Ulrike Berkenhoff von einer Frau aus Witten als Geschenk erhielt. Erschienen ist es in dem bekannten Dortmunder Crüwell-Verlag, von dem auch das 1912 herausgegebene Evangelische Liederbuch für Rheinland und Westfalen stammt. Der Eindruck hinten auf dem Einband nennt den Besitzer: H. Berkenhoff. „Hermann Berkenhoff war der Opa meines Mannes“, verrät die Sammlerin: „Er hat es wohl zum Konfirmations-Unterricht bekommen.“ Das passe altersmäßig.

Im Frühtau zu Berge

Vom eigenen Großvater Karl Plätz hat Ulrike Berkenhoff die Liedersammlung „Ich fahr´ in die Welt“ geerbt, die 1931 vom Evangelischen Reichsverband weiblicher Jugend herausgebracht worden ist. Die Wanderlieder mit Lautenbegleitung von „Im Frühtau zu Berge“ bis „Ein Jäger aus Kurpfalz“ kann sie heute noch singen.

„Mundorgel“ immer griffbereit

Im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) schließlich war Ehemann Klaus Berkenhoff aktiv gewesen, der eine ganz alte „Mundorgel“ des CVJM-Kreisverbands Köln hinterließ. Der zerfledderte lila Einband spricht Bände darüber, wie weit das Büchlein gereist sein muss, und wie oft es in froher Stunde aufgeschlagen wurde: „Er hat es immer in der Hosentasche gehabt bei der Jungschar.“