
© Reinhard Schmitz
Dank Karl-Heinz Vogel (92) hat ein Papa aus Ahrweiler wieder ein Auto
Spende für Flutopfer
Es war eine rührende Geste, als Karl-Heinz Vogel den Schlüssel übergab. Der Ex-Fahrlehrer schenkte seinen Skoda einem Vater aus Ahrweiler, der sein Auto bei der Flutkatastrophe verloren hat.
Strahlend kletterte die fünfjährige Kate auf den Beifahrersitz des silberfarbenen Skoda Oktavia. Endlich hatte ihr Papa Timo Großgart (33) wieder ein Auto, nachdem das eigene von den Wassermassen der Ahr im Juli davongespült worden war. Mindestens genauso strahlten die Augen von Spender Karl-Heinz Vogel (92). Dem früheren Fahrlehrer war es eine große Freude, die Flutopfer mit dem Wagen glücklich zu machen, von dem er sich als Gesundheitsgründen trennen wollte. Als er dann noch erfuhr, dass Timo Großgart als Berufskraftfahrer quasi ein Kollege war, war man sofort per Du.

Schlüsselübergabe an der Hagener Straße: Timo Großgart (v.l.) und seine Tochter Kate (5) freuen sich über Skoda Oktavia, den Karl-Heinz Vogel (r.) ihnen überlässt. © Reinhard Schmitz
Die Geste von Karl-Heinz Vogel machte Schule. Nicht ein Abschleppwagen aus dem Katastrophengebiet fuhr am Samstag (11.9.) vor seiner Wohnung im Martin-Luther-Haus an der Hagener Straße vor. Ein ganzer Konvoi hielt auf dem Parkstreifen am Bürgersteig. Drei Bullis und drei Anhänger hatte die Initiative „4Drive - zurück in die Mobilität“ auf die Reise geschickt. „Wir sind jeden Tag unterwegs - mal mit einem Auto, mal mit fünf oder sechs“, berichtete Konvoiführer „Balou“, der mit seinem Werkstattwagen die Karawane anführte: „Das ist vollkommen kostenlos“. Diesmal wollte er noch weitere geschenkte Fahrzeuge in Menden, Warstein und Attendorn abholen. Eins davon war noch angemeldet, so dass nur ein Fahrer umsteigen musste.

Eigentlich hatten Erna und Karl-Heinz Vogel sogar den Frühstücktisch für Timo Großgart gedeckt. Doch weil der mit einer größeren Helfergruppe kam, die noch weitere Ziele abklappern musste, wurden davon schnell Lunchpakete und eine Thermoskanne mit Kaffee zubereitet. © Reinhard Schmitz
Dass so viele Helfer unterwegs waren, überraschte Vogels Ehefrau Erna. Liebevoll hatte sie in ihrer Wohnung den Frühstückstisch für Timo Großgart mit Käse, Honig und Tomaten gedeckt und sogar ein handgeschriebenes Schildchen „Herzlich willkommen“ unter einen Rosenstrauß gestellt. Aber diese große Gruppe passte beim besten Willen nicht in die Küche, so dass sie blitzschnell die Brötchen für Lunchpakete schmierte. Auch eine Thermoskanne mit frischem Kaffee gab sie noch mit. Es war eine ganz besondere, die sie aus einem Urlaub in Frankreich mitgebracht hatte.
Nichts wie raus: Timo Großgarts Auto schwamm einfach davon
Viele schöne Ferienerinnerungen verbanden die Vogels auch mit ihrem Skoda, dem sie zum Abschied noch lange hinterher winkten, während die Abschleppwagen Richtung Innenstadt davonstarteten. 22 Jahre lang hatte sie das treue Fahrzeug durchs Leben begleitet und sie nie im Stich gelassen. Über 133.000 Kilometer bis ins Ausland nach Österreich und Holland. „Ein besseres Auto habe ich nie gehabt“, schwärmte der Kraftfahrzeugprofi.

So erlebte Timo Großgart die Straßen seines Wohnorts im Ahrtal am Morgen nach der Flutwelle um 8 Uhr. Das Gebiet liegt 200 Meter Luftlinie vom Flussufer entfernt. © Timo Großgart
Jetzt ist der Parkplatz mit dem Schild „Vogel“ unter der Überdachung am Martin-Luther-Haus leer. Der Skoda soll in Ahrweiler weiterhin gute Dienste leisten. „Ich bin ein bisschen geplättet“, fehlten Timo Großgart die Worte, als er von der Spende überrascht worden war. Martin Kolöchter vom Roten Kreuz hatte über seine Kollegen im Kreis Ahrweiler den Kontakt hergestellt, als er zu einem Hilfseinsatz vor Ort gewesen war. Die verheerenden Folgen der großen Flut erlebte er dort unmittelbar mit. Auf freien Plätzen zur Verschrottung übereingestapelt waren beispielsweise die schlammgetränkten Autowracks, die das Wasser angetrieben hatte.

So erlebte Timo Großgart die Straßen seines Wohnorts im Ahrtal am Morgen nach der Flutwelle um 8 Uhr. Das Gebiet liegt 200 Meter Luftlinie vom Flussufer entfernt. © Timo Großgart
Irgendwo muss auch das frühere Fahrzeug von Timo Großgart so geendet haben.
Als das Wasser in die Straße vor seiner Wohnung lief, hatte er noch versucht, es wegzufahren. „Aber auf einmal fing es an zu schwimmen“, berichtete der 33-Jährige. Also nichts wie raus aus: „Keine fünf Minuten, da war es weg.“ Auch das Mehrfamilienhaus, Luftlinie etwa 200 Meter von der Ahr entfernt, wurde geflutet. Keller und Erdgeschoss standen 2,80 Meter hoch unter Wasser. Glück im Unglück: Bis zu Timo Großgarts Wohnung im Obergeschoss kam die Flut nicht. Aber es dauerte quälend lange, bis Strom- und Wasseranschluss wieder funktionierten. Und jetzt ist der Vater endlich auch wieder mobil. „Danke, Karl-Heinz“, konnte er nur immer wieder sagen.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
