Beide Schwerter Gymnasien, das Friedrich-Bährens-Gymnasium (FBG) und das Ruhrtal-Gymnasium (RTG), hatten im Mai 2024 einen Wunsch: eine Fahrradstraße, die ihre Schulen miteinander verbindet. Sie stellten mit mehr als 1.000 Unterschriften einen Antrag auf einen Verkehrsversuch. Nach vielen Ausschusssitzungen, nach Diskussionen, zustimmenden Äußerungen fast aller Fraktionen und der Ankündigung „wohlwollender Prüfungen“ ergab sich im September: Eine Fahrradstraße ist möglich – allerdings nur vor dem FBG.
In der Ratssitzung am 25. September hatte Dezernent Christian Vöcks erklärt, dass es Zählungen durch die Straßenverkehrsbehörde vor beiden Schulen gegeben habe. Vor dem RTG führen täglich bis zu 7.000 Fahrzeuge entlang, weshalb die Behörde zu dem Schluss gekommen sei, dass eine Fahrradstraße dort wegen des hohen Verkehrsaufkommens „nicht möglich“ sei. Vor dem FBG hingegen gebe es keine Probleme, da dort täglich nur 2.500 Pkw entlangführen. Vöcks sagte in der Sitzung, für die Einrichtung einer Fahrradstraße gebe es Empfehlungen. „Der Richtwert: Bei bis zu 2.500 Fahrzeugen ist es möglich.“

Entsetzen bei den Eltern
Ein ehemaliger RTG-Vater reagierte entsetzt: „Zu viele Fahrzeuge verhindern eine Fahrradstraße? Glückwunsch an die Autolobby.“ Wir haben noch einmal nachgehakt – unter anderem haben wir die Stadt darum gebeten, uns die entsprechende Zählungsauswertung der Straßenverkehrsbehörde zur Verfügung zu stellen. Dazu erhielten wir diese Antwort des Ordnungsamtes:
- Die Messung vor dem FBG fand in der Zeit vom 24. bis zum 31. Juli 2024 statt. Insgesamt wurde der Bereich durch 15.995 Fahrzeuge befahren, dies macht einen DTV Wert von 2.285 Fahrzeugen.
- Die Messung vor dem RTG fand in der Zeit vom 12. bis zum 19. Juli 2024 statt. Insgesamt wurde der Bereich durch 51.649 Fahrzeugen befahren, dies macht einen DTV Wert von 7.378 Fahrzeugen.
Angaben dazu, welche Behörde genau die Zählung durchgeführt hat, gab es keine – doch in der Ratssitzung hatte Christian Vöcks darauf verwiesen, dass die Straßenverkehrsbehörde gegen eine Fahrradstraße entschieden habe. Daher haben wir auch beim Kreis Unna angefragt. Die Antwort: „Die Kreisverwaltung hat dort keine Zuständigkeit und keine Zählung durchgeführt.“ Die Stadt Schwerte würde „in eigener Zuständigkeit vor Ort“ entscheiden.
„Versuch nicht möglich“
Zudem hatten wir bei der Stadt nachgefragt, welche Regeln der Straßenverkehrsordnung herangezogen wurden. Dazu zitiert das Ordnungsamt folgende Verwaltungsvorschriften: „Die Anordnung einer Fahrradstraße kommt nur auf Straßen mit einer hohen und zu erwartenden hohen Fahrradverkehrsdichte, einer hohen Netzbedeutung für den Radverkehr oder auf Straßen von lediglich untergeordneter Bedeutung für den Kraftfahrzeugverkehr in Betracht.“
Dort steht aber auch: „Eine zu erwartende hohe Fahrradverkehrsdichte kann sich dadurch begründen, dass diese mit der Anordnung einer Fahrradstraße bewirkt wird.“ Doch die Stadt sagt trotzdem: Selbst ein Verkehrsversuch sei aufgrund der Vorschriften nicht möglich.
Darüber hinaus bezieht sie sich auf die AGFS (Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW). In deren Leitfaden steht zwar, dass Fahrradstraßen eher für Straßen mit geringem Verkehrsaufkommen geeignet wären – tatsächlich liegt der Orientierungswert bei 2.500 Fahrzeugen.
Was aber ebenfalls dort steht: „Erfahrungsgemäß reduziert sich die zu erwartende Kfz-Menge nach der Einrichtung einer Fahrradstraße.“ Und: Der Leitfaden sei eine Empfehlung – und diene lediglich der „Entwicklung erster Lösungsansätze“.
ADFC-Vertreter
Zwei Vertreter des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) haben sich ebenfalls geäußert: Harald Miehe von der ADFC-Ortsgruppe Schwerte glaubt nicht an das Interesse an einer ehrlichen Bestandsaufnahme. „Ist das deren Ernst? Wenn eine Kommune an der Stelle eine Fahrradstraße gewollt hätte, dann wäre das auch geschehen.“
Und Dirk Lau vom ADFC-Landesverband Hamburg sagt, er kenne viel befahrene Straßen – sogar in Großstädten – in denen Fahrradstraßen errichtet wurden. „Sicherheit muss immer vor dem Verkehrsfluss bestehen.“ In der Umgebung von Schulen seien Fahrradstraßen immer sinnvoll.