Der Schwerter Gastronomie ist klar, dass die wegen der Pandemie reduzierte Mehrwertsteuer von sieben Prozent auf Speisen im Lokal bald wieder zurückgenommen werden kann. Dann sind wieder wie vor drei Jahren 19 Prozent fällig. Jeder Wirt geht aber anders damit um, wie unsere Umfrage in den Schwerter Gastronomien zeigt. Und eigentlich nur der Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) glaubt, dass sich bis zum Jahreswechsel vielleicht doch noch etwas tut.
„Mussten alle Inflation ausgleichen“
Freischütz-Chef Philip Winterkamp, Geschäftsführer der Muto Heimatgastronomie, hat sich schon mit Bundes- und Landesabgeordneten unterhalten und sie auf die dringenden Gefahren einer Rücknahme der Mehrwertsteuer-Senkung hingewiesen: „Mitte Dezember sind noch Haushaltsberatungen in Berlin, da kann noch etwas passieren“. Kommen die 19 Prozent wieder, dann könne Finanzminister Lindner sich die 3 Milliarden Steuereinnahmen gleich wieder abschminken.
„Das wird für viele Betriebe existentiell“, hat Winterkamp in der Branche gehört. Er ist DEHOGA-Kreisvorsitzender in Dortmund und für den Kreis Unna IHK-Vollversammlungsmitglied. „Die Reduzierung auf sieben Prozent wegen Corona ist bei den Kunden kaum angekommen, wir mussten alle die Inflation ausgleichen“.
Tausende Betriebsschließungen in Deutschland?
„Definitiv entschieden ist noch nichts“, Thorsten Hellwig vom DEHOGA-Landesverband NRW in Düsseldorf bleibt zuversichtlich. Der Verband resigniere nicht und halte an seiner Petition an die Bundesregierung weiter fest. „Die Gastronomie blutet aus, wenn die Betriebe mitten in der Inflation die Speisen auch noch 12 Prozent teurer machen müssen“, sagt Hellwig. Bundesweit müsse mit 12.000 Betriebsschließungen gerechnet werden.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hatte im Oktober beantragt, es bei sieben Prozent Steuern bei Speisen zu belassen, die im Lokal gegessen werden. Der Bund würde dann auf etwa 3 Milliarden Euro Steuereinnahmen verzichten. „Ein Trugschluss“, meint Thorsten Hellwig. SPD und Grüne hätten den christdemokratischen Vorstoß nur abgelehnt, weil der eben von der falschen Fraktion eingebracht worden sei. Wirklich entschieden sei die SPD noch nicht.
Und noch ein Trugschluss: „Wenn das Essen im Restaurant nochmal deutlich teurer wird, werden viel weniger Leute essen gehen können. Dann gibt es auch keine Steuereinnahmen“. Hellwig meint, es lohne sich noch immer die heimischen SPD-Abgeordneten entsprechend „zu massieren“.
„Sterben auf Raten“
Im Freischütz im Schwerter Wald fühle man sich verpflichtet, gestiegene Kosten an die Gäste weiterzugeben. „Sonst wird das ein Sterben auf Raten, da sind wir einfach realistisch“. Im Spaten-Biergarten dürfen sich die Gäste ja ihr Essen mitbringen, ansonsten soll die neue Speisekarte ab Januar auch neue Gerichte bringen.
Can Karakas will die Karte im Café Herrlich am Markt erstmal nicht ändern: „Wir sind schon an der Schmerzgrenze für unsere Gäste, finde ich“. Wenn es aber nach einiger Zeit anders nicht gehen werde, „dann wird uns das sehr weh tun“. Aber die Gäste sähen ja überall, dass die Betriebe die rasant steigenden Kosten weitergeben müssen.
Rasant steigende Kosten? „Mais und Spargel ist gerade doppelt so teuer wie vor einem Jahr, Olivenöl 150 Prozent und Schafskäse auch“, klagt Stavros Markopoulos. Die Speisekarte im „Korfu-Grill“ an der Hörder Straße ist schon zwei Jahre alt. Markopoulos will seine Gäste nicht erschrecken, aber jetzt gehe es wirklich nicht mehr. Zum Jahreswechsel will er moderat erhöhen. Er hat noch das Problem, dass die Steuererhöhung eigentlich nur die Speisen betrifft, die im Lokal gegessen werden. Gyros to go wird weiterhin nur mit sieben Prozent versteuert. „Ich kann doch nicht zwei Preise nehmen, das ist doch Unsinn“, sagt der Grieche.

„Sonst überleben wir nicht“
Sein Landsmann Vasili Pnevmatikos aus dem Haus Menzebach will versuchen, ohne Preisaufschläge über die Runden zu kommen: „Ich kann aber auch nicht weniger auf die Teller füllen“. Sein Haus sei regional bekannt für sehr moderate Preise, das möchte er nicht ändern: „Vielleicht nehme ich hier und dort ein paar Cent mehr. Meine Gäste müssen doch glücklich sein bei mir“.

Shen Jin in seinem „Peking Garden“ hat schon Nägel mit Köpfen gemacht. „Sonst überleben wir nicht“. Ein Euro mehr fürs Buffet, denkt er, werden seine Gäste mitmachen. An der Qualität seiner chinesischen Spezialitäten will er nichts ändern. Aber die Energiekosten oder die teure Versicherung, die Einkaufspreise für die Zutaten – alles wird schnell teuer.

Die Kugel Kuhbar-Eis wird nicht teurer. „Die gibt es ja auch to go“, sagt Martina Ostermann aus der Kuhbar-Zentrale. In den Kuhbars mit Sitzplätzen müssen die Kuhbar-Partner in ihren Eisdielen aber 19 Prozent Mehrwertsteuer aufs Eis kalkulieren. „Zweierlei Preise für die Kunden kann es aber nicht geben“, meint Ostermann. Die 26 Partner-Betriebsinhaber haben beschlossen, den Eis-Preis erstmal stabil zu halten, wo er jetzt ist.
Gebühren für Außengastro
Einfluss auf die Bundespolitik und damit auf die Entscheidung zur Steuererhöhung hat der Schwerter Bürgermeister nur begrenzt. „Aber die Stadt hat natürlich ein sehr hohes Interesse daran, dass es der heimischen Gastronomie gut geht, dass sie ein existenzsicherndes Umfeld hat“, sagt Stadtpressesprecher Ingo Rous.
Seit 2020, also seit dem Beginn der Pandemie, hat die Stadt auf die Gebühren für die Nutzung von Straßen und Plätzen für die Außengastronomie verzichtet. Im letzten Jahr war die galoppierende Inflation der Grund für die Aussetzung dieser Gebühren. „Das hat unseren gastronomischen Betrieben gutgetan. Ob es angesichts der Haushaltsentwicklung auch in 2024 noch einmal einen Verzicht auf die Gebühren für die Außenbestuhlung geben kann, steht noch nicht fest“, so Rous.
Dem Bürgermeister liege das Wohl und Wehe der heimischen Gastronomen sehr am Herzen. „Wir werden weiter zweimal im Jahr zum Runden Tisch alle Schwerter Gastronomen einladen und so erfahren, wo dort der Schuh drückt“, sagt Ingo Rous.